Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.keine Frau -- kann eine fremde Liebe gänzlich Sie zweifelte, aber verzweifelte nicht an ei¬ keine Frau — kann eine fremde Liebe gänzlich Sie zweifelte, aber verzweifelte nicht an ei¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="71"/> keine Frau — kann eine fremde Liebe gänzlich<lb/> überſehen; die lang überſehene wird dann ſel¬<lb/> ten oder nie eine erwiederte. Albano war zu<lb/> zart, um in der Geliebten ſeines Vaters und<lb/> in der Frau eines Andern und in einer Freun¬<lb/> din ſeiner eignen Geliebten dieſen Wunſch einer<lb/> Unſchicklichkeit vorauszuſetzen. Auch ſetzt' er<lb/> auf ſeinen Werth immer ein eben ſo kleines<lb/> Vertrauen als auf ſein Recht ein großes.</p><lb/> <p>Sie zweifelte, aber verzweifelte nicht an ei¬<lb/> ner wärmern Geſinnung. Ein Weib hofft ſo<lb/> lange als ein zweites nicht mit hofft. Albano's<lb/> nächtliche Beſuche des Kapitol's und Koli¬<lb/> ſeo's wurden von nachgeſchickten Augen im¬<lb/> mer ſeines edlen Karakters würdig befunden.<lb/> Täglich lieber wurd' ihr der feſte Jüngling<lb/> durch ſein neues Aufblühen und durch ſeine<lb/> männliche Entwickelung. Zuweilen hoffte ſie<lb/> ſtark, von ſeiner freundſchaftlichen Redlichkeit<lb/> und von jener heroiſchen Schwermuth beſtochen,<lb/> die ihr ſonſt aus keiner Ferne und Nähe zu er¬<lb/> klären war. Dieſes ihr ungewohnte Auf- und<lb/> Niederſteigen auf ihren Wellen erſchütterte ihre<lb/> Geſundheit und ihren Karakter und ſie wurde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0083]
keine Frau — kann eine fremde Liebe gänzlich
überſehen; die lang überſehene wird dann ſel¬
ten oder nie eine erwiederte. Albano war zu
zart, um in der Geliebten ſeines Vaters und
in der Frau eines Andern und in einer Freun¬
din ſeiner eignen Geliebten dieſen Wunſch einer
Unſchicklichkeit vorauszuſetzen. Auch ſetzt' er
auf ſeinen Werth immer ein eben ſo kleines
Vertrauen als auf ſein Recht ein großes.
Sie zweifelte, aber verzweifelte nicht an ei¬
ner wärmern Geſinnung. Ein Weib hofft ſo
lange als ein zweites nicht mit hofft. Albano's
nächtliche Beſuche des Kapitol's und Koli¬
ſeo's wurden von nachgeſchickten Augen im¬
mer ſeines edlen Karakters würdig befunden.
Täglich lieber wurd' ihr der feſte Jüngling
durch ſein neues Aufblühen und durch ſeine
männliche Entwickelung. Zuweilen hoffte ſie
ſtark, von ſeiner freundſchaftlichen Redlichkeit
und von jener heroiſchen Schwermuth beſtochen,
die ihr ſonſt aus keiner Ferne und Nähe zu er¬
klären war. Dieſes ihr ungewohnte Auf- und
Niederſteigen auf ihren Wellen erſchütterte ihre
Geſundheit und ihren Karakter und ſie wurde
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