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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
müssen wir seiner Kupfer- und vor allen seiner Zinnerze gedenken.
Die Lagerstätten des letzteren Metalls sind nämlich in weiten Ab-
ständen auf der Erde zerstreut, ohne Zinn aber lässt sich keine
Bronze darstellen, die der Bekanntschaft mit dem Eisen überall
vorausging und mit deren Anwendung stets ein neuer Culturab-
schnitt begonnen hat. Da aber im Lande selbst die erforder-
lichen Erze brachen, so erregt es keine kritischen Bedenken, wenn
die Chinesen die Bearbeitung der Metalle in die mythische Zeit
zurückversetzen.

Es lag ferner der anfängliche Kern der chinesischen Gesell-
schaft auf einem fruchtbaren Niederland welches gegen Norden
der Absturz der Gobi umrahmt. Dem Rande dieses Absturzes
entlang läuft bekanntlich die grosse Mauer. "Sie bezeichnet,
äussert A. v. Humboldt 1) in einer Bemerkung zu Bunge's Reisen,
im eigentlichsten Verstande eine natürliche Grenze, und eine
trefflichere Wahl des Ortes als politische Grenze war nicht zu
treffen. Alles war todt in der Steppe, und nur einen Schritt mehr,
so stand der Reisende an dem jähen Absturze Hochasiens, wo
ihm das üppigste Leben entgegenlächelte." So weit Pumpelly der
grossen Mauer gegen Westen folgen konnte, zeigte der Absturz
Vorsprünge und Golfe genau als ob die See einstmals ein steiles
Ufer ausgenagt habe. Die östlichen Provinzen China's sind daher
ein junges aufgeschwemmtes Tiefland und ihr Boden wird durch-
schnittlich als höchst fruchtbar angesehen.

Zu diesen Vorzügen der Bodenbeschaffenheit gesellte sich
aber noch eine seltene meteorologische Begünstigung, nämlich
während des Vorsommers der regelmässige Erguss reichlicher
Monsunregen, die dem warmen und trockenen Frühling folgen,
wodurch die Pflanzenwelt in der Wachsthumsperiode belebt und
gleichsam mit einer Gabe der Tropenzone ausgestattet wird 2).
Ihr verdankt es China, dass auch die Bambusen, deren Schilfe
für den Haushalt so mannichfaltige Dienste gewähren, in China
bis zu ungewöhnlichen Polhöhen sich zu erheben vermögen. Die
Canäle welche das Tiefland durchziehen, bezeugen ferner, dass
sich das Land ohne grosse Schwierigkeiten bewässern liess. An
Mehlfruchtarten wird es in China nie gefehlt haben, oder sie

1) Briefwechsel mit Berghaus. Bd. 2. S. 30.
2) Grisebach, die Vegetation der Erde. Bd. 1. S. 489. ff.

Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
müssen wir seiner Kupfer- und vor allen seiner Zinnerze gedenken.
Die Lagerstätten des letzteren Metalls sind nämlich in weiten Ab-
ständen auf der Erde zerstreut, ohne Zinn aber lässt sich keine
Bronze darstellen, die der Bekanntschaft mit dem Eisen überall
vorausging und mit deren Anwendung stets ein neuer Culturab-
schnitt begonnen hat. Da aber im Lande selbst die erforder-
lichen Erze brachen, so erregt es keine kritischen Bedenken, wenn
die Chinesen die Bearbeitung der Metalle in die mythische Zeit
zurückversetzen.

Es lag ferner der anfängliche Kern der chinesischen Gesell-
schaft auf einem fruchtbaren Niederland welches gegen Norden
der Absturz der Gobi umrahmt. Dem Rande dieses Absturzes
entlang läuft bekanntlich die grosse Mauer. „Sie bezeichnet,
äussert A. v. Humboldt 1) in einer Bemerkung zu Bunge’s Reisen,
im eigentlichsten Verstande eine natürliche Grenze, und eine
trefflichere Wahl des Ortes als politische Grenze war nicht zu
treffen. Alles war todt in der Steppe, und nur einen Schritt mehr,
so stand der Reisende an dem jähen Absturze Hochasiens, wo
ihm das üppigste Leben entgegenlächelte.“ So weit Pumpelly der
grossen Mauer gegen Westen folgen konnte, zeigte der Absturz
Vorsprünge und Golfe genau als ob die See einstmals ein steiles
Ufer ausgenagt habe. Die östlichen Provinzen China’s sind daher
ein junges aufgeschwemmtes Tiefland und ihr Boden wird durch-
schnittlich als höchst fruchtbar angesehen.

Zu diesen Vorzügen der Bodenbeschaffenheit gesellte sich
aber noch eine seltene meteorologische Begünstigung, nämlich
während des Vorsommers der regelmässige Erguss reichlicher
Monsunregen, die dem warmen und trockenen Frühling folgen,
wodurch die Pflanzenwelt in der Wachsthumsperiode belebt und
gleichsam mit einer Gabe der Tropenzone ausgestattet wird 2).
Ihr verdankt es China, dass auch die Bambusen, deren Schilfe
für den Haushalt so mannichfaltige Dienste gewähren, in China
bis zu ungewöhnlichen Polhöhen sich zu erheben vermögen. Die
Canäle welche das Tiefland durchziehen, bezeugen ferner, dass
sich das Land ohne grosse Schwierigkeiten bewässern liess. An
Mehlfruchtarten wird es in China nie gefehlt haben, oder sie

1) Briefwechsel mit Berghaus. Bd. 2. S. 30.
2) Grisebach, die Vegetation der Erde. Bd. 1. S. 489. ff.
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[396/0414] Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. müssen wir seiner Kupfer- und vor allen seiner Zinnerze gedenken. Die Lagerstätten des letzteren Metalls sind nämlich in weiten Ab- ständen auf der Erde zerstreut, ohne Zinn aber lässt sich keine Bronze darstellen, die der Bekanntschaft mit dem Eisen überall vorausging und mit deren Anwendung stets ein neuer Culturab- schnitt begonnen hat. Da aber im Lande selbst die erforder- lichen Erze brachen, so erregt es keine kritischen Bedenken, wenn die Chinesen die Bearbeitung der Metalle in die mythische Zeit zurückversetzen. Es lag ferner der anfängliche Kern der chinesischen Gesell- schaft auf einem fruchtbaren Niederland welches gegen Norden der Absturz der Gobi umrahmt. Dem Rande dieses Absturzes entlang läuft bekanntlich die grosse Mauer. „Sie bezeichnet, äussert A. v. Humboldt 1) in einer Bemerkung zu Bunge’s Reisen, im eigentlichsten Verstande eine natürliche Grenze, und eine trefflichere Wahl des Ortes als politische Grenze war nicht zu treffen. Alles war todt in der Steppe, und nur einen Schritt mehr, so stand der Reisende an dem jähen Absturze Hochasiens, wo ihm das üppigste Leben entgegenlächelte.“ So weit Pumpelly der grossen Mauer gegen Westen folgen konnte, zeigte der Absturz Vorsprünge und Golfe genau als ob die See einstmals ein steiles Ufer ausgenagt habe. Die östlichen Provinzen China’s sind daher ein junges aufgeschwemmtes Tiefland und ihr Boden wird durch- schnittlich als höchst fruchtbar angesehen. Zu diesen Vorzügen der Bodenbeschaffenheit gesellte sich aber noch eine seltene meteorologische Begünstigung, nämlich während des Vorsommers der regelmässige Erguss reichlicher Monsunregen, die dem warmen und trockenen Frühling folgen, wodurch die Pflanzenwelt in der Wachsthumsperiode belebt und gleichsam mit einer Gabe der Tropenzone ausgestattet wird 2). Ihr verdankt es China, dass auch die Bambusen, deren Schilfe für den Haushalt so mannichfaltige Dienste gewähren, in China bis zu ungewöhnlichen Polhöhen sich zu erheben vermögen. Die Canäle welche das Tiefland durchziehen, bezeugen ferner, dass sich das Land ohne grosse Schwierigkeiten bewässern liess. An Mehlfruchtarten wird es in China nie gefehlt haben, oder sie 1) Briefwechsel mit Berghaus. Bd. 2. S. 30. 2) Grisebach, die Vegetation der Erde. Bd. 1. S. 489. ff.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/414>, abgerufen am 28.04.2024.