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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Hottentotten und Buschmänner.
aber bei der Wortgestaltung verfahren, darüber fehlt uns noch jede
Belehrung 1).

Die Sprache der Koi-koin ist dagegen eine grosse Merk-
würdigkeit der Völkerkunde. Der Missionär Moffat war der erste,
welcher entdeckte, dass sie Aehnlichkeit mit der altägyptischen
zeige. Dies war auch die Ansicht von Lepsius 2), der wieder
Pruner Bey huldigte 3). Selbst Max Müller hat diese Behauptung
verfochten 4) und sogar Whitney sie wiederholt 5). Bleek endlich
gibt zwar zu, dass die Hottentottensprache in den Lautzeichen für
die Geschlechter mit dem Altägyptischen und Koptischen inniger
übereinstimme, als mit anderen Sprachen, dass sich aber auch
wieder Anklänge an semitische Formen finden 6). Gegen die Ver-
wandtschaft haben sich v. d. Gabelentz, Pott, Friedr. Müller und
Theophilus Hahn ausgesprochen und wir wären nicht zu dieser
erledigten Streitfrage zurückgekehrt, wenn sich nicht deutlich aus
ihr ergeben würde, dass die Mundarten der Koi-koin eine sehr
hohe Entwicklung haben müssen und zwar eine so hohe, dass ein
Sprachforscher wie Martin Haug ihre höheren und feineren Be-
standtheile "nur durch Berührung mit einem civilisirten Volke"
sich erworben denken kann. Ob dieses Volk das altägyptische
gewesen sei, müsse vorläufig unbeantwortet bleiben 7). Für eine
solche Berührung spricht jedoch bis jetzt keine einzige Thatsache.
Ehe daher nicht strenge Beweise für solche Vermuthungen beige-
bracht werden, müssen wir vielmehr darauf bestehen, dass Sprachen
auch durch solche Völker verfeinert werden können, welche ohne

1) Eine Sittenschilderung der Buschmänner wurde schon auf S. 148 fl.
gegeben.
2) S. G. Morton, Types of mankind. Philadelphia 1854. p. 233.
3) L'origine de l'ancienne race egyptienne. Memoire lue a la Soc. d'An-
throp. 1. aoaut 1871. p. 430. (Nach einem Separatabdruck wahrscheinlich aus
dem Bulletin der Pariser anthropol. Gesellschaft.)
4) Science of Language. London 1864. tom. II. p. 11.
5) Language and the science of language. London 1867. p. 341.
6) Reineke Fuchs in Afrika. Weimar 1870. p. XXVIII. Bleek hielt
bis zu seinem Tode an der gemeinsamen Abkunft der Hottentotten- und der semito-
hamitischen Sprachen fest. Journ. Anthrop. Inst. tom. I., p. LXXIX.
7) Anthropologisches Correspondenzblatt 1872. S. 31.

Hottentotten und Buschmänner.
aber bei der Wortgestaltung verfahren, darüber fehlt uns noch jede
Belehrung 1).

Die Sprache der Koi-koin ist dagegen eine grosse Merk-
würdigkeit der Völkerkunde. Der Missionär Moffat war der erste,
welcher entdeckte, dass sie Aehnlichkeit mit der altägyptischen
zeige. Dies war auch die Ansicht von Lepsius 2), der wieder
Pruner Bey huldigte 3). Selbst Max Müller hat diese Behauptung
verfochten 4) und sogar Whitney sie wiederholt 5). Bleek endlich
gibt zwar zu, dass die Hottentottensprache in den Lautzeichen für
die Geschlechter mit dem Altägyptischen und Koptischen inniger
übereinstimme, als mit anderen Sprachen, dass sich aber auch
wieder Anklänge an semitische Formen finden 6). Gegen die Ver-
wandtschaft haben sich v. d. Gabelentz, Pott, Friedr. Müller und
Theophilus Hahn ausgesprochen und wir wären nicht zu dieser
erledigten Streitfrage zurückgekehrt, wenn sich nicht deutlich aus
ihr ergeben würde, dass die Mundarten der Koi-koin eine sehr
hohe Entwicklung haben müssen und zwar eine so hohe, dass ein
Sprachforscher wie Martin Haug ihre höheren und feineren Be-
standtheile „nur durch Berührung mit einem civilisirten Volke“
sich erworben denken kann. Ob dieses Volk das altägyptische
gewesen sei, müsse vorläufig unbeantwortet bleiben 7). Für eine
solche Berührung spricht jedoch bis jetzt keine einzige Thatsache.
Ehe daher nicht strenge Beweise für solche Vermuthungen beige-
bracht werden, müssen wir vielmehr darauf bestehen, dass Sprachen
auch durch solche Völker verfeinert werden können, welche ohne

1) Eine Sittenschilderung der Buschmänner wurde schon auf S. 148 fl.
gegeben.
2) S. G. Morton, Types of mankind. Philadelphia 1854. p. 233.
3) L’origine de l’ancienne race égyptienne. Mémoire lue à la Soc. d’An-
throp. 1. août 1871. p. 430. (Nach einem Separatabdruck wahrscheinlich aus
dem Bulletin der Pariser anthropol. Gesellschaft.)
4) Science of Language. London 1864. tom. II. p. 11.
5) Language and the science of language. London 1867. p. 341.
6) Reineke Fuchs in Afrika. Weimar 1870. p. XXVIII. Bleek hielt
bis zu seinem Tode an der gemeinsamen Abkunft der Hottentotten- und der semito-
hamitischen Sprachen fest. Journ. Anthrop. Inst. tom. I., p. LXXIX.
7) Anthropologisches Correspondenzblatt 1872. S. 31.
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[491/0509] Hottentotten und Buschmänner. aber bei der Wortgestaltung verfahren, darüber fehlt uns noch jede Belehrung 1). Die Sprache der Koi-koin ist dagegen eine grosse Merk- würdigkeit der Völkerkunde. Der Missionär Moffat war der erste, welcher entdeckte, dass sie Aehnlichkeit mit der altägyptischen zeige. Dies war auch die Ansicht von Lepsius 2), der wieder Pruner Bey huldigte 3). Selbst Max Müller hat diese Behauptung verfochten 4) und sogar Whitney sie wiederholt 5). Bleek endlich gibt zwar zu, dass die Hottentottensprache in den Lautzeichen für die Geschlechter mit dem Altägyptischen und Koptischen inniger übereinstimme, als mit anderen Sprachen, dass sich aber auch wieder Anklänge an semitische Formen finden 6). Gegen die Ver- wandtschaft haben sich v. d. Gabelentz, Pott, Friedr. Müller und Theophilus Hahn ausgesprochen und wir wären nicht zu dieser erledigten Streitfrage zurückgekehrt, wenn sich nicht deutlich aus ihr ergeben würde, dass die Mundarten der Koi-koin eine sehr hohe Entwicklung haben müssen und zwar eine so hohe, dass ein Sprachforscher wie Martin Haug ihre höheren und feineren Be- standtheile „nur durch Berührung mit einem civilisirten Volke“ sich erworben denken kann. Ob dieses Volk das altägyptische gewesen sei, müsse vorläufig unbeantwortet bleiben 7). Für eine solche Berührung spricht jedoch bis jetzt keine einzige Thatsache. Ehe daher nicht strenge Beweise für solche Vermuthungen beige- bracht werden, müssen wir vielmehr darauf bestehen, dass Sprachen auch durch solche Völker verfeinert werden können, welche ohne 1) Eine Sittenschilderung der Buschmänner wurde schon auf S. 148 fl. gegeben. 2) S. G. Morton, Types of mankind. Philadelphia 1854. p. 233. 3) L’origine de l’ancienne race égyptienne. Mémoire lue à la Soc. d’An- throp. 1. août 1871. p. 430. (Nach einem Separatabdruck wahrscheinlich aus dem Bulletin der Pariser anthropol. Gesellschaft.) 4) Science of Language. London 1864. tom. II. p. 11. 5) Language and the science of language. London 1867. p. 341. 6) Reineke Fuchs in Afrika. Weimar 1870. p. XXVIII. Bleek hielt bis zu seinem Tode an der gemeinsamen Abkunft der Hottentotten- und der semito- hamitischen Sprachen fest. Journ. Anthrop. Inst. tom. I., p. LXXIX. 7) Anthropologisches Correspondenzblatt 1872. S. 31.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/509>, abgerufen am 23.12.2024.