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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die mittelländische Race.
phischen Bilder waren bereits Vertreter theils von Lautgruppen
oder Sylben, theils schon eines einzigen Lautes. Erläutert wurde
vielfach noch das geschriebene Wort durch ein beigegebenes Bild
oder Sinnbild, das sogenannte Determinativzeichen. Obgleich auch
die ältesten Urkunden bereits Lautschrift enthalten, so ist es doch
erlaubt, aus dem Auftreten jener Determinativzeichen zu schliessen
dass in einem Zeitraum, vor den ältesten Urkunden, die Aegypter
sich noch mit der reinen Bild- und Sinnbildschrift begnügten.

Aus der Zeit der XII. Dynastie, also vor dem Einfall der
Hyksos besitzen wir eine nach Prisse benannte Papyrusrolle mit
abgekürzter, cursiv gewordener Hieroglyphenschrift, die im 14. Jahr-
hundert v. Chr., also vor dem Auszuge der Juden ihre höchste
Vollendung erreichte. Aus ihr entstand im 8. Jahrhundert v. Chr.
das demotische, also eine Schrift mit Buchstabenlauten, zuvor
aber hatten sich die Semiten etliche davon angeeignet, wenigstens
sind 13 wenn nicht 15 phönicische Buchstaben aus dem hieratischen
abzuleiten1).

Nun brauchen wir nur die Frage zu stellen, ob zu dieser
frühzeitigen Blüthe der Gesittung auch die Landesnatur hilfreich
beigetragen habe, so richtet sich der Blick sogleich auf den Nil,
und denkt ein Jeder an dessen rhythmische Spiegelschwankungen.
Nach den Beobachtungen von 1848--61 beim Nildamm an der
Spitze des Delta2) befindet sich der Strom im Mai in seiner tief-
sten Schwäche. Die Sonne hat aber bereits seit Februar unter
3° n. Breite die Regen erweckt, welche die Betten der Gewässer
des weissen Stromes füllen, die stärksten Wasserfluthen ergiessen
sich jedoch erst vom April bis August. Im Unterlande beginnt der
Nil in der zweiten Hälfte des Juni bis zur zweiten Hälfte des Juli
erst sanft, von da ab äusserst hastig anzuschwellen. Mittlerweile
haben sich nämlich die tropischen Regen auf Habesch herab-
gesenkt und sind der blaue Nil und etwas später der Atbara
herbeigestürmt. Mitte August erreicht der Nil seinen Hochwasser-
stand und bewahrt ihn bis Ende der dritten Octoberwoche, nach-
dem im Anfang des ebengenannten Monats im Hochwasser selbst
wieder ein Maximum eingetreten und wieder verschwunden ist. Ende

1) Ebers. Aegypten und die Bücher Mose's. Bd. 1. S. 147--148.
2) Heinrich Barth in der Zeitschrift für Erdkunde. Neue Folge. Bd.
XIV. Berlin 1863. S. 114 ff. u. Tafel II.

Die mittelländische Race.
phischen Bilder waren bereits Vertreter theils von Lautgruppen
oder Sylben, theils schon eines einzigen Lautes. Erläutert wurde
vielfach noch das geschriebene Wort durch ein beigegebenes Bild
oder Sinnbild, das sogenannte Determinativzeichen. Obgleich auch
die ältesten Urkunden bereits Lautschrift enthalten, so ist es doch
erlaubt, aus dem Auftreten jener Determinativzeichen zu schliessen
dass in einem Zeitraum, vor den ältesten Urkunden, die Aegypter
sich noch mit der reinen Bild- und Sinnbildschrift begnügten.

Aus der Zeit der XII. Dynastie, also vor dem Einfall der
Hyksos besitzen wir eine nach Prisse benannte Papyrusrolle mit
abgekürzter, cursiv gewordener Hieroglyphenschrift, die im 14. Jahr-
hundert v. Chr., also vor dem Auszuge der Juden ihre höchste
Vollendung erreichte. Aus ihr entstand im 8. Jahrhundert v. Chr.
das demotische, also eine Schrift mit Buchstabenlauten, zuvor
aber hatten sich die Semiten etliche davon angeeignet, wenigstens
sind 13 wenn nicht 15 phönicische Buchstaben aus dem hieratischen
abzuleiten1).

Nun brauchen wir nur die Frage zu stellen, ob zu dieser
frühzeitigen Blüthe der Gesittung auch die Landesnatur hilfreich
beigetragen habe, so richtet sich der Blick sogleich auf den Nil,
und denkt ein Jeder an dessen rhythmische Spiegelschwankungen.
Nach den Beobachtungen von 1848—61 beim Nildamm an der
Spitze des Delta2) befindet sich der Strom im Mai in seiner tief-
sten Schwäche. Die Sonne hat aber bereits seit Februar unter
3° n. Breite die Regen erweckt, welche die Betten der Gewässer
des weissen Stromes füllen, die stärksten Wasserfluthen ergiessen
sich jedoch erst vom April bis August. Im Unterlande beginnt der
Nil in der zweiten Hälfte des Juni bis zur zweiten Hälfte des Juli
erst sanft, von da ab äusserst hastig anzuschwellen. Mittlerweile
haben sich nämlich die tropischen Regen auf Habesch herab-
gesenkt und sind der blaue Nil und etwas später der Atbara
herbeigestürmt. Mitte August erreicht der Nil seinen Hochwasser-
stand und bewahrt ihn bis Ende der dritten Octoberwoche, nach-
dem im Anfang des ebengenannten Monats im Hochwasser selbst
wieder ein Maximum eingetreten und wieder verschwunden ist. Ende

1) Ebers. Aegypten und die Bücher Mose’s. Bd. 1. S. 147—148.
2) Heinrich Barth in der Zeitschrift für Erdkunde. Neue Folge. Bd.
XIV. Berlin 1863. S. 114 ff. u. Tafel II.
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[527/0545] Die mittelländische Race. phischen Bilder waren bereits Vertreter theils von Lautgruppen oder Sylben, theils schon eines einzigen Lautes. Erläutert wurde vielfach noch das geschriebene Wort durch ein beigegebenes Bild oder Sinnbild, das sogenannte Determinativzeichen. Obgleich auch die ältesten Urkunden bereits Lautschrift enthalten, so ist es doch erlaubt, aus dem Auftreten jener Determinativzeichen zu schliessen dass in einem Zeitraum, vor den ältesten Urkunden, die Aegypter sich noch mit der reinen Bild- und Sinnbildschrift begnügten. Aus der Zeit der XII. Dynastie, also vor dem Einfall der Hyksos besitzen wir eine nach Prisse benannte Papyrusrolle mit abgekürzter, cursiv gewordener Hieroglyphenschrift, die im 14. Jahr- hundert v. Chr., also vor dem Auszuge der Juden ihre höchste Vollendung erreichte. Aus ihr entstand im 8. Jahrhundert v. Chr. das demotische, also eine Schrift mit Buchstabenlauten, zuvor aber hatten sich die Semiten etliche davon angeeignet, wenigstens sind 13 wenn nicht 15 phönicische Buchstaben aus dem hieratischen abzuleiten 1). Nun brauchen wir nur die Frage zu stellen, ob zu dieser frühzeitigen Blüthe der Gesittung auch die Landesnatur hilfreich beigetragen habe, so richtet sich der Blick sogleich auf den Nil, und denkt ein Jeder an dessen rhythmische Spiegelschwankungen. Nach den Beobachtungen von 1848—61 beim Nildamm an der Spitze des Delta 2) befindet sich der Strom im Mai in seiner tief- sten Schwäche. Die Sonne hat aber bereits seit Februar unter 3° n. Breite die Regen erweckt, welche die Betten der Gewässer des weissen Stromes füllen, die stärksten Wasserfluthen ergiessen sich jedoch erst vom April bis August. Im Unterlande beginnt der Nil in der zweiten Hälfte des Juni bis zur zweiten Hälfte des Juli erst sanft, von da ab äusserst hastig anzuschwellen. Mittlerweile haben sich nämlich die tropischen Regen auf Habesch herab- gesenkt und sind der blaue Nil und etwas später der Atbara herbeigestürmt. Mitte August erreicht der Nil seinen Hochwasser- stand und bewahrt ihn bis Ende der dritten Octoberwoche, nach- dem im Anfang des ebengenannten Monats im Hochwasser selbst wieder ein Maximum eingetreten und wieder verschwunden ist. Ende 1) Ebers. Aegypten und die Bücher Mose’s. Bd. 1. S. 147—148. 2) Heinrich Barth in der Zeitschrift für Erdkunde. Neue Folge. Bd. XIV. Berlin 1863. S. 114 ff. u. Tafel II.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/545>, abgerufen am 07.05.2024.