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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Tugend und ihre Weisheit bemerkt wird, -- und
beschloß dem Weib mehr, als es bat, und
hoffete, Gnade zu erweisen; dann er fühlte ihren
Werth -- und daß unter Tausenden kein Weib ihr
gleich käme. Er legte jezt einem jeden Päckgen et-
was bey, und sagte: -- Bring deinen Kindern ihr
Spargeld wieder, Gertrud! -- und ich lege aus
meiner Börse dreyßig Gulden beyseits für den
Vogt -- bis er bezahlt ist. -- Gehe nun heim, Ger-
trud -- morgen werde ich ohne dis in dein Dorf
kommen; und da werde ich dir Ruhe schaffen vor
dem Hummel.

Gertrud konnte vor Freuden nicht reden --
Kaum brachte sie stammelnd ein gebrochenes schluch-
zendes "Gott lohne es ihnen, Gnädiger Herr!"
hervor; Und nun gieng sie mit ihrem Säugling
und mit ihrem Trost in ihres Mannes Arme --
Sie eilete -- betete -- und dankte Gott auf dem
langen Wege -- und weinte Thränen des Danks
und der Hoffnung, bis sie in ihrer Hütte war.

Lienhard sah sie kommen -- und sah den Trost
ihres Herzens -- in ihren Augen -- Bist du schon
wieder da? rief er ihr entgegen -- es ist dir wol
gegangen bey Arner --

Wie weißst du's schon, sagte Gertrud? Ich sehe
dir's an, du Gute! du kanst dich nicht verstellen --

Das kann ich nicht, sagte Gertrud, und ich
möcht es nicht -- wenn ich's auch könnte, dir die

gute

Tugend und ihre Weisheit bemerkt wird, — und
beſchloß dem Weib mehr, als es bat, und
hoffete, Gnade zu erweiſen; dann er fuͤhlte ihren
Werth — und daß unter Tauſenden kein Weib ihr
gleich kaͤme. Er legte jezt einem jeden Paͤckgen et-
was bey, und ſagte: — Bring deinen Kindern ihr
Spargeld wieder, Gertrud! — und ich lege aus
meiner Boͤrſe dreyßig Gulden beyſeits fuͤr den
Vogt — bis er bezahlt iſt. — Gehe nun heim, Ger-
trud — morgen werde ich ohne dis in dein Dorf
kommen; und da werde ich dir Ruhe ſchaffen vor
dem Hummel.

Gertrud konnte vor Freuden nicht reden —
Kaum brachte ſie ſtammelnd ein gebrochenes ſchluch-
zendes “Gott lohne es ihnen, Gnaͤdiger Herr!„
hervor; Und nun gieng ſie mit ihrem Saͤugling
und mit ihrem Troſt in ihres Mannes Arme —
Sie eilete — betete — und dankte Gott auf dem
langen Wege — und weinte Thraͤnen des Danks
und der Hoffnung, bis ſie in ihrer Huͤtte war.

Lienhard ſah ſie kommen — und ſah den Troſt
ihres Herzens — in ihren Augen — Biſt du ſchon
wieder da? rief er ihr entgegen — es iſt dir wol
gegangen bey Arner —

Wie weißſt du’s ſchon, ſagte Gertrud? Ich ſehe
dir’s an, du Gute! du kanſt dich nicht verſtellen —

Das kann ich nicht, ſagte Gertrud, und ich
moͤcht es nicht — wenn ich’s auch koͤnnte, dir die

gute
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[15/0038] Tugend und ihre Weisheit bemerkt wird, — und beſchloß dem Weib mehr, als es bat, und hoffete, Gnade zu erweiſen; dann er fuͤhlte ihren Werth — und daß unter Tauſenden kein Weib ihr gleich kaͤme. Er legte jezt einem jeden Paͤckgen et- was bey, und ſagte: — Bring deinen Kindern ihr Spargeld wieder, Gertrud! — und ich lege aus meiner Boͤrſe dreyßig Gulden beyſeits fuͤr den Vogt — bis er bezahlt iſt. — Gehe nun heim, Ger- trud — morgen werde ich ohne dis in dein Dorf kommen; und da werde ich dir Ruhe ſchaffen vor dem Hummel. Gertrud konnte vor Freuden nicht reden — Kaum brachte ſie ſtammelnd ein gebrochenes ſchluch- zendes “Gott lohne es ihnen, Gnaͤdiger Herr!„ hervor; Und nun gieng ſie mit ihrem Saͤugling und mit ihrem Troſt in ihres Mannes Arme — Sie eilete — betete — und dankte Gott auf dem langen Wege — und weinte Thraͤnen des Danks und der Hoffnung, bis ſie in ihrer Huͤtte war. Lienhard ſah ſie kommen — und ſah den Troſt ihres Herzens — in ihren Augen — Biſt du ſchon wieder da? rief er ihr entgegen — es iſt dir wol gegangen bey Arner — Wie weißſt du’s ſchon, ſagte Gertrud? Ich ſehe dir’s an, du Gute! du kanſt dich nicht verſtellen — Das kann ich nicht, ſagte Gertrud, und ich moͤcht es nicht — wenn ich’s auch koͤnnte, dir die gute

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/38>, abgerufen am 18.04.2024.