zu zween alten Männern, die still und aufmerksam und ernsthaft da stuhnden, und sagte ihnen: Ist's wahr, liebe Nachbaren! Werden die Leute in eu- rem Wirthshaus so zum Bösen verführt und ge- drückt? Die Männer sahn sich einer den andern an, und durften nicht reden.
Aber Arner ermunterte sie liebreich. Fürchtet euch nicht. Sagt mir gerade zu die reine Wahr- heit.
Es ist mehr als zu wahr, Gnädiger Herr! aber was wollen wir arme Leute gegen den Vogt kla- gen? sagte endlich der ältere, doch so leise, daß es nur Arner verstehn konnte.
Es ist genug, alter Mann! sagte Arner, und wandte sich denn wieder zum Vogt.
Ich bin eigentlich jezt nicht da, um diese Klage zu untersuchen; aber gewiß ist es, daß ich [mei]ne Armen vor aller Bedrückung will sicher haben, und schon längst dachte ich, daß kein Vogt Wirth seyn sollte. Ich will aber das bis Montag ver- schieben -- Gertrud! sage deinem Mann, daß er zu mir komme, und sey du wegen den Wirths- hausgefahren seinethalben jezt nur ruhig.
Da nahm Arner noch einige Geschäfte vor, und als er sie vollendet hatte, gieng er noch in den na- hen Wald -- und es war späth, da er heim fuhr -- Auch der Vogt, der ihm in den Wald folgen mußte, kam erst des Nachts wieder heim in sein Dorf.
Als
zu zween alten Maͤnnern, die ſtill und aufmerkſam und ernſthaft da ſtuhnden, und ſagte ihnen: Iſt’s wahr, liebe Nachbaren! Werden die Leute in eu- rem Wirthshaus ſo zum Boͤſen verfuͤhrt und ge- druͤckt? Die Maͤnner ſahn ſich einer den andern an, und durften nicht reden.
Aber Arner ermunterte ſie liebreich. Fuͤrchtet euch nicht. Sagt mir gerade zu die reine Wahr- heit.
Es iſt mehr als zu wahr, Gnaͤdiger Herr! aber was wollen wir arme Leute gegen den Vogt kla- gen? ſagte endlich der aͤltere, doch ſo leiſe, daß es nur Arner verſtehn konnte.
Es iſt genug, alter Mann! ſagte Arner, und wandte ſich denn wieder zum Vogt.
Ich bin eigentlich jezt nicht da, um dieſe Klage zu unterſuchen; aber gewiß iſt es, daß ich [mei]ne Armen vor aller Bedruͤckung will ſicher haben, und ſchon laͤngſt dachte ich, daß kein Vogt Wirth ſeyn ſollte. Ich will aber das bis Montag ver- ſchieben — Gertrud! ſage deinem Mann, daß er zu mir komme, und ſey du wegen den Wirths- hausgefahren ſeinethalben jezt nur ruhig.
Da nahm Arner noch einige Geſchaͤfte vor, und als er ſie vollendet hatte, gieng er noch in den na- hen Wald — und es war ſpaͤth, da er heim fuhr — Auch der Vogt, der ihm in den Wald folgen mußte, kam erſt des Nachts wieder heim in ſein Dorf.
Als
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zu zween alten Maͤnnern, die ſtill und aufmerkſam
und ernſthaft da ſtuhnden, und ſagte ihnen: Iſt’s
wahr, liebe Nachbaren! Werden die Leute in eu-
rem Wirthshaus ſo zum Boͤſen verfuͤhrt und ge-
druͤckt? Die Maͤnner ſahn ſich einer den andern
an, und durften nicht reden.
Aber Arner ermunterte ſie liebreich. Fuͤrchtet
euch nicht. Sagt mir gerade zu die reine Wahr-
heit.
Es iſt mehr als zu wahr, Gnaͤdiger Herr! aber
was wollen wir arme Leute gegen den Vogt kla-
gen? ſagte endlich der aͤltere, doch ſo leiſe, daß
es nur Arner verſtehn konnte.
Es iſt genug, alter Mann! ſagte Arner, und
wandte ſich denn wieder zum Vogt.
Ich bin eigentlich jezt nicht da, um dieſe Klage
zu unterſuchen; aber gewiß iſt es, daß ich meine
Armen vor aller Bedruͤckung will ſicher haben,
und ſchon laͤngſt dachte ich, daß kein Vogt Wirth
ſeyn ſollte. Ich will aber das bis Montag ver-
ſchieben — Gertrud! ſage deinem Mann, daß er
zu mir komme, und ſey du wegen den Wirths-
hausgefahren ſeinethalben jezt nur ruhig.
Da nahm Arner noch einige Geſchaͤfte vor, und
als er ſie vollendet hatte, gieng er noch in den na-
hen Wald — und es war ſpaͤth, da er heim fuhr —
Auch der Vogt, der ihm in den Wald folgen mußte,
kam erſt des Nachts wieder heim in ſein Dorf.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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