Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.der verborgenen Sünden. daß man der Kirchenbeichte, und vor das geistliche Gerichtekomme a). Man muthmasset hieraus nicht unrecht/ daß noch zu dieses Mönchs Zeiten verschiedene gewesen/ die auf die Beichte/ so denen Priestern geschiehet/ nicht zu viel gehal- ten. Gratianus bringet ebenfals verschiedene Schrifft-Stel- len und Worte der Patrum bey/ die dergleichen behaupten. Allein damit er doch auch niemand zu nahe treten möchte/ führet er auch des Gegentheils Worte an. Denn da hat er viele Stellen eingeschaltet/ die da behaupten/ man könte ohne Beichte bey denen Priestern die Vergebung der Sün- den nicht erhalten. Was er hierbey vor eine Meinung ge- heget/ hat er nicht entdecket/ sondern die gantze Sache dem Gutdüncken seiner Leser überlassen. Er saget b): Auf was vor Ansehen oder Gründen beyderseits Meinung beruhe, ha- be ich kürtzlich berühret. Welche aber davon am meisten zu billigen, überlasse ich dem Urtheil eines Lesers. Beyde Mei- nungen haben weise und fromme Leute zu ihren Verthevdi- gern. Petrus Lombardus, der mit Gratiano zu einer Zeit gelebet/ bringet auch beyder Theile Meinungen bey/ allein er pflichtet endlich der irrigen Lehre bey/ daß die Sünden nicht vergeben würden/ es wären denn solche denen Prie- stern gebeichtet worden. Seine Gründe aber sind schwach und bedeuten nichts. Das a) Gratianus sub initium tract. de poenit. Vtrum sola cordis contriSeine eigene Worte. tione & secreta satisfactione absque oris confessione, quisquam possit Deo satisfacere? - - Sunt enim qui dicunt, quemlibet cri- minis veniam sine confessione ecclesiae & sacerdotali judicio pos- se promereri. &c. b) Gratianus cit. l. post. c. 89. Quibus auctoritatibus vtraque sen-Abermahls sei- ne Worte. tentia, satisfactionis & confessionis innitatur; in medium breui- ter exposuimus. Cui autem harum potius adhaerendum sit, le- ctoris judicio reseruatur. Vtraque enim fautores habet sapientes & religiosos viros. a) Es (Recht der Beicht-Stühle.) o
der verborgenen Suͤnden. daß man der Kirchenbeichte, und vor das geiſtliche Gerichtekomme a). Man muthmaſſet hieraus nicht unrecht/ daß noch zu dieſes Moͤnchs Zeiten verſchiedene geweſen/ die auf die Beichte/ ſo denen Prieſtern geſchiehet/ nicht zu viel gehal- ten. Gratianus bringet ebenfals verſchiedene Schrifft-Stel- len und Worte der Patrum bey/ die dergleichen behaupten. Allein damit er doch auch niemand zu nahe treten moͤchte/ fuͤhret er auch des Gegentheils Worte an. Denn da hat er viele Stellen eingeſchaltet/ die da behaupten/ man koͤnte ohne Beichte bey denen Prieſtern die Vergebung der Suͤn- den nicht erhalten. Was er hierbey vor eine Meinung ge- heget/ hat er nicht entdecket/ ſondern die gantze Sache dem Gutduͤncken ſeiner Leſer uͤberlaſſen. Er ſaget b): Auf was vor Anſehen oder Gruͤnden beyderſeits Meinung beruhe, ha- be ich kuͤrtzlich beruͤhret. Welche aber davon am meiſten zu billigen, uͤberlaſſe ich dem Urtheil eines Leſers. Beyde Mei- nungen haben weiſe und fromme Leute zu ihren Verthevdi- gern. Petrus Lombardus, der mit Gratiano zu einer Zeit gelebet/ bringet auch beyder Theile Meinungen bey/ allein er pflichtet endlich der irrigen Lehre bey/ daß die Suͤnden nicht vergeben wuͤrden/ es waͤren denn ſolche denen Prie- ſtern gebeichtet worden. Seine Gruͤnde aber ſind ſchwach und bedeuten nichts. Das a) Gratianus ſub initium tract. de pœnit. Vtrum ſola cordis contriSeine eigene Worte. tione & ſecreta ſatisfactione absque oris confesſione, quisquam poſſit Deo ſatisfacere? ‒ ‒ Sunt enim qui dicunt, quemlibet cri- minis veniam ſine confesſione eccleſiæ & ſacerdotali judicio pos- ſe promereri. &c. b) Gratianus cit. l. poſt. c. 89. Quibus auctoritatibus vtraque ſen-Abermahls ſei- ne Worte. tentia, ſatisfactionis & confesſionis innitatur; in medium breui- ter expoſuimus. Cui autem harum potius adhærendum ſit, le- ctoris judicio reſeruatur. Vtraque enim fautores habet ſapientes & religioſos viros. a) Es (Recht der Beicht-Stuͤhle.) o
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noch zu dieſes Moͤnchs Zeiten verſchiedene geweſen/ die auf
die Beichte/ ſo denen Prieſtern geſchiehet/ nicht zu viel gehal-
ten. Gratianus bringet ebenfals verſchiedene Schrifft-Stel-
len und Worte der Patrum bey/ die dergleichen behaupten.
Allein damit er doch auch niemand zu nahe treten moͤchte/
fuͤhret er auch des Gegentheils Worte an. Denn da hat
er viele Stellen eingeſchaltet/ die da behaupten/ man koͤnte
ohne Beichte bey denen Prieſtern die Vergebung der Suͤn-
den nicht erhalten. Was er hierbey vor eine Meinung ge-
heget/ hat er nicht entdecket/ ſondern die gantze Sache dem
Gutduͤncken ſeiner Leſer uͤberlaſſen. Er ſaget b): Auf was
vor Anſehen oder Gruͤnden beyderſeits Meinung beruhe, ha-
be ich kuͤrtzlich beruͤhret. Welche aber davon am meiſten zu
billigen, uͤberlaſſe ich dem Urtheil eines Leſers. Beyde Mei-
nungen haben weiſe und fromme Leute zu ihren Verthevdi-
gern. Petrus Lombardus, der mit Gratiano zu einer Zeit
gelebet/ bringet auch beyder Theile Meinungen bey/ allein
er pflichtet endlich der irrigen Lehre bey/ daß die Suͤnden
nicht vergeben wuͤrden/ es waͤren denn ſolche denen Prie-
ſtern gebeichtet worden. Seine Gruͤnde aber ſind ſchwach
und bedeuten nichts.
Das
a) Gratianus ſub initium tract. de pœnit. Vtrum ſola cordis contri
tione & ſecreta ſatisfactione absque oris confesſione, quisquam
poſſit Deo ſatisfacere? ‒ ‒ Sunt enim qui dicunt, quemlibet cri-
minis veniam ſine confesſione eccleſiæ & ſacerdotali judicio pos-
ſe promereri. &c.
b) Gratianus cit. l. poſt. c. 89. Quibus auctoritatibus vtraque ſen-
tentia, ſatisfactionis & confesſionis innitatur; in medium breui-
ter expoſuimus. Cui autem harum potius adhærendum ſit, le-
ctoris judicio reſeruatur. Vtraque enim fautores habet ſapientes
& religioſos viros.
a) Es
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Zitationshilfe: | Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/124>, abgerufen am 16.02.2025. |