dir zuerst hätt' erzählen sollen: Denk auch, der Rudi hat mir und dir, so lang eins von uns lebt, alle Jahr für eine Kuh Gras und Heu ab der unglüklichen Matten, die er izt Gottlob wieder hat, versichert.
Vögtin. Herr Jesus! was du auch sagst! Jst das auch möglich von ihm?
Vogt. (mit Thränen in den Augen) Es gieng mir wie dir: ich konnte es fast nicht glauben, und ihm fast nicht danken. Und ohne das ist er noch zu mir gekommen, um mir zu sagen, daß seine Mutter auf dem Todbett mir verzigen, und mir alles Guts an Leib und Seel angewünscht.
Vögtin. Ach! das freut mich fast noch mehr, als sein Heu und Gras, so sehr wirs nöthig haben.
Vogt. Und mich gewiß auch -- Aber du hast während der Zeit nie gar nichts freudiges gehabt?
Vögtin. Wohl freylich habe ich auch das eint und andre gehabt, das mich er- quikt; aber denn ja -- auch viel anders.
Vogt. Nicht wahr, meine besten Freun- de waren die schlimmsten?
Vögtin. Es ist fast so; Jm Anfang war alles gut, und sie sind alle Nacht zu mir ge- schlichen, und haben mir alle Güte verspro- chen, wenn ich machen könne, daß du keinen
von
dir zuerſt haͤtt' erzaͤhlen ſollen: Denk auch, der Rudi hat mir und dir, ſo lang eins von uns lebt, alle Jahr fuͤr eine Kuh Gras und Heu ab der ungluͤklichen Matten, die er izt Gottlob wieder hat, verſichert.
Voͤgtin. Herr Jeſus! was du auch ſagſt! Jſt das auch moͤglich von ihm?
Vogt. (mit Thraͤnen in den Augen) Es gieng mir wie dir: ich konnte es faſt nicht glauben, und ihm faſt nicht danken. Und ohne das iſt er noch zu mir gekommen, um mir zu ſagen, daß ſeine Mutter auf dem Todbett mir verzigen, und mir alles Guts an Leib und Seel angewuͤnſcht.
Voͤgtin. Ach! das freut mich faſt noch mehr, als ſein Heu und Gras, ſo ſehr wirs noͤthig haben.
Vogt. Und mich gewiß auch — Aber du haſt waͤhrend der Zeit nie gar nichts freudiges gehabt?
Voͤgtin. Wohl freylich habe ich auch das eint und andre gehabt, das mich er- quikt; aber denn ja — auch viel anders.
Vogt. Nicht wahr, meine beſten Freun- de waren die ſchlimmſten?
Voͤgtin. Es iſt faſt ſo; Jm Anfang war alles gut, und ſie ſind alle Nacht zu mir ge- ſchlichen, und haben mir alle Guͤte verſpro- chen, wenn ich machen koͤnne, daß du keinen
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dir zuerſt haͤtt' erzaͤhlen ſollen: Denk auch,
der Rudi hat mir und dir, ſo lang eins von
uns lebt, alle Jahr fuͤr eine Kuh Gras und
Heu ab der ungluͤklichen Matten, die er izt
Gottlob wieder hat, verſichert.
Voͤgtin. Herr Jeſus! was du auch ſagſt!
Jſt das auch moͤglich von ihm?
Vogt. (mit Thraͤnen in den Augen) Es
gieng mir wie dir: ich konnte es faſt nicht
glauben, und ihm faſt nicht danken. Und
ohne das iſt er noch zu mir gekommen, um
mir zu ſagen, daß ſeine Mutter auf dem
Todbett mir verzigen, und mir alles Guts
an Leib und Seel angewuͤnſcht.
Voͤgtin. Ach! das freut mich faſt noch
mehr, als ſein Heu und Gras, ſo ſehr wirs
noͤthig haben.
Vogt. Und mich gewiß auch — Aber
du haſt waͤhrend der Zeit nie gar nichts
freudiges gehabt?
Voͤgtin. Wohl freylich habe ich auch
das eint und andre gehabt, das mich er-
quikt; aber denn ja — auch viel anders.
Vogt. Nicht wahr, meine beſten Freun-
de waren die ſchlimmſten?
Voͤgtin. Es iſt faſt ſo; Jm Anfang war
alles gut, und ſie ſind alle Nacht zu mir ge-
ſchlichen, und haben mir alle Guͤte verſpro-
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/128>, abgerufen am 26.06.2024.
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