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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
konnten sich als Culturgewächse ungehindert dahin verbreiten.
Plath 1) nennt als Hauptgetreide im alten Reiche zwei hirseähnliche
Gräser wie Milium globosum, Panicum verticilatum, dann Holcus sorghum
und vor allem den Weizen. Der Reis wird erst in der südlichen
Hälfte die herrschende Feldfrucht, gelangte obendrein spät nach
China. Nur im Süden, etwa mit dem 30. Breitegrad, beginnt
auch der Theebau und die Seidenzucht. Dass übrigens die Chi-
nesen nicht hartnäckig Gaben aus fremder Hand zurückweisen,
dafür zeugt dass sie Roggen, Hafer und Buchweizen durch Ver-
mittlung mongolischer oder wahrscheinlicher türkischer Stämme,
und seit der Entdeckung Amerika's auch den Mais bei sich ein-
geführt haben. Sonst fanden sich im alten Reiche noch Erbsen
und Bohnen, Gurken und Melonen, Zwiebeln und Lauch. Auch
die wichtigsten Hausthiere der alten Welt waren vorhanden, das
Rind, das Schaf, das Pferd, das Schwein, das Huhn und der Hund.
Vermisst werden in dieser Liste das Kamel, der Esel und die
Ziege. Vielleicht aus buddhistischen Skrupeln wird das Rind selten
genossen, und auffallenderweise gibt es in China keine Milchwirth-
schaft. Den Grundbestandtheil der Fleischnahrung muss in China
das Schwein liefern, welches, wie wir erinnern möchten, einer
andern wilden Art (Sus indicus, Pallas) als das europäische Zucht-
schwein entsprungen ist 2), also von den Chinesen ohne Zweifel
selbständig gezähmt wurde.

Zuchtwürdige Thiere und nahrungspendende Pflanzen waren
also vorhanden oder konnten sich frühzeitig in China einstellen.
Diess aber, sowie die oben geschilderte Begünstigung des Acker-
baues und die vorhandenen Schätze an Erzen sind alles was der
Lebensraum zur Entfaltung der chinesischen Cultur freiwillig bei-
getragen hat. Die tellurische Lage des Reiches war aber nur in-
soweit vortheilhaft, als den Chinesen Jahrtausende ruhiger innerer
Entwicklung vergönnt blieben ehe sie von überlegenen Völkern
Störungen zu befürchten hatten. Sie waren rings umgeben von
Nachbarn gleicher Abstammung, die sie frühzeitig durch ihre Ge-
sittung überragten. Die Einfälle von Wanderhorden unterbrachen nur
auf kurze Zeit das stetige Wachsthum, denn der siegreiche Fremd-
ling auf dem Thron fügte sich bald der geistigen Ueberlegenheit

1) Nahrungsweise der alten Chinesen. Ausland 1869. S. 1212.
2) v. Nathusius, der Schweineschädel. S. 175.

Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
konnten sich als Culturgewächse ungehindert dahin verbreiten.
Plath 1) nennt als Hauptgetreide im alten Reiche zwei hirseähnliche
Gräser wie Milium globosum, Panicum verticilatum, dann Holcus sorghum
und vor allem den Weizen. Der Reis wird erst in der südlichen
Hälfte die herrschende Feldfrucht, gelangte obendrein spät nach
China. Nur im Süden, etwa mit dem 30. Breitegrad, beginnt
auch der Theebau und die Seidenzucht. Dass übrigens die Chi-
nesen nicht hartnäckig Gaben aus fremder Hand zurückweisen,
dafür zeugt dass sie Roggen, Hafer und Buchweizen durch Ver-
mittlung mongolischer oder wahrscheinlicher türkischer Stämme,
und seit der Entdeckung Amerika’s auch den Mais bei sich ein-
geführt haben. Sonst fanden sich im alten Reiche noch Erbsen
und Bohnen, Gurken und Melonen, Zwiebeln und Lauch. Auch
die wichtigsten Hausthiere der alten Welt waren vorhanden, das
Rind, das Schaf, das Pferd, das Schwein, das Huhn und der Hund.
Vermisst werden in dieser Liste das Kamel, der Esel und die
Ziege. Vielleicht aus buddhistischen Skrupeln wird das Rind selten
genossen, und auffallenderweise gibt es in China keine Milchwirth-
schaft. Den Grundbestandtheil der Fleischnahrung muss in China
das Schwein liefern, welches, wie wir erinnern möchten, einer
andern wilden Art (Sus indicus, Pallas) als das europäische Zucht-
schwein entsprungen ist 2), also von den Chinesen ohne Zweifel
selbständig gezähmt wurde.

Zuchtwürdige Thiere und nahrungspendende Pflanzen waren
also vorhanden oder konnten sich frühzeitig in China einstellen.
Diess aber, sowie die oben geschilderte Begünstigung des Acker-
baues und die vorhandenen Schätze an Erzen sind alles was der
Lebensraum zur Entfaltung der chinesischen Cultur freiwillig bei-
getragen hat. Die tellurische Lage des Reiches war aber nur in-
soweit vortheilhaft, als den Chinesen Jahrtausende ruhiger innerer
Entwicklung vergönnt blieben ehe sie von überlegenen Völkern
Störungen zu befürchten hatten. Sie waren rings umgeben von
Nachbarn gleicher Abstammung, die sie frühzeitig durch ihre Ge-
sittung überragten. Die Einfälle von Wanderhorden unterbrachen nur
auf kurze Zeit das stetige Wachsthum, denn der siegreiche Fremd-
ling auf dem Thron fügte sich bald der geistigen Ueberlegenheit

1) Nahrungsweise der alten Chinesen. Ausland 1869. S. 1212.
2) v. Nathusius, der Schweineschädel. S. 175.
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[397/0415] Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. konnten sich als Culturgewächse ungehindert dahin verbreiten. Plath 1) nennt als Hauptgetreide im alten Reiche zwei hirseähnliche Gräser wie Milium globosum, Panicum verticilatum, dann Holcus sorghum und vor allem den Weizen. Der Reis wird erst in der südlichen Hälfte die herrschende Feldfrucht, gelangte obendrein spät nach China. Nur im Süden, etwa mit dem 30. Breitegrad, beginnt auch der Theebau und die Seidenzucht. Dass übrigens die Chi- nesen nicht hartnäckig Gaben aus fremder Hand zurückweisen, dafür zeugt dass sie Roggen, Hafer und Buchweizen durch Ver- mittlung mongolischer oder wahrscheinlicher türkischer Stämme, und seit der Entdeckung Amerika’s auch den Mais bei sich ein- geführt haben. Sonst fanden sich im alten Reiche noch Erbsen und Bohnen, Gurken und Melonen, Zwiebeln und Lauch. Auch die wichtigsten Hausthiere der alten Welt waren vorhanden, das Rind, das Schaf, das Pferd, das Schwein, das Huhn und der Hund. Vermisst werden in dieser Liste das Kamel, der Esel und die Ziege. Vielleicht aus buddhistischen Skrupeln wird das Rind selten genossen, und auffallenderweise gibt es in China keine Milchwirth- schaft. Den Grundbestandtheil der Fleischnahrung muss in China das Schwein liefern, welches, wie wir erinnern möchten, einer andern wilden Art (Sus indicus, Pallas) als das europäische Zucht- schwein entsprungen ist 2), also von den Chinesen ohne Zweifel selbständig gezähmt wurde. Zuchtwürdige Thiere und nahrungspendende Pflanzen waren also vorhanden oder konnten sich frühzeitig in China einstellen. Diess aber, sowie die oben geschilderte Begünstigung des Acker- baues und die vorhandenen Schätze an Erzen sind alles was der Lebensraum zur Entfaltung der chinesischen Cultur freiwillig bei- getragen hat. Die tellurische Lage des Reiches war aber nur in- soweit vortheilhaft, als den Chinesen Jahrtausende ruhiger innerer Entwicklung vergönnt blieben ehe sie von überlegenen Völkern Störungen zu befürchten hatten. Sie waren rings umgeben von Nachbarn gleicher Abstammung, die sie frühzeitig durch ihre Ge- sittung überragten. Die Einfälle von Wanderhorden unterbrachen nur auf kurze Zeit das stetige Wachsthum, denn der siegreiche Fremd- ling auf dem Thron fügte sich bald der geistigen Ueberlegenheit 1) Nahrungsweise der alten Chinesen. Ausland 1869. S. 1212. 2) v. Nathusius, der Schweineschädel. S. 175.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/415>, abgerufen am 27.04.2024.