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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Nickel. Ich glaub es selbst. Doch ist's im-
mer nicht die beste Ordnung für dich, daß der
junge Herr seines Großvaters Glauben changirt
hat.

Vogt. Ja, er hat einmal nicht völlig des
Großvaters Glauben.

Nickel. Ich traue fast, er sey in keinem
Punkt und in keinem Artikel von allen Zwölfen
mit dem Alten des gleichen Glaubens.

Vogt. Es kann seyn. Aber der Alte war
mir in seinem Glauben ein anderer Mann.

Nickel. Ich denk's wohl. Der erste Arti-
kel seines Glaubens hieß: Ich glaube an dich, mei-
nen Vogt --

Vogt. Das ist lustig. Aber wie hieß denn
der andere?

Nickel. Was weiß ich grad jezt. Ich denk,
er hieß: Ich glaub gusser dir, meinem Vogt, kei-
nem Menschen kein Wort.

Vogt. Du solltest Pfarrer werden, Nickel,
du würdest den Catechismus nicht blos erklären;
du würdest noch einen aufsetzen.

Nickel. Das würde man mir wohl nicht zulas-
sen. Thät' ich's, ich würde ihn machen so deutsch und
so klar, daß ihn die Kinder ohne den Pfarrer ver-
stühnden; und denn würde er ja natürlich nichts nütze
seyn.

Vogt.

Nickel. Ich glaub es ſelbſt. Doch iſt’s im-
mer nicht die beſte Ordnung fuͤr dich, daß der
junge Herr ſeines Großvaters Glauben changirt
hat.

Vogt. Ja, er hat einmal nicht voͤllig des
Großvaters Glauben.

Nickel. Ich traue faſt, er ſey in keinem
Punkt und in keinem Artikel von allen Zwoͤlfen
mit dem Alten des gleichen Glaubens.

Vogt. Es kann ſeyn. Aber der Alte war
mir in ſeinem Glauben ein anderer Mann.

Nickel. Ich denk’s wohl. Der erſte Arti-
kel ſeines Glaubens hieß: Ich glaube an dich, mei-
nen Vogt —

Vogt. Das iſt luſtig. Aber wie hieß denn
der andere?

Nickel. Was weiß ich grad jezt. Ich denk,
er hieß: Ich glaub guſſer dir, meinem Vogt, kei-
nem Menſchen kein Wort.

Vogt. Du ſollteſt Pfarrer werden, Nickel,
du wuͤrdeſt den Catechismus nicht blos erklaͤren;
du wuͤrdeſt noch einen aufſetzen.

Nickel. Das wuͤrde man mir wohl nicht zulaſ-
ſen. Thaͤt’ ich’s, ich wuͤrde ihn machen ſo deutſch und
ſo klar, daß ihn die Kinder ohne den Pfarrer ver-
ſtuͤhnden; und denn wuͤrde er ja natuͤrlich nichts nuͤtze
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Vogt.
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[38/0061] Nickel. Ich glaub es ſelbſt. Doch iſt’s im- mer nicht die beſte Ordnung fuͤr dich, daß der junge Herr ſeines Großvaters Glauben changirt hat. Vogt. Ja, er hat einmal nicht voͤllig des Großvaters Glauben. Nickel. Ich traue faſt, er ſey in keinem Punkt und in keinem Artikel von allen Zwoͤlfen mit dem Alten des gleichen Glaubens. Vogt. Es kann ſeyn. Aber der Alte war mir in ſeinem Glauben ein anderer Mann. Nickel. Ich denk’s wohl. Der erſte Arti- kel ſeines Glaubens hieß: Ich glaube an dich, mei- nen Vogt — Vogt. Das iſt luſtig. Aber wie hieß denn der andere? Nickel. Was weiß ich grad jezt. Ich denk, er hieß: Ich glaub guſſer dir, meinem Vogt, kei- nem Menſchen kein Wort. Vogt. Du ſollteſt Pfarrer werden, Nickel, du wuͤrdeſt den Catechismus nicht blos erklaͤren; du wuͤrdeſt noch einen aufſetzen. Nickel. Das wuͤrde man mir wohl nicht zulaſ- ſen. Thaͤt’ ich’s, ich wuͤrde ihn machen ſo deutſch und ſo klar, daß ihn die Kinder ohne den Pfarrer ver- ſtuͤhnden; und denn wuͤrde er ja natuͤrlich nichts nuͤtze ſeyn. Vogt.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/61>, abgerufen am 07.05.2024.