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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
erklärt wörtlich, "er habe Chinesen gesehen, die er auf den ersten
Anblick für Botocuden gehalten habe" und seitdem theile er die
Ueberzeugung "dass die amerikanische Race von der mongolischen
nicht getrennt werden dürfe". Sein Vorgänger St. Hilaire 1) fand
bei den Malali Brasiliens schmale schiefgestellte Augen und stumpfe
Nasen. Von den Coroados bemerkt wiederum Reinhold Hensel 2),
dass ihre Gesichtszüge, namentlich durch die vortretenden Joch-
beine einen mongolischen Typus erhalten, eine schiefe Stellung
der Augen sei jedoch nicht zu bemerken. Wohl sollen aber die
schiefen Augenschlitze, die zu den guten wenn auch nicht strengen
Merkmalen der mongolenähnlichen Völker gehören allen Guarani-
stämmen in Brasilien eigen sein 3). Selbst im äussersten Süden
unter den Huillitschen Patagoniens fand King noch sehr viele mit
schief gestellten Augen 4).

Vergebens wird man auch bei solchen Schriftstellern welche
die Amerikaner als besondere Race hinstellen nach Unterscheidungs-
merkmalen suchen, die sie von den asiatischen Mongolen trennen
würden und allen gemeinsam wären. Das straffe, lange, im Quer-
schnitt walzenförmige Haar fehlt keinem einzigen Stamm. Der
Bartwuchs ist stets spärlich, mangelt auch wohl gänzlich, wie das
Leibhaar 5). Die Hautfarbe schwankt beträchtlich, wie wir dies
bei einer Ausbreitung über 110 Breitegrade nicht anders erwarten
dürfen, nämlich von leichter südeuropäischer Bräunung bei den
Botocuden bis zur tiefsten Dunkelung bei den Aymara 6), oder
bis zu kupferroth bei dem sonorischen Völkerstamm 7). Doch ist
es Niemanden bisher eingefallen wegen solcher Farbenstufen Racen-
grenzen zu ziehen, zumal jeder nur denkbare Uebergang vertreten

1) Voyage au Bresil. tom. I. p. 424.
2) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1869. Bd. 3. S. 128.
3) d' Orbigny, l' Homme americain. p. 62.
4) Latham, Varieties. p. 415.
5) Dies bemerkte schon der Jesuit Charlevoix (Nouvelle France, tom.
III, p. 311) und Catlin (Indianer Nordamerikas. S. 323), sowie neuerdings
Musters (Unter den Patagoniern. S. 172). Wenn unter den Comantschen bärtige
Männer hin und wider vorkommen (Waitz, Anthropologie, Bd. 4. S. 213)
so wird derjenige gewiss nicht überrascht werden, welcher weiss, wie viele
Spanierinnen diese Raubhorden in die Sklaverei geschleppt haben.
6) S. oben S. 94.
7) Waitz, Anthropologie. Bd. 4. S. 200.

Die amerikanische Urbevölkerung.
erklärt wörtlich, „er habe Chinesen gesehen, die er auf den ersten
Anblick für Botocuden gehalten habe“ und seitdem theile er die
Ueberzeugung „dass die amerikanische Race von der mongolischen
nicht getrennt werden dürfe“. Sein Vorgänger St. Hilaire 1) fand
bei den Malali Brasiliens schmale schiefgestellte Augen und stumpfe
Nasen. Von den Coroados bemerkt wiederum Reinhold Hensel 2),
dass ihre Gesichtszüge, namentlich durch die vortretenden Joch-
beine einen mongolischen Typus erhalten, eine schiefe Stellung
der Augen sei jedoch nicht zu bemerken. Wohl sollen aber die
schiefen Augenschlitze, die zu den guten wenn auch nicht strengen
Merkmalen der mongolenähnlichen Völker gehören allen Guarani-
stämmen in Brasilien eigen sein 3). Selbst im äussersten Süden
unter den Huillitschen Patagoniens fand King noch sehr viele mit
schief gestellten Augen 4).

Vergebens wird man auch bei solchen Schriftstellern welche
die Amerikaner als besondere Race hinstellen nach Unterscheidungs-
merkmalen suchen, die sie von den asiatischen Mongolen trennen
würden und allen gemeinsam wären. Das straffe, lange, im Quer-
schnitt walzenförmige Haar fehlt keinem einzigen Stamm. Der
Bartwuchs ist stets spärlich, mangelt auch wohl gänzlich, wie das
Leibhaar 5). Die Hautfarbe schwankt beträchtlich, wie wir dies
bei einer Ausbreitung über 110 Breitegrade nicht anders erwarten
dürfen, nämlich von leichter südeuropäischer Bräunung bei den
Botocuden bis zur tiefsten Dunkelung bei den Aymara 6), oder
bis zu kupferroth bei dem sonorischen Völkerstamm 7). Doch ist
es Niemanden bisher eingefallen wegen solcher Farbenstufen Racen-
grenzen zu ziehen, zumal jeder nur denkbare Uebergang vertreten

1) Voyage au Brésil. tom. I. p. 424.
2) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1869. Bd. 3. S. 128.
3) d’ Orbigny, l’ Homme américain. p. 62.
4) Latham, Varieties. p. 415.
5) Dies bemerkte schon der Jesuit Charlevoix (Nouvelle France, tom.
III, p. 311) und Catlin (Indianer Nordamerikas. S. 323), sowie neuerdings
Musters (Unter den Patagoniern. S. 172). Wenn unter den Comantschen bärtige
Männer hin und wider vorkommen (Waitz, Anthropologie, Bd. 4. S. 213)
so wird derjenige gewiss nicht überrascht werden, welcher weiss, wie viele
Spanierinnen diese Raubhorden in die Sklaverei geschleppt haben.
6) S. oben S. 94.
7) Waitz, Anthropologie. Bd. 4. S. 200.
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[431/0449] Die amerikanische Urbevölkerung. erklärt wörtlich, „er habe Chinesen gesehen, die er auf den ersten Anblick für Botocuden gehalten habe“ und seitdem theile er die Ueberzeugung „dass die amerikanische Race von der mongolischen nicht getrennt werden dürfe“. Sein Vorgänger St. Hilaire 1) fand bei den Malali Brasiliens schmale schiefgestellte Augen und stumpfe Nasen. Von den Coroados bemerkt wiederum Reinhold Hensel 2), dass ihre Gesichtszüge, namentlich durch die vortretenden Joch- beine einen mongolischen Typus erhalten, eine schiefe Stellung der Augen sei jedoch nicht zu bemerken. Wohl sollen aber die schiefen Augenschlitze, die zu den guten wenn auch nicht strengen Merkmalen der mongolenähnlichen Völker gehören allen Guarani- stämmen in Brasilien eigen sein 3). Selbst im äussersten Süden unter den Huillitschen Patagoniens fand King noch sehr viele mit schief gestellten Augen 4). Vergebens wird man auch bei solchen Schriftstellern welche die Amerikaner als besondere Race hinstellen nach Unterscheidungs- merkmalen suchen, die sie von den asiatischen Mongolen trennen würden und allen gemeinsam wären. Das straffe, lange, im Quer- schnitt walzenförmige Haar fehlt keinem einzigen Stamm. Der Bartwuchs ist stets spärlich, mangelt auch wohl gänzlich, wie das Leibhaar 5). Die Hautfarbe schwankt beträchtlich, wie wir dies bei einer Ausbreitung über 110 Breitegrade nicht anders erwarten dürfen, nämlich von leichter südeuropäischer Bräunung bei den Botocuden bis zur tiefsten Dunkelung bei den Aymara 6), oder bis zu kupferroth bei dem sonorischen Völkerstamm 7). Doch ist es Niemanden bisher eingefallen wegen solcher Farbenstufen Racen- grenzen zu ziehen, zumal jeder nur denkbare Uebergang vertreten 1) Voyage au Brésil. tom. I. p. 424. 2) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1869. Bd. 3. S. 128. 3) d’ Orbigny, l’ Homme américain. p. 62. 4) Latham, Varieties. p. 415. 5) Dies bemerkte schon der Jesuit Charlevoix (Nouvelle France, tom. III, p. 311) und Catlin (Indianer Nordamerikas. S. 323), sowie neuerdings Musters (Unter den Patagoniern. S. 172). Wenn unter den Comantschen bärtige Männer hin und wider vorkommen (Waitz, Anthropologie, Bd. 4. S. 213) so wird derjenige gewiss nicht überrascht werden, welcher weiss, wie viele Spanierinnen diese Raubhorden in die Sklaverei geschleppt haben. 6) S. oben S. 94. 7) Waitz, Anthropologie. Bd. 4. S. 200.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/449>, abgerufen am 28.04.2024.