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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.

Betrachten wir nun den Schauplatz dieser eigenthümlichen
Gesittung, so ergibt sich schon nach einem hastigen Blick, dass
die Gliederung der wagerechten Umrisse nichts bessern und
nichts verschulden konnte. Die Küste und die Küstengewässer
sind zur Schifffahrt nicht verlockend. Wenn aber bis auf den heutigen
Tag die Chinesen ebenso traurige Matrosen wie Schiffsbauer ge-
blieben sind, so darf nicht übersehen werden, dass sie ursprünglich
ein Binnenvolk waren und dass sich ihr Reich erst spät bis an das
Meer und längs dem Meere ausbreitete. Nicht mit chinesischen,
sondern mit indischen und javanischen Fahrzeugen reiste der
Buddhist Fahian am Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. von
Ceylon über Java nach China zurück. Erst in den Jahren 630
n. Chr. kamen Muscatfrüchte, Kampher, Aloeholz, Kardamomen
und Nelken durch den Seeverkehr nach China 1). Bis Sumatra
erstreckten sich die Kenntnisse der Chinesen erst um 950 n. Chr.
Aus diesem und aus dem nächsten Jahrhundert stammen ihre
Blechmünzen die auf Singapur gefunden werden 2). Wenn be-
hauptet worden ist, dass die Chinesen nie über Malaka ihre Schiff-
fahrt erstreckt hätten, so haben wir ja bei den arabischen Rei-
senden die beste Widerlegung. Wir wissen ferner aus Marco
Polo, dass sie unter Kublai Chan bereits an Unternehmungen
gegen Madagaskar dachten, und aus Makrisi's Angaben, dass so-
gar 1429 n. Chr. ein chinesisches Schiff welches in Aden keinen
Absatz für seine Waaren fand, ins Rothe Meer hinauflief bis zum
Hafen Dschidda 3). Da aber längst vor diesen nautischen Regungen
China im vollen Culturglanze gestanden war, dürfen wir behaupten
dass die Ufergestaltung erst spät und nie entscheidend die Ge-
sittung des himmlischen Reiches gefördert habe.

Weit bedeutungsvoller ist die Thatsache, dass das Gebiet
der Chinesen der alten Welt angehört, so dass innerhalb seiner
Grenzen die besten Culturgewächse und die wichtigsten Haus-
thiere entweder einheimisch vorhanden waren oder sich dahin von
Volk zu Volk verbreiten konnten. In dieser Beziehung war für
die Cultur in China weit besser gesorgt als in Amerika, von Au-
stralien gar nicht zu reden. Unter den Bodenschätzen des Landes

1) Plath, im Ausland. 1869. S. 1213.
2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 119.
3) Et. Quatremere, Memoires sur l' Egypte, tom. II, p. 291.
Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.

Betrachten wir nun den Schauplatz dieser eigenthümlichen
Gesittung, so ergibt sich schon nach einem hastigen Blick, dass
die Gliederung der wagerechten Umrisse nichts bessern und
nichts verschulden konnte. Die Küste und die Küstengewässer
sind zur Schifffahrt nicht verlockend. Wenn aber bis auf den heutigen
Tag die Chinesen ebenso traurige Matrosen wie Schiffsbauer ge-
blieben sind, so darf nicht übersehen werden, dass sie ursprünglich
ein Binnenvolk waren und dass sich ihr Reich erst spät bis an das
Meer und längs dem Meere ausbreitete. Nicht mit chinesischen,
sondern mit indischen und javanischen Fahrzeugen reiste der
Buddhist Fahian am Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. von
Ceylon über Java nach China zurück. Erst in den Jahren 630
n. Chr. kamen Muscatfrüchte, Kampher, Aloeholz, Kardamomen
und Nelken durch den Seeverkehr nach China 1). Bis Sumatra
erstreckten sich die Kenntnisse der Chinesen erst um 950 n. Chr.
Aus diesem und aus dem nächsten Jahrhundert stammen ihre
Blechmünzen die auf Singapur gefunden werden 2). Wenn be-
hauptet worden ist, dass die Chinesen nie über Malaka ihre Schiff-
fahrt erstreckt hätten, so haben wir ja bei den arabischen Rei-
senden die beste Widerlegung. Wir wissen ferner aus Marco
Polo, dass sie unter Kublai Chan bereits an Unternehmungen
gegen Madagaskar dachten, und aus Makrisi’s Angaben, dass so-
gar 1429 n. Chr. ein chinesisches Schiff welches in Aden keinen
Absatz für seine Waaren fand, ins Rothe Meer hinauflief bis zum
Hafen Dschidda 3). Da aber längst vor diesen nautischen Regungen
China im vollen Culturglanze gestanden war, dürfen wir behaupten
dass die Ufergestaltung erst spät und nie entscheidend die Ge-
sittung des himmlischen Reiches gefördert habe.

Weit bedeutungsvoller ist die Thatsache, dass das Gebiet
der Chinesen der alten Welt angehört, so dass innerhalb seiner
Grenzen die besten Culturgewächse und die wichtigsten Haus-
thiere entweder einheimisch vorhanden waren oder sich dahin von
Volk zu Volk verbreiten konnten. In dieser Beziehung war für
die Cultur in China weit besser gesorgt als in Amerika, von Au-
stralien gar nicht zu reden. Unter den Bodenschätzen des Landes

1) Plath, im Ausland. 1869. S. 1213.
2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 119.
3) Ét. Quatremère, Memoires sur l’ Égypte, tom. II, p. 291.
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[395/0413] Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. Betrachten wir nun den Schauplatz dieser eigenthümlichen Gesittung, so ergibt sich schon nach einem hastigen Blick, dass die Gliederung der wagerechten Umrisse nichts bessern und nichts verschulden konnte. Die Küste und die Küstengewässer sind zur Schifffahrt nicht verlockend. Wenn aber bis auf den heutigen Tag die Chinesen ebenso traurige Matrosen wie Schiffsbauer ge- blieben sind, so darf nicht übersehen werden, dass sie ursprünglich ein Binnenvolk waren und dass sich ihr Reich erst spät bis an das Meer und längs dem Meere ausbreitete. Nicht mit chinesischen, sondern mit indischen und javanischen Fahrzeugen reiste der Buddhist Fahian am Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. von Ceylon über Java nach China zurück. Erst in den Jahren 630 n. Chr. kamen Muscatfrüchte, Kampher, Aloeholz, Kardamomen und Nelken durch den Seeverkehr nach China 1). Bis Sumatra erstreckten sich die Kenntnisse der Chinesen erst um 950 n. Chr. Aus diesem und aus dem nächsten Jahrhundert stammen ihre Blechmünzen die auf Singapur gefunden werden 2). Wenn be- hauptet worden ist, dass die Chinesen nie über Malaka ihre Schiff- fahrt erstreckt hätten, so haben wir ja bei den arabischen Rei- senden die beste Widerlegung. Wir wissen ferner aus Marco Polo, dass sie unter Kublai Chan bereits an Unternehmungen gegen Madagaskar dachten, und aus Makrisi’s Angaben, dass so- gar 1429 n. Chr. ein chinesisches Schiff welches in Aden keinen Absatz für seine Waaren fand, ins Rothe Meer hinauflief bis zum Hafen Dschidda 3). Da aber längst vor diesen nautischen Regungen China im vollen Culturglanze gestanden war, dürfen wir behaupten dass die Ufergestaltung erst spät und nie entscheidend die Ge- sittung des himmlischen Reiches gefördert habe. Weit bedeutungsvoller ist die Thatsache, dass das Gebiet der Chinesen der alten Welt angehört, so dass innerhalb seiner Grenzen die besten Culturgewächse und die wichtigsten Haus- thiere entweder einheimisch vorhanden waren oder sich dahin von Volk zu Volk verbreiten konnten. In dieser Beziehung war für die Cultur in China weit besser gesorgt als in Amerika, von Au- stralien gar nicht zu reden. Unter den Bodenschätzen des Landes 1) Plath, im Ausland. 1869. S. 1213. 2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 119. 3) Ét. Quatremère, Memoires sur l’ Égypte, tom. II, p. 291.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/413>, abgerufen am 28.04.2024.