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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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hört' er, so viel auch sein Vater Briefe aus
Pestiz bekam, keinen Laut von dem Freunde
über die Berge herüber, den er in den dunkeln
Verhältnissen einer wunderbaren verwirrenden
Leidenschaft zurückgelassen. Er rechnete Schop¬
pen, dessen Haß und Zank gegen alles Brief¬
schreiben er kannte, das Schweigen nicht an;
aber sein eignes Herz konnt' es nicht verlän¬
gern und er schrieb so an ihn:

"Wir wurden schlafend von einander geris¬
sen, Schoppe! Jene Zeit hat sich bedeckt und
bleibt es. Sehr wach wollen wir uns wieder
erblicken. Von Dir weiß ich nichts; wenn mir
Rabette nicht schreibt, muß ich die brennende
Ungeduld bis zu unserer Zusammenkunft im
Sommer umhertragen und leiden. Was ist
von mir zu schreiben? Ich bin verändert bis
ins Innerste hinab und von einer hineingrei¬
fenden Riesenhand. Wenn die Sonne über den
Scheitelpunkt der Länder zieht, so hüllen sie
sich alle in ein tiefes Gewölk'; so bin ich jetzt
unter der höchsten Sonne und bin eingehüllt.
Wie im Rom, im wirklichen Rom, ein Mensch

Titan IV. D

hört' er, ſo viel auch ſein Vater Briefe aus
Peſtiz bekam, keinen Laut von dem Freunde
über die Berge herüber, den er in den dunkeln
Verhältniſſen einer wunderbaren verwirrenden
Leidenſchaft zurückgelaſſen. Er rechnete Schop¬
pen, deſſen Haß und Zank gegen alles Brief¬
ſchreiben er kannte, das Schweigen nicht an;
aber ſein eignes Herz konnt' es nicht verlän¬
gern und er ſchrieb ſo an ihn:

„Wir wurden ſchlafend von einander geris¬
ſen, Schoppe! Jene Zeit hat ſich bedeckt und
bleibt es. Sehr wach wollen wir uns wieder
erblicken. Von Dir weiß ich nichts; wenn mir
Rabette nicht ſchreibt, muß ich die brennende
Ungeduld bis zu unſerer Zuſammenkunft im
Sommer umhertragen und leiden. Was iſt
von mir zu ſchreiben? Ich bin verändert bis
ins Innerſte hinab und von einer hineingrei¬
fenden Rieſenhand. Wenn die Sonne über den
Scheitelpunkt der Länder zieht, ſo hüllen ſie
ſich alle in ein tiefes Gewölk'; ſo bin ich jetzt
unter der höchſten Sonne und bin eingehüllt.
Wie im Rom, im wirklichen Rom, ein Menſch

Titan IV. D
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[49/0061] hört' er, ſo viel auch ſein Vater Briefe aus Peſtiz bekam, keinen Laut von dem Freunde über die Berge herüber, den er in den dunkeln Verhältniſſen einer wunderbaren verwirrenden Leidenſchaft zurückgelaſſen. Er rechnete Schop¬ pen, deſſen Haß und Zank gegen alles Brief¬ ſchreiben er kannte, das Schweigen nicht an; aber ſein eignes Herz konnt' es nicht verlän¬ gern und er ſchrieb ſo an ihn: „Wir wurden ſchlafend von einander geris¬ ſen, Schoppe! Jene Zeit hat ſich bedeckt und bleibt es. Sehr wach wollen wir uns wieder erblicken. Von Dir weiß ich nichts; wenn mir Rabette nicht ſchreibt, muß ich die brennende Ungeduld bis zu unſerer Zuſammenkunft im Sommer umhertragen und leiden. Was iſt von mir zu ſchreiben? Ich bin verändert bis ins Innerſte hinab und von einer hineingrei¬ fenden Rieſenhand. Wenn die Sonne über den Scheitelpunkt der Länder zieht, ſo hüllen ſie ſich alle in ein tiefes Gewölk'; ſo bin ich jetzt unter der höchſten Sonne und bin eingehüllt. Wie im Rom, im wirklichen Rom, ein Menſch Titan IV. D

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/61>, abgerufen am 25.11.2024.