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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
atlantischen Seite her brasilianische Jägerstämme nach dem Hoch-
lande von Peru gekommen sind, sondern umgekehrt vom paci-
fischen Küstensaume aus der Puno erstiegen wurde, dürfen wir
deswegen voraussetzen, weil wir in den Händen der Andes-
bewohner bis hinab zum Feuerlande eine ungewöhnliche Waffe
finden, die kein waldbewohnender Jägerstamm jemals erfunden
hat, die wir dagegen vorzugsweise bei Hirten antreffen, nämlich
die Schleuder und ihre Spielarten, den Lasso und die Bolas,
oder die Wurfleine 1).

Sollen wir nun entscheiden, welchem von den vier selbst-
ständigen Culturkreisen, dem toltekisch-mexicanischen, dem yuca-
tekischen, dem inca-peruanischen oder dem der Chibcha Cundina-
marca's, der höhere Rang gebühre, so müssen wir zunächst
anführen, dass allen der Maisbau gemeinsam war, in Mexico
kam dazu noch die Cultur der Maguey und des Cacao, in Peru
und Bogota wieder die der Kartoffel, der Kinoahirse und des
Cocastrauches. Künstliche Bewässerungen finden wir überall, die
Guanodüngung dagegen nur in Peru. Die Mexicaner haben den
Truthahn gezüchtet, die Peruaner das Llama zum Lastthier ab-
gerichtet. Brücken und Kunststrassen wurden von allen oben-
genannten Völkern erbaut, doch gebührt den mit Steinplatten
bedeckten sowie von Baumalleen beschatteten 2) Heerstrassen der
Peruaner weitaus der höhere Preis 3). Ein Postdienst war in
Mexico wie im Incareiche eingerichtet worden 4). Steinbauten
fehlen in keinem der vier Culturkreise, aber Bogen wölbten nur
die Peruaner 5). Die Chibcha lebten noch im Zeitalter der un-
durchbohrten Steingeräthe. Dies darf man sogar noch von den
Yucateken und Mexicanern behaupten, denn wenn sie auch
Kupfer und Bronze kannten, so war doch der Gebrauch me-

1) S. oben S. 198.
2) Francisco de Xerez, Conquista del Peru, bei Barcia, Historiadores.
tom. III. fol. 191.
3) vgl. die Schilderung der Kaiserstrasse von Cuzco nach Quito bei
Carate, Historia del Peru, libro I. cap. 10.
4) Die Tschaski oder Schnellläufer brachten in die kaiserliche Küche
zu Cuzco Seefische innerhalb 48 Stunden, eine Entfernung von etwa 70 d.
Meilen. Acosta, Hist. natural y moral. libro VI. cap. 17.
5) Rivero y Tschudi, Antiguedades peruanas. Viena 1851. p. 241.

Die amerikanische Urbevölkerung.
atlantischen Seite her brasilianische Jägerstämme nach dem Hoch-
lande von Peru gekommen sind, sondern umgekehrt vom paci-
fischen Küstensaume aus der Puno erstiegen wurde, dürfen wir
deswegen voraussetzen, weil wir in den Händen der Andes-
bewohner bis hinab zum Feuerlande eine ungewöhnliche Waffe
finden, die kein waldbewohnender Jägerstamm jemals erfunden
hat, die wir dagegen vorzugsweise bei Hirten antreffen, nämlich
die Schleuder und ihre Spielarten, den Lasso und die Bolas,
oder die Wurfleine 1).

Sollen wir nun entscheiden, welchem von den vier selbst-
ständigen Culturkreisen, dem toltekisch-mexicanischen, dem yuca-
tekischen, dem inca-peruanischen oder dem der Chibcha Cundina-
marca’s, der höhere Rang gebühre, so müssen wir zunächst
anführen, dass allen der Maisbau gemeinsam war, in Mexico
kam dazu noch die Cultur der Maguey und des Cacao, in Peru
und Bogotá wieder die der Kartoffel, der Kinoahirse und des
Cocastrauches. Künstliche Bewässerungen finden wir überall, die
Guanodüngung dagegen nur in Peru. Die Mexicaner haben den
Truthahn gezüchtet, die Peruaner das Llama zum Lastthier ab-
gerichtet. Brücken und Kunststrassen wurden von allen oben-
genannten Völkern erbaut, doch gebührt den mit Steinplatten
bedeckten sowie von Baumalleen beschatteten 2) Heerstrassen der
Peruaner weitaus der höhere Preis 3). Ein Postdienst war in
Mexico wie im Incareiche eingerichtet worden 4). Steinbauten
fehlen in keinem der vier Culturkreise, aber Bogen wölbten nur
die Peruaner 5). Die Chibcha lebten noch im Zeitalter der un-
durchbohrten Steingeräthe. Dies darf man sogar noch von den
Yucateken und Mexicanern behaupten, denn wenn sie auch
Kupfer und Bronze kannten, so war doch der Gebrauch me-

1) S. oben S. 198.
2) Francisco de Xerez, Conquista del Peru, bei Barcia, Historiadores.
tom. III. fol. 191.
3) vgl. die Schilderung der Kaiserstrasse von Cuzco nach Quito bei
Çarate, Historia del Peru, libro I. cap. 10.
4) Die Tschaski oder Schnellläufer brachten in die kaiserliche Küche
zu Cuzco Seefische innerhalb 48 Stunden, eine Entfernung von etwa 70 d.
Meilen. Acosta, Hist. natural y moral. libro VI. cap. 17.
5) Rivero y Tschudi, Antiguëdades peruanas. Viena 1851. p. 241.
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[477/0495] Die amerikanische Urbevölkerung. atlantischen Seite her brasilianische Jägerstämme nach dem Hoch- lande von Peru gekommen sind, sondern umgekehrt vom paci- fischen Küstensaume aus der Puno erstiegen wurde, dürfen wir deswegen voraussetzen, weil wir in den Händen der Andes- bewohner bis hinab zum Feuerlande eine ungewöhnliche Waffe finden, die kein waldbewohnender Jägerstamm jemals erfunden hat, die wir dagegen vorzugsweise bei Hirten antreffen, nämlich die Schleuder und ihre Spielarten, den Lasso und die Bolas, oder die Wurfleine 1). Sollen wir nun entscheiden, welchem von den vier selbst- ständigen Culturkreisen, dem toltekisch-mexicanischen, dem yuca- tekischen, dem inca-peruanischen oder dem der Chibcha Cundina- marca’s, der höhere Rang gebühre, so müssen wir zunächst anführen, dass allen der Maisbau gemeinsam war, in Mexico kam dazu noch die Cultur der Maguey und des Cacao, in Peru und Bogotá wieder die der Kartoffel, der Kinoahirse und des Cocastrauches. Künstliche Bewässerungen finden wir überall, die Guanodüngung dagegen nur in Peru. Die Mexicaner haben den Truthahn gezüchtet, die Peruaner das Llama zum Lastthier ab- gerichtet. Brücken und Kunststrassen wurden von allen oben- genannten Völkern erbaut, doch gebührt den mit Steinplatten bedeckten sowie von Baumalleen beschatteten 2) Heerstrassen der Peruaner weitaus der höhere Preis 3). Ein Postdienst war in Mexico wie im Incareiche eingerichtet worden 4). Steinbauten fehlen in keinem der vier Culturkreise, aber Bogen wölbten nur die Peruaner 5). Die Chibcha lebten noch im Zeitalter der un- durchbohrten Steingeräthe. Dies darf man sogar noch von den Yucateken und Mexicanern behaupten, denn wenn sie auch Kupfer und Bronze kannten, so war doch der Gebrauch me- 1) S. oben S. 198. 2) Francisco de Xerez, Conquista del Peru, bei Barcia, Historiadores. tom. III. fol. 191. 3) vgl. die Schilderung der Kaiserstrasse von Cuzco nach Quito bei Çarate, Historia del Peru, libro I. cap. 10. 4) Die Tschaski oder Schnellläufer brachten in die kaiserliche Küche zu Cuzco Seefische innerhalb 48 Stunden, eine Entfernung von etwa 70 d. Meilen. Acosta, Hist. natural y moral. libro VI. cap. 17. 5) Rivero y Tschudi, Antiguëdades peruanas. Viena 1851. p. 241.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/495>, abgerufen am 04.05.2024.