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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
den drei ersten Dynastien, schon desswegen nicht gebaut und
nicht getrunken, weil sich die Reichsgränzen noch nicht über die
botanische Heimat des Tschastrauches, nämlich über den Süden
erstreckte. Auch soll das Theetrinken erst durch buddhistische
Mönche aufgebracht worden sein und ist vielleicht nicht älter als
unsere Zeitrechnung. Ebenso gehört das Papier in China unter die
Neuerungen, denn seine erste Verbreitung fällt um das Jahr 153 n.
Chr., während vorher Bambutafeln seine Dienste ersetzen mussten.
Die Tusche wird noch jetzt am vorzüglichsten in China zubereitet,
wenn auch ihre Güte in neuerer Zeit, seitdem Büffel- anstatt Hirsch-
hornleim zum Bindemittel des Fettrusses verwendet wird, gesunken ist.
Ihre erste Erfindung gehört der Zeit von 220--419 n. Chr. an. Der
Druck mit geschnittenen Holztafeln wurde in China 593 oder 583
n. Chr. erfunden, und bereits im Jahre 1310 in Raschid eddin's
"Dschemma et tewarikh" beschrieben. Wir werden sogar von Stanislas
Julien und Paul Champion unterrichtet, dass in der Periode King-li
(1041--49 n. Chr.) die Kunst mit beweglichen Lettern zu drucken
erfunden worden sei 1). Natürlich handelte es sich dabei nicht um
Buchstaben, sondern es waren die abgekürzten Sylbenbilder der
chinesischen Schrift, die auf beweglichen Stücken aus Porcellan
zusammengesetzt wurden. Diese Kunst musste wieder in Verfall
gerathen, weil der Letterndruck doch nur bei Buchstabenschrift
mit grossem Erfolge sich anwenden lässt. Bei einer einsylbigen
Sprache, wie das Chinesische ist, war es zwar leicht für jede
Wurzel eine Hieroglyphe zu ersinnen, aber man kam auch, eben
weil in der Sprache selbst kein Zwang vorlag, nicht dazu die
Wurzel in ihre einzelnen Laute zu zerlegen, und den Laut zu
symbolisiren. Von allen Völkern der Erde sind die Chinesen das
einzige, welches liest, schreibt und druckt ohne das Buchstabiren
erfunden zu haben.

Die Nordweisung der freischwebenden Magnetnadel war den
Chinesen schon seit 121 n. Chr. bekannt 2), und Brillengläser haben
sie sicherlich früher geschliffen als die Abendländer. Das Pulver
kannten sie ebenfalls längst vor den Europäern, wenn sie es auch
nur zu Feuerwerken verwendeten. Geldmünzen, d. h. geprägte

1) Stanislas Julien et Paul Champion, Industries anciennes et
modernes de l'empire chinois. Paris 1870. p. 153. sq.
2) Klaproth, Lettre sur l'invention de la boussole. Paris 1834. p. 66.

Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen.
den drei ersten Dynastien, schon desswegen nicht gebaut und
nicht getrunken, weil sich die Reichsgränzen noch nicht über die
botanische Heimat des Tschastrauches, nämlich über den Süden
erstreckte. Auch soll das Theetrinken erst durch buddhistische
Mönche aufgebracht worden sein und ist vielleicht nicht älter als
unsere Zeitrechnung. Ebenso gehört das Papier in China unter die
Neuerungen, denn seine erste Verbreitung fällt um das Jahr 153 n.
Chr., während vorher Bambutafeln seine Dienste ersetzen mussten.
Die Tusche wird noch jetzt am vorzüglichsten in China zubereitet,
wenn auch ihre Güte in neuerer Zeit, seitdem Büffel- anstatt Hirsch-
hornleim zum Bindemittel des Fettrusses verwendet wird, gesunken ist.
Ihre erste Erfindung gehört der Zeit von 220—419 n. Chr. an. Der
Druck mit geschnittenen Holztafeln wurde in China 593 oder 583
n. Chr. erfunden, und bereits im Jahre 1310 in Raschid eddin’s
„Dschemma et tewarikh“ beschrieben. Wir werden sogar von Stanislas
Julien und Paul Champion unterrichtet, dass in der Periode King-li
(1041—49 n. Chr.) die Kunst mit beweglichen Lettern zu drucken
erfunden worden sei 1). Natürlich handelte es sich dabei nicht um
Buchstaben, sondern es waren die abgekürzten Sylbenbilder der
chinesischen Schrift, die auf beweglichen Stücken aus Porcellan
zusammengesetzt wurden. Diese Kunst musste wieder in Verfall
gerathen, weil der Letterndruck doch nur bei Buchstabenschrift
mit grossem Erfolge sich anwenden lässt. Bei einer einsylbigen
Sprache, wie das Chinesische ist, war es zwar leicht für jede
Wurzel eine Hieroglyphe zu ersinnen, aber man kam auch, eben
weil in der Sprache selbst kein Zwang vorlag, nicht dazu die
Wurzel in ihre einzelnen Laute zu zerlegen, und den Laut zu
symbolisiren. Von allen Völkern der Erde sind die Chinesen das
einzige, welches liest, schreibt und druckt ohne das Buchstabiren
erfunden zu haben.

Die Nordweisung der freischwebenden Magnetnadel war den
Chinesen schon seit 121 n. Chr. bekannt 2), und Brillengläser haben
sie sicherlich früher geschliffen als die Abendländer. Das Pulver
kannten sie ebenfalls längst vor den Europäern, wenn sie es auch
nur zu Feuerwerken verwendeten. Geldmünzen, d. h. geprägte

1) Stanislas Julien et Paul Champion, Industries anciennes et
modernes de l’empire chinois. Paris 1870. p. 153. sq.
2) Klaproth, Lettre sur l’invention de la boussole. Paris 1834. p. 66.
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[388/0406] Südostasiaten mit einsylbigen Sprachen. den drei ersten Dynastien, schon desswegen nicht gebaut und nicht getrunken, weil sich die Reichsgränzen noch nicht über die botanische Heimat des Tschastrauches, nämlich über den Süden erstreckte. Auch soll das Theetrinken erst durch buddhistische Mönche aufgebracht worden sein und ist vielleicht nicht älter als unsere Zeitrechnung. Ebenso gehört das Papier in China unter die Neuerungen, denn seine erste Verbreitung fällt um das Jahr 153 n. Chr., während vorher Bambutafeln seine Dienste ersetzen mussten. Die Tusche wird noch jetzt am vorzüglichsten in China zubereitet, wenn auch ihre Güte in neuerer Zeit, seitdem Büffel- anstatt Hirsch- hornleim zum Bindemittel des Fettrusses verwendet wird, gesunken ist. Ihre erste Erfindung gehört der Zeit von 220—419 n. Chr. an. Der Druck mit geschnittenen Holztafeln wurde in China 593 oder 583 n. Chr. erfunden, und bereits im Jahre 1310 in Raschid eddin’s „Dschemma et tewarikh“ beschrieben. Wir werden sogar von Stanislas Julien und Paul Champion unterrichtet, dass in der Periode King-li (1041—49 n. Chr.) die Kunst mit beweglichen Lettern zu drucken erfunden worden sei 1). Natürlich handelte es sich dabei nicht um Buchstaben, sondern es waren die abgekürzten Sylbenbilder der chinesischen Schrift, die auf beweglichen Stücken aus Porcellan zusammengesetzt wurden. Diese Kunst musste wieder in Verfall gerathen, weil der Letterndruck doch nur bei Buchstabenschrift mit grossem Erfolge sich anwenden lässt. Bei einer einsylbigen Sprache, wie das Chinesische ist, war es zwar leicht für jede Wurzel eine Hieroglyphe zu ersinnen, aber man kam auch, eben weil in der Sprache selbst kein Zwang vorlag, nicht dazu die Wurzel in ihre einzelnen Laute zu zerlegen, und den Laut zu symbolisiren. Von allen Völkern der Erde sind die Chinesen das einzige, welches liest, schreibt und druckt ohne das Buchstabiren erfunden zu haben. Die Nordweisung der freischwebenden Magnetnadel war den Chinesen schon seit 121 n. Chr. bekannt 2), und Brillengläser haben sie sicherlich früher geschliffen als die Abendländer. Das Pulver kannten sie ebenfalls längst vor den Europäern, wenn sie es auch nur zu Feuerwerken verwendeten. Geldmünzen, d. h. geprägte 1) Stanislas Julien et Paul Champion, Industries anciennes et modernes de l’empire chinois. Paris 1870. p. 153. sq. 2) Klaproth, Lettre sur l’invention de la boussole. Paris 1834. p. 66.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/406>, abgerufen am 27.04.2024.