Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. ihr Vermögen in Todtenfeiern zerrütten, und würde ich jenesBewusstsein läugnen, so möchten herzlose Söhne ihre Eltern un- beerdigt lassen 1)." Seine Sittenlehren hatten immer den bürger- lichen Nutzen zum höchsten Zweck und daher stehen sie tief unter den buddhistischen. Auf die Frage eines Jüngers ob sich nicht in einem Worte die Menschenpflichten zusammen fassen liessen, gab er die Antwort: "Ist nicht Vergeltung ein solches? Was du nicht willst, das andre dir zufügen, das thue ihnen auch nicht 2)." Als ein andrer Schüler zu wissen begehrte, ob nicht Unrecht mit Wohlwollen vergolten werden solle, antwortete der Meister: "Womit willst du dann Wohlwollen vergelten? Vergilt Unrecht mit Gerechtigkeit und Wohlwollen mit Wohlwollen 3)." Ganz in diesem Sinne schärfte er, wie wir bereits gesehen haben, die Pflichten der Blutrache ein. Um lästige Besucher abzuhalten, gab er sich oft mit Verletzung der Wahrheit für krank aus und einstmals brach er gelassen ein feierliches Versprechen. Als er darüber zur Rede gesetzt wurde, äusserte er kühl: Es war ein erzwungner Eid und die Geister hören solche Eide nicht. Von minderem Einfluss wie Confutse war sein Zeitgenosse Laotse, 1) Legge, Life of Confucius. London 1867. p. 101. 2) Legge, Confucius. Anal. XV. c. 23. p. 112. 3) l. c. p. 113. 4) Abel Remusat, in denMelanges asiatiques, tom. I, p. 91, bei Huc II, 110. 5) Lao-tse Tao-te-king ed. R. v. Plaenckner. Leipzig. 1870. p. VII. 6) Gützlaff, Geschichte des chinesischen Reiches. Stuttgart 1847. S. 75.
Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. ihr Vermögen in Todtenfeiern zerrütten, und würde ich jenesBewusstsein läugnen, so möchten herzlose Söhne ihre Eltern un- beerdigt lassen 1).“ Seine Sittenlehren hatten immer den bürger- lichen Nutzen zum höchsten Zweck und daher stehen sie tief unter den buddhistischen. Auf die Frage eines Jüngers ob sich nicht in einem Worte die Menschenpflichten zusammen fassen liessen, gab er die Antwort: „Ist nicht Vergeltung ein solches? Was du nicht willst, das andre dir zufügen, das thue ihnen auch nicht 2).“ Als ein andrer Schüler zu wissen begehrte, ob nicht Unrecht mit Wohlwollen vergolten werden solle, antwortete der Meister: „Womit willst du dann Wohlwollen vergelten? Vergilt Unrecht mit Gerechtigkeit und Wohlwollen mit Wohlwollen 3).“ Ganz in diesem Sinne schärfte er, wie wir bereits gesehen haben, die Pflichten der Blutrache ein. Um lästige Besucher abzuhalten, gab er sich oft mit Verletzung der Wahrheit für krank aus und einstmals brach er gelassen ein feierliches Versprechen. Als er darüber zur Rede gesetzt wurde, äusserte er kühl: Es war ein erzwungner Eid und die Geister hören solche Eide nicht. Von minderem Einfluss wie Confutse war sein Zeitgenosse Laotse, 1) Legge, Life of Confucius. London 1867. p. 101. 2) Legge, Confucius. Anal. XV. c. 23. p. 112. 3) l. c. p. 113. 4) Abel Rémusat, in denMélanges asiatiques, tom. I, p. 91, bei Huc II, 110. 5) Lao-tse Tao-te-king ed. R. v. Plaenckner. Leipzig. 1870. p. VII. 6) Gützlaff, Geschichte des chinesischen Reiches. Stuttgart 1847. S. 75.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0412" n="394"/><fw place="top" type="header">Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.</fw><lb/> ihr Vermögen in Todtenfeiern zerrütten, und würde ich jenes<lb/> Bewusstsein läugnen, so möchten herzlose Söhne ihre Eltern un-<lb/> beerdigt lassen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Legge</hi>, Life of Confucius. London 1867. p. 101.</note>.“ Seine Sittenlehren hatten immer den bürger-<lb/> lichen Nutzen zum höchsten Zweck und daher stehen sie tief<lb/> unter den buddhistischen. Auf die Frage eines Jüngers ob sich<lb/> nicht in einem Worte die Menschenpflichten zusammen fassen<lb/> liessen, gab er die Antwort: „Ist nicht Vergeltung ein solches?<lb/> Was du nicht willst, das andre dir zufügen, das thue ihnen auch<lb/> nicht <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Legge</hi>, Confucius. Anal. XV. c. 23. p. 112.</note>.“ Als ein andrer Schüler zu wissen begehrte, ob nicht<lb/> Unrecht mit Wohlwollen vergolten werden solle, antwortete der<lb/> Meister: „Womit willst du dann Wohlwollen vergelten? Vergilt<lb/> Unrecht mit Gerechtigkeit und Wohlwollen mit Wohlwollen <note place="foot" n="3)">l. c. p. 113.</note>.“<lb/> Ganz in diesem Sinne schärfte er, wie wir bereits gesehen haben,<lb/> die Pflichten der Blutrache ein. Um lästige Besucher abzuhalten,<lb/> gab er sich oft mit Verletzung der Wahrheit für krank aus und<lb/> einstmals brach er gelassen ein feierliches Versprechen. Als er<lb/> darüber zur Rede gesetzt wurde, äusserte er kühl: Es war ein<lb/> erzwungner Eid und die Geister hören solche Eide nicht.</p><lb/> <p>Von minderem Einfluss wie Confutse war sein Zeitgenosse Laotse,<lb/> der ein höchstes logosartiges Wesen als Schöpfer der Körperwelt lehrte<lb/> in einer Sprache, „von platonischer Hoheit und Unverständlich-<lb/> keit <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#g">Abel Rémusat</hi>, in denMélanges asiatiques, tom. I, p. 91, bei <hi rendition="#g">Huc</hi><lb/> II, 110.</note>“ wie Rémusat sich ausdrückt. Der Taoteking, das Glaubens-<lb/> buch Laotse’s und seiner Anhänger, der Taosse leidet in der<lb/> That so sehr an Dunkelheiten, dass schon der Name Tao oder der<lb/> des höchsten Wesens eine Menge Deutungen zulässt <note place="foot" n="5)">Lao-tse Tao-te-king ed. R. v. <hi rendition="#g">Plaenckner</hi>. Leipzig. 1870. p. VII.</note>. Die Sitten-<lb/> lehre des Weltweisen war sonst eine durchaus reine, sie predigte<lb/> Sanftmuth und Duldung wie die buddhistische. Seine Schüler<lb/> und Nachfolger aber die sich Doctoren der Vernunft nannten,<lb/> brachten sich und die Taolehre durch verächtlichen Schamanisten-<lb/> betrug bald in Missachtung und sind seitdem zur Zielscheibe des<lb/> öffentlichen Spottes geworden <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#g">Gützlaff</hi>, Geschichte des chinesischen Reiches. Stuttgart 1847. S. 75.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [394/0412]
Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
ihr Vermögen in Todtenfeiern zerrütten, und würde ich jenes
Bewusstsein läugnen, so möchten herzlose Söhne ihre Eltern un-
beerdigt lassen 1).“ Seine Sittenlehren hatten immer den bürger-
lichen Nutzen zum höchsten Zweck und daher stehen sie tief
unter den buddhistischen. Auf die Frage eines Jüngers ob sich
nicht in einem Worte die Menschenpflichten zusammen fassen
liessen, gab er die Antwort: „Ist nicht Vergeltung ein solches?
Was du nicht willst, das andre dir zufügen, das thue ihnen auch
nicht 2).“ Als ein andrer Schüler zu wissen begehrte, ob nicht
Unrecht mit Wohlwollen vergolten werden solle, antwortete der
Meister: „Womit willst du dann Wohlwollen vergelten? Vergilt
Unrecht mit Gerechtigkeit und Wohlwollen mit Wohlwollen 3).“
Ganz in diesem Sinne schärfte er, wie wir bereits gesehen haben,
die Pflichten der Blutrache ein. Um lästige Besucher abzuhalten,
gab er sich oft mit Verletzung der Wahrheit für krank aus und
einstmals brach er gelassen ein feierliches Versprechen. Als er
darüber zur Rede gesetzt wurde, äusserte er kühl: Es war ein
erzwungner Eid und die Geister hören solche Eide nicht.
Von minderem Einfluss wie Confutse war sein Zeitgenosse Laotse,
der ein höchstes logosartiges Wesen als Schöpfer der Körperwelt lehrte
in einer Sprache, „von platonischer Hoheit und Unverständlich-
keit 4)“ wie Rémusat sich ausdrückt. Der Taoteking, das Glaubens-
buch Laotse’s und seiner Anhänger, der Taosse leidet in der
That so sehr an Dunkelheiten, dass schon der Name Tao oder der
des höchsten Wesens eine Menge Deutungen zulässt 5). Die Sitten-
lehre des Weltweisen war sonst eine durchaus reine, sie predigte
Sanftmuth und Duldung wie die buddhistische. Seine Schüler
und Nachfolger aber die sich Doctoren der Vernunft nannten,
brachten sich und die Taolehre durch verächtlichen Schamanisten-
betrug bald in Missachtung und sind seitdem zur Zielscheibe des
öffentlichen Spottes geworden 6).
1) Legge, Life of Confucius. London 1867. p. 101.
2) Legge, Confucius. Anal. XV. c. 23. p. 112.
3) l. c. p. 113.
4) Abel Rémusat, in denMélanges asiatiques, tom. I, p. 91, bei Huc
II, 110.
5) Lao-tse Tao-te-king ed. R. v. Plaenckner. Leipzig. 1870. p. VII.
6) Gützlaff, Geschichte des chinesischen Reiches. Stuttgart 1847. S. 75.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |