Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

lebe und Vogt bin, sagt er, wischt den Schweiß
von der Stirne -- hustet -- räuspert -- fängt wie-
der an -- Es ist erschrecklich -- --

Arner. Du bist unruhig, Vogt! Die Frage
ist einfältig. Ist's wahr, daß du arme Leute drän-
gest, in Verwirrungen bringest, und ihnen in dei-
nem Wirthshause Fallstricke legest, die ihre Haus-
haltungen unglücklich machen?

Vogt. Nein, gewiß nicht, Gnädiger Herr!
Das ist der Lohn, wenn man Lumpenleuten dient;
ich hätte es vorher denken sollen. Man hat alle-
mal einen solchen Dank, anstatt der Bezahlung.

Arner. Mache dir vor die Bezahlung keine
Sorge; es ist nur die Frage, ob dieses Weib
lüge.

Vogt. Ja gewiß, Gnädiger Herr! ich will
es tausendfach beweisen.

Arner. Es ist genug am einfachen, Vogt!
Aber nimm dich in Acht. Du sagtest gestern,
Gertrud sey eine brave, stille, arbeitsame Frau und
gar keine Schwätzerinn.

Ich weiß nicht -- ich - - - ich - - - besinne - - -
Sie haben mich - - - ich habe sie - - - ich habe sie - -
dafür angesehen -- sagte der keichende Vogt --

Arner. Du bist auf eine Art unruhig, Vogt!
daß man jezt nicht mit dir reden kann; es ist am
besten, ich erkundige mich gerade da bey diesen da
stehenden Nachbaren. Und sogleich wandte er sich

zu

lebe und Vogt bin, ſagt er, wiſcht den Schweiß
von der Stirne — huſtet — raͤuſpert — faͤngt wie-
der an — Es iſt erſchrecklich — —

Arner. Du biſt unruhig, Vogt! Die Frage
iſt einfaͤltig. Iſt’s wahr, daß du arme Leute draͤn-
geſt, in Verwirrungen bringeſt, und ihnen in dei-
nem Wirthshauſe Fallſtricke legeſt, die ihre Haus-
haltungen ungluͤcklich machen?

Vogt. Nein, gewiß nicht, Gnaͤdiger Herr!
Das iſt der Lohn, wenn man Lumpenleuten dient;
ich haͤtte es vorher denken ſollen. Man hat alle-
mal einen ſolchen Dank, anſtatt der Bezahlung.

Arner. Mache dir vor die Bezahlung keine
Sorge; es iſt nur die Frage, ob dieſes Weib
luͤge.

Vogt. Ja gewiß, Gnaͤdiger Herr! ich will
es tauſendfach beweiſen.

Arner. Es iſt genug am einfachen, Vogt!
Aber nimm dich in Acht. Du ſagteſt geſtern,
Gertrud ſey eine brave, ſtille, arbeitſame Frau und
gar keine Schwaͤtzerinn.

Ich weiß nicht — ich ‒ ‒ ‒ ich ‒ ‒ ‒ beſinne ‒ ‒ ‒
Sie haben mich ‒ ‒ ‒ ich habe ſie ‒ ‒ ‒ ich habe ſie ‒ ‒
dafuͤr angeſehen — ſagte der keichende Vogt —

Arner. Du biſt auf eine Art unruhig, Vogt!
daß man jezt nicht mit dir reden kann; es iſt am
beſten, ich erkundige mich gerade da bey dieſen da
ſtehenden Nachbaren. Und ſogleich wandte er ſich

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="31"/>
lebe und Vogt bin, &#x017F;agt er, wi&#x017F;cht den Schweiß<lb/>
von der Stirne &#x2014; hu&#x017F;tet &#x2014; ra&#x0364;u&#x017F;pert &#x2014; fa&#x0364;ngt wie-<lb/>
der an &#x2014; Es i&#x017F;t er&#x017F;chrecklich &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Arner.</hi> Du bi&#x017F;t unruhig, Vogt! Die Frage<lb/>
i&#x017F;t einfa&#x0364;ltig. I&#x017F;t&#x2019;s wahr, daß du arme Leute dra&#x0364;n-<lb/>
ge&#x017F;t, in Verwirrungen bringe&#x017F;t, und ihnen in dei-<lb/>
nem Wirthshau&#x017F;e Fall&#x017F;tricke lege&#x017F;t, die ihre Haus-<lb/>
haltungen unglu&#x0364;cklich machen?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Nein, gewiß nicht, Gna&#x0364;diger Herr!<lb/>
Das i&#x017F;t der Lohn, wenn man Lumpenleuten dient;<lb/>
ich ha&#x0364;tte es vorher denken &#x017F;ollen. Man hat alle-<lb/>
mal einen &#x017F;olchen Dank, an&#x017F;tatt der Bezahlung.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Arner.</hi> Mache dir vor die Bezahlung keine<lb/>
Sorge; es i&#x017F;t nur die Frage, ob die&#x017F;es Weib<lb/>
lu&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Ja gewiß, Gna&#x0364;diger Herr! ich will<lb/>
es tau&#x017F;endfach bewei&#x017F;en.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Arner.</hi> Es i&#x017F;t genug am einfachen, Vogt!<lb/>
Aber nimm dich in Acht. Du &#x017F;agte&#x017F;t ge&#x017F;tern,<lb/>
Gertrud &#x017F;ey eine brave, &#x017F;tille, arbeit&#x017F;ame Frau und<lb/>
gar keine Schwa&#x0364;tzerinn.</p><lb/>
          <p>Ich weiß nicht &#x2014; ich &#x2012; &#x2012; &#x2012; ich &#x2012; &#x2012; &#x2012; be&#x017F;inne &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Sie haben mich &#x2012; &#x2012; &#x2012; ich habe &#x017F;ie &#x2012; &#x2012; &#x2012; ich habe &#x017F;ie &#x2012; &#x2012;<lb/>
dafu&#x0364;r ange&#x017F;ehen &#x2014; &#x017F;agte der keichende Vogt &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Arner.</hi> Du bi&#x017F;t auf eine Art unruhig, Vogt!<lb/>
daß man jezt nicht mit dir reden kann; es i&#x017F;t am<lb/>
be&#x017F;ten, ich erkundige mich gerade da bey die&#x017F;en da<lb/>
&#x017F;tehenden Nachbaren. Und &#x017F;ogleich wandte er &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0054] lebe und Vogt bin, ſagt er, wiſcht den Schweiß von der Stirne — huſtet — raͤuſpert — faͤngt wie- der an — Es iſt erſchrecklich — — Arner. Du biſt unruhig, Vogt! Die Frage iſt einfaͤltig. Iſt’s wahr, daß du arme Leute draͤn- geſt, in Verwirrungen bringeſt, und ihnen in dei- nem Wirthshauſe Fallſtricke legeſt, die ihre Haus- haltungen ungluͤcklich machen? Vogt. Nein, gewiß nicht, Gnaͤdiger Herr! Das iſt der Lohn, wenn man Lumpenleuten dient; ich haͤtte es vorher denken ſollen. Man hat alle- mal einen ſolchen Dank, anſtatt der Bezahlung. Arner. Mache dir vor die Bezahlung keine Sorge; es iſt nur die Frage, ob dieſes Weib luͤge. Vogt. Ja gewiß, Gnaͤdiger Herr! ich will es tauſendfach beweiſen. Arner. Es iſt genug am einfachen, Vogt! Aber nimm dich in Acht. Du ſagteſt geſtern, Gertrud ſey eine brave, ſtille, arbeitſame Frau und gar keine Schwaͤtzerinn. Ich weiß nicht — ich ‒ ‒ ‒ ich ‒ ‒ ‒ beſinne ‒ ‒ ‒ Sie haben mich ‒ ‒ ‒ ich habe ſie ‒ ‒ ‒ ich habe ſie ‒ ‒ dafuͤr angeſehen — ſagte der keichende Vogt — Arner. Du biſt auf eine Art unruhig, Vogt! daß man jezt nicht mit dir reden kann; es iſt am beſten, ich erkundige mich gerade da bey dieſen da ſtehenden Nachbaren. Und ſogleich wandte er ſich zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/54
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/54>, abgerufen am 07.05.2024.