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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Hottentotten und Buschmänner.
Du Chaillu im äquatorialen Westafrika 1) als scheue Waldbewohner
antraf, ferner die zwergenhaften Acka oder Ticki-Ticki, deren
Sitze in den Süden des Uelle, also nicht mehr in das Nilgebiet
von Dr. Schweinfurth verlegt werden 2) und endlich die kleinen
Doko im Süden von Kaffa, über welche Krapf freilich aus einem
nicht allzu glaubwürdigen Munde Erkundigungen einzog 3), die zu-
sammengeschmolzenen letzten Reste einer chemals weitverbreiteten
Urbevölkerung seien, die den Buschmännern sehr nahe stehe 4).

Die letzteren unterscheiden sich auch darin von den Hotten-
totten, dass die Geschlechtsmerkmale zweiter Ordnung bei ihnen
mit einziger Ausnahme der Steatopygie völlig fehlen. Die Männer
überragen nicht durch ihre Grösse die Frauen und die beider-
seitigen Becken sind zum Verwechseln ähnlich, ja selbst die
übrigens schwache Entwicklung der Brustdrüsen gleicht sich bei
beiden Geschlechtern der Buschmänner in auffallender Weise 5).

Buschmänner und Koi-koin bilden eine gemeinsame Race, sie
sind, wie Theophilus Hahn bemerkt, Geschwister einer Mutter.
Sprachlich allerdings haben sie nur die Schnalzlaute gemein, die
durch ein Anlegen der Zunge an die Zähne oder an verschiedene
Stellen des Gaumens und durch ein rasches Zurückschnellen her-
vorgebracht werden. Einen dieser Schnalzlaute gebrauchen Euro-
päer, um ihren Verdruss auszudrücken, einen anderen hören wir
bei Fuhrleuten, die ihre Rosse ermuntern. Ausser den Schnalz-
lauten besteht zwischen den Sprachen der San und Koi-koin 6) keine
Aehnlichkeit, abgesehen von wenigen Worten, die beiderseitig aus-
getauscht worden sind 7). Die Mundarten der Buschmänner weichen
wie bei allen Jägervölkern stark auseinander, doch bleibt eine ge-
wisse Verwandtschaft noch immer kenntlich 8); auf welche Art sie

1) Ashango-Land, p. 316--320.
2) Petermann's Mittheilung. 1871. pag. 138.
3) J. L. Krapf, Reisen in Ostafrika. Kornthal 1858. Bd. 1. S. 76--79.
4) Behm über das Buschmännergebiet in Petermann's Mittheilungen.
1858. S. 218; über die Zwergvölker in Afrika ebendaselbst. 1871. S. 139 ff.
5) Fritsch, Eingeborne Südafrika's. S. 407. S. 415.
6) Theophilus Hahn, im Globus 1870. 2. Sem. S. 84.
7) Fritsch, drei Jahre in Südafrika. S. 253--254.
8) Theophilus Hahn, VI. u. VII. Jahresbericht des Dresdener Vereins
für Erdkunde. S. 71.

Hottentotten und Buschmänner.
Du Chaillu im äquatorialen Westafrika 1) als scheue Waldbewohner
antraf, ferner die zwergenhaften Acka oder Ticki-Ticki, deren
Sitze in den Süden des Uëlle, also nicht mehr in das Nilgebiet
von Dr. Schweinfurth verlegt werden 2) und endlich die kleinen
Doko im Süden von Kaffa, über welche Krapf freilich aus einem
nicht allzu glaubwürdigen Munde Erkundigungen einzog 3), die zu-
sammengeschmolzenen letzten Reste einer chemals weitverbreiteten
Urbevölkerung seien, die den Buschmännern sehr nahe stehe 4).

Die letzteren unterscheiden sich auch darin von den Hotten-
totten, dass die Geschlechtsmerkmale zweiter Ordnung bei ihnen
mit einziger Ausnahme der Steatopygie völlig fehlen. Die Männer
überragen nicht durch ihre Grösse die Frauen und die beider-
seitigen Becken sind zum Verwechseln ähnlich, ja selbst die
übrigens schwache Entwicklung der Brustdrüsen gleicht sich bei
beiden Geschlechtern der Buschmänner in auffallender Weise 5).

Buschmänner und Koi-koin bilden eine gemeinsame Race, sie
sind, wie Theophilus Hahn bemerkt, Geschwister einer Mutter.
Sprachlich allerdings haben sie nur die Schnalzlaute gemein, die
durch ein Anlegen der Zunge an die Zähne oder an verschiedene
Stellen des Gaumens und durch ein rasches Zurückschnellen her-
vorgebracht werden. Einen dieser Schnalzlaute gebrauchen Euro-
päer, um ihren Verdruss auszudrücken, einen anderen hören wir
bei Fuhrleuten, die ihre Rosse ermuntern. Ausser den Schnalz-
lauten besteht zwischen den Sprachen der Sān und Koi-koin 6) keine
Aehnlichkeit, abgesehen von wenigen Worten, die beiderseitig aus-
getauscht worden sind 7). Die Mundarten der Buschmänner weichen
wie bei allen Jägervölkern stark auseinander, doch bleibt eine ge-
wisse Verwandtschaft noch immer kenntlich 8); auf welche Art sie

1) Ashango-Land, p. 316—320.
2) Petermann’s Mittheilung. 1871. pag. 138.
3) J. L. Krapf, Reisen in Ostafrika. Kornthal 1858. Bd. 1. S. 76—79.
4) Behm über das Buschmännergebiet in Petermann’s Mittheilungen.
1858. S. 218; über die Zwergvölker in Afrika ebendaselbst. 1871. S. 139 ff.
5) Fritsch, Eingeborne Südafrika’s. S. 407. S. 415.
6) Theophilus Hahn, im Globus 1870. 2. Sem. S. 84.
7) Fritsch, drei Jahre in Südafrika. S. 253—254.
8) Theophilus Hahn, VI. u. VII. Jahresbericht des Dresdener Vereins
für Erdkunde. S. 71.
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[490/0508] Hottentotten und Buschmänner. Du Chaillu im äquatorialen Westafrika 1) als scheue Waldbewohner antraf, ferner die zwergenhaften Acka oder Ticki-Ticki, deren Sitze in den Süden des Uëlle, also nicht mehr in das Nilgebiet von Dr. Schweinfurth verlegt werden 2) und endlich die kleinen Doko im Süden von Kaffa, über welche Krapf freilich aus einem nicht allzu glaubwürdigen Munde Erkundigungen einzog 3), die zu- sammengeschmolzenen letzten Reste einer chemals weitverbreiteten Urbevölkerung seien, die den Buschmännern sehr nahe stehe 4). Die letzteren unterscheiden sich auch darin von den Hotten- totten, dass die Geschlechtsmerkmale zweiter Ordnung bei ihnen mit einziger Ausnahme der Steatopygie völlig fehlen. Die Männer überragen nicht durch ihre Grösse die Frauen und die beider- seitigen Becken sind zum Verwechseln ähnlich, ja selbst die übrigens schwache Entwicklung der Brustdrüsen gleicht sich bei beiden Geschlechtern der Buschmänner in auffallender Weise 5). Buschmänner und Koi-koin bilden eine gemeinsame Race, sie sind, wie Theophilus Hahn bemerkt, Geschwister einer Mutter. Sprachlich allerdings haben sie nur die Schnalzlaute gemein, die durch ein Anlegen der Zunge an die Zähne oder an verschiedene Stellen des Gaumens und durch ein rasches Zurückschnellen her- vorgebracht werden. Einen dieser Schnalzlaute gebrauchen Euro- päer, um ihren Verdruss auszudrücken, einen anderen hören wir bei Fuhrleuten, die ihre Rosse ermuntern. Ausser den Schnalz- lauten besteht zwischen den Sprachen der Sān und Koi-koin 6) keine Aehnlichkeit, abgesehen von wenigen Worten, die beiderseitig aus- getauscht worden sind 7). Die Mundarten der Buschmänner weichen wie bei allen Jägervölkern stark auseinander, doch bleibt eine ge- wisse Verwandtschaft noch immer kenntlich 8); auf welche Art sie 1) Ashango-Land, p. 316—320. 2) Petermann’s Mittheilung. 1871. pag. 138. 3) J. L. Krapf, Reisen in Ostafrika. Kornthal 1858. Bd. 1. S. 76—79. 4) Behm über das Buschmännergebiet in Petermann’s Mittheilungen. 1858. S. 218; über die Zwergvölker in Afrika ebendaselbst. 1871. S. 139 ff. 5) Fritsch, Eingeborne Südafrika’s. S. 407. S. 415. 6) Theophilus Hahn, im Globus 1870. 2. Sem. S. 84. 7) Fritsch, drei Jahre in Südafrika. S. 253—254. 8) Theophilus Hahn, VI. u. VII. Jahresbericht des Dresdener Vereins für Erdkunde. S. 71.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/508>, abgerufen am 22.12.2024.