Gertrud. Das ist wohl gut, du Lieber! aber stehlen hilft nicht im Elend; und der Arme der's thut, kömmt dadurch nur gedoppelt in die Noth.
Lienhard. Freylich; aber beym nagenden Hunger Eßwaaren vor sich sehen, und wissen, wie viel davon in den Gruben verfaulen muß, und wie selber alles Vieh davon genug hat, und sie dann doch liegen lassen und sie nicht anrühren: O, Liebe! wie viel braucht's dazu!
Gertrud. Es ist gewiß schwer; aber gewiß muß der Arme es können, oder er ist unausweich- lich höchst unglücklich.
Lienhard. O Liebe! wer würde in seinem Fall es thun? Wer will's von ihm fordern?
Gertrud. Gott! der's vom Armen fordert, giebt ihm Kraft es zu thun, und bildet ihn durch den Zwang, durch die Noth, und durch die vielen Leiden seiner Umstände, zu der grossen Ueberwindung, zu der er aufgefordert ist. Glaube mir, Lienert! Gott hilft dem Armen so im Ver- borgenen, und giebt ihm Stärke und Verstand zu tragen, zu leiden und auszuhalten, was schier ungläublich scheint. Wenn's denn durchgestritten, wenn das gute Gewissen bewahrt ist, Lienert! denn ist ihm himmelwohl; viel besser als allen, die nicht Anlaß hatten, so viel zu überwinden.
Lienhard.
Gertrud. Das iſt wohl gut, du Lieber! aber ſtehlen hilft nicht im Elend; und der Arme der’s thut, koͤmmt dadurch nur gedoppelt in die Noth.
Lienhard. Freylich; aber beym nagenden Hunger Eßwaaren vor ſich ſehen, und wiſſen, wie viel davon in den Gruben verfaulen muß, und wie ſelber alles Vieh davon genug hat, und ſie dann doch liegen laſſen und ſie nicht anruͤhren: O, Liebe! wie viel braucht’s dazu!
Gertrud. Es iſt gewiß ſchwer; aber gewiß muß der Arme es koͤnnen, oder er iſt unausweich- lich hoͤchſt ungluͤcklich.
Lienhard. O Liebe! wer wuͤrde in ſeinem Fall es thun? Wer will’s von ihm fordern?
Gertrud. Gott! der’s vom Armen fordert, giebt ihm Kraft es zu thun, und bildet ihn durch den Zwang, durch die Noth, und durch die vielen Leiden ſeiner Umſtaͤnde, zu der groſſen Ueberwindung, zu der er aufgefordert iſt. Glaube mir, Lienert! Gott hilft dem Armen ſo im Ver- borgenen, und giebt ihm Staͤrke und Verſtand zu tragen, zu leiden und auszuhalten, was ſchier unglaͤublich ſcheint. Wenn’s denn durchgeſtritten, wenn das gute Gewiſſen bewahrt iſt, Lienert! denn iſt ihm himmelwohl; viel beſſer als allen, die nicht Anlaß hatten, ſo viel zu uͤberwinden.
Lienhard.
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Gertrud. Das iſt wohl gut, du Lieber! aber
ſtehlen hilft nicht im Elend; und der Arme
der’s thut, koͤmmt dadurch nur gedoppelt in die
Noth.
Lienhard. Freylich; aber beym nagenden
Hunger Eßwaaren vor ſich ſehen, und wiſſen,
wie viel davon in den Gruben verfaulen muß, und
wie ſelber alles Vieh davon genug hat, und ſie
dann doch liegen laſſen und ſie nicht anruͤhren: O,
Liebe! wie viel braucht’s dazu!
Gertrud. Es iſt gewiß ſchwer; aber gewiß
muß der Arme es koͤnnen, oder er iſt unausweich-
lich hoͤchſt ungluͤcklich.
Lienhard. O Liebe! wer wuͤrde in ſeinem
Fall es thun? Wer will’s von ihm fordern?
Gertrud. Gott! der’s vom Armen fordert,
giebt ihm Kraft es zu thun, und bildet ihn durch
den Zwang, durch die Noth, und durch die
vielen Leiden ſeiner Umſtaͤnde, zu der groſſen
Ueberwindung, zu der er aufgefordert iſt. Glaube
mir, Lienert! Gott hilft dem Armen ſo im Ver-
borgenen, und giebt ihm Staͤrke und Verſtand
zu tragen, zu leiden und auszuhalten, was ſchier
unglaͤublich ſcheint. Wenn’s denn durchgeſtritten,
wenn das gute Gewiſſen bewahrt iſt, Lienert! denn
iſt ihm himmelwohl; viel beſſer als allen, die
nicht Anlaß hatten, ſo viel zu uͤberwinden.
Lienhard.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/104>, abgerufen am 21.11.2024.
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