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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Stirn und durch das Auge brannte ein düste¬
rer Geist.

Gaspard schickte unbemerkt seinen Blick al¬
len geheimen Entfaltungen des Jünglings nach.
Ein bloßer Nachschmerz über Liane schien sein
Zustand nicht zu seyn. Im nordischen Winter
wäre diese Wunde nur zugefroren und nicht
zugeheilt; aber hier, im Tempel der Welt, wo
Götter begraben liegen, stärkte sich ein edles
Herz und schlug für ältere Gräber. Die Für¬
stinn, die unter dem Deckmantel des Vaters
dem Sohne nachjagte, suchte er weniger als
den alten kalten Lauria und den feurigen
Dian.

In derselben Zeit sehnt' er sich schmerzlich
nach seinem Schoppe; an dieser Brust, dacht'
er, hätte das Geheimniß der seinigen den rech¬
ten Ort und Trost gefunden. Es war ihm als
hab' er seit dieser Abwesenheit in Einem fort
mit ihm zusammengelebt und sich fester verbrü¬
dert. So wohnen und schmelzen die Geister im
unsichtbaren Lande zusammen; und wenn sich
die Leiber im sichtbaren wieder begegnen, fin¬
den die Herzen sich bekannter wieder. Leider

hört'

Stirn und durch das Auge brannte ein düſte¬
rer Geiſt.

Gaſpard ſchickte unbemerkt ſeinen Blick al¬
len geheimen Entfaltungen des Jünglings nach.
Ein bloßer Nachſchmerz über Liane ſchien ſein
Zuſtand nicht zu ſeyn. Im nordiſchen Winter
wäre dieſe Wunde nur zugefroren und nicht
zugeheilt; aber hier, im Tempel der Welt, wo
Götter begraben liegen, ſtärkte ſich ein edles
Herz und ſchlug für ältere Gräber. Die Für¬
ſtinn, die unter dem Deckmantel des Vaters
dem Sohne nachjagte, ſuchte er weniger als
den alten kalten Lauria und den feurigen
Dian.

In derſelben Zeit ſehnt' er ſich ſchmerzlich
nach ſeinem Schoppe; an dieſer Bruſt, dacht'
er, hätte das Geheimniß der ſeinigen den rech¬
ten Ort und Troſt gefunden. Es war ihm als
hab' er ſeit dieſer Abweſenheit in Einem fort
mit ihm zuſammengelebt und ſich feſter verbrü¬
dert. So wohnen und ſchmelzen die Geiſter im
unſichtbaren Lande zuſammen; und wenn ſich
die Leiber im ſichtbaren wieder begegnen, fin¬
den die Herzen ſich bekannter wieder. Leider

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[48/0060] Stirn und durch das Auge brannte ein düſte¬ rer Geiſt. Gaſpard ſchickte unbemerkt ſeinen Blick al¬ len geheimen Entfaltungen des Jünglings nach. Ein bloßer Nachſchmerz über Liane ſchien ſein Zuſtand nicht zu ſeyn. Im nordiſchen Winter wäre dieſe Wunde nur zugefroren und nicht zugeheilt; aber hier, im Tempel der Welt, wo Götter begraben liegen, ſtärkte ſich ein edles Herz und ſchlug für ältere Gräber. Die Für¬ ſtinn, die unter dem Deckmantel des Vaters dem Sohne nachjagte, ſuchte er weniger als den alten kalten Lauria und den feurigen Dian. In derſelben Zeit ſehnt' er ſich ſchmerzlich nach ſeinem Schoppe; an dieſer Bruſt, dacht' er, hätte das Geheimniß der ſeinigen den rech¬ ten Ort und Troſt gefunden. Es war ihm als hab' er ſeit dieſer Abweſenheit in Einem fort mit ihm zuſammengelebt und ſich feſter verbrü¬ dert. So wohnen und ſchmelzen die Geiſter im unſichtbaren Lande zuſammen; und wenn ſich die Leiber im ſichtbaren wieder begegnen, fin¬ den die Herzen ſich bekannter wieder. Leider hört'

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/60>, abgerufen am 08.05.2024.