Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Augen des Fürsten, bleiben, indeß ich mit Ju¬
liennen nach Deutschland zurückgieng. Länger
aber durft' es nicht dauern, so gern es Deine
Pflegemutter gesehen hätte; Du wurdest Dei¬
nem Vater zu ähnlich. Diese Ähnlichkeit kostete
mich manche Thräne -- denn darum durftest
Du nie aus B. nach P. (Pestiz), so lange der
Fürst noch Jugendzüge trug -- sogar die Por¬
traits seiner Jugendgestalt mußt' ich darum
allmählig wegstehlen und sie dem treuen Spe¬
ner zu bewahren geben -- ja dieser gelehrte
Mann sagte mir, daß ein erhobner Spiegel,
der junge Gesichter zu alten formte, bei Seite
zu bringen sey, weil Du sogleich als der alte
Fürst daständest, wenn Du hineinsähest -- O,
da mein guter, frommer Fürst in seinen mat¬
ten Tagen allerlei unbewußt ausplauderte und
mich über das sichere Schicksal des wichtigen
Geheimnisses immer sorglicher machte: wie er¬
schrak ich, als er einstens am Morgen (zum
Glück war nur Spener und eine gewisse Toch¬
ter des Ministers v. Fr. dabei, eine sanfte,
fromme Seele) geradezu und freudig sagte:
"unser lieber Sohn, Eleonore, war gestern

Augen des Fürſten, bleiben, indeß ich mit Ju¬
liennen nach Deutſchland zurückgieng. Länger
aber durft' es nicht dauern, ſo gern es Deine
Pflegemutter geſehen hätte; Du wurdeſt Dei¬
nem Vater zu ähnlich. Dieſe Ähnlichkeit koſtete
mich manche Thräne — denn darum durfteſt
Du nie aus B. nach P. (Peſtiz), ſo lange der
Fürſt noch Jugendzüge trug — ſogar die Por¬
traits ſeiner Jugendgeſtalt mußt' ich darum
allmählig wegſtehlen und ſie dem treuen Spe¬
ner zu bewahren geben — ja dieſer gelehrte
Mann ſagte mir, daß ein erhobner Spiegel,
der junge Geſichter zu alten formte, bei Seite
zu bringen ſey, weil Du ſogleich als der alte
Fürſt daſtändeſt, wenn Du hineinſäheſt — O,
da mein guter, frommer Fürſt in ſeinen mat¬
ten Tagen allerlei unbewußt ausplauderte und
mich über das ſichere Schickſal des wichtigen
Geheimniſſes immer ſorglicher machte: wie er¬
ſchrak ich, als er einſtens am Morgen (zum
Glück war nur Spener und eine gewiſſe Toch¬
ter des Miniſters v. Fr. dabei, eine ſanfte,
fromme Seele) geradezu und freudig ſagte:
„unſer lieber Sohn, Eleonore, war geſtern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0542" n="530"/>
Augen des Für&#x017F;ten, bleiben, indeß ich mit Ju¬<lb/>
liennen nach Deut&#x017F;chland zurückgieng. Länger<lb/>
aber durft' es nicht dauern, &#x017F;o gern es Deine<lb/>
Pflegemutter ge&#x017F;ehen hätte; Du wurde&#x017F;t Dei¬<lb/>
nem Vater zu ähnlich. Die&#x017F;e Ähnlichkeit ko&#x017F;tete<lb/>
mich manche Thräne &#x2014; denn darum durfte&#x017F;t<lb/>
Du nie aus <hi rendition="#aq">B</hi>. nach <hi rendition="#aq">P</hi>. (Pe&#x017F;tiz), &#x017F;o lange der<lb/>
Für&#x017F;t noch Jugendzüge trug &#x2014; &#x017F;ogar die Por¬<lb/>
traits &#x017F;einer Jugendge&#x017F;talt mußt' ich darum<lb/>
allmählig weg&#x017F;tehlen und &#x017F;ie dem treuen Spe¬<lb/>
ner zu bewahren geben &#x2014; ja die&#x017F;er gelehrte<lb/>
Mann &#x017F;agte mir, daß ein erhobner Spiegel,<lb/>
der junge Ge&#x017F;ichter zu alten formte, bei Seite<lb/>
zu bringen &#x017F;ey, weil Du &#x017F;ogleich als der alte<lb/>
Für&#x017F;t da&#x017F;tände&#x017F;t, wenn Du hinein&#x017F;ähe&#x017F;t &#x2014; O,<lb/>
da mein guter, frommer Für&#x017F;t in &#x017F;einen mat¬<lb/>
ten Tagen allerlei unbewußt ausplauderte und<lb/>
mich über das &#x017F;ichere Schick&#x017F;al des wichtigen<lb/>
Geheimni&#x017F;&#x017F;es immer &#x017F;orglicher machte: wie er¬<lb/>
&#x017F;chrak ich, als er ein&#x017F;tens am Morgen (zum<lb/>
Glück war nur Spener und eine gewi&#x017F;&#x017F;e Toch¬<lb/>
ter des Mini&#x017F;ters <hi rendition="#aq">v. Fr</hi>. dabei, eine &#x017F;anfte,<lb/>
fromme Seele) geradezu und freudig &#x017F;agte:<lb/>
&#x201E;un&#x017F;er lieber Sohn, Eleonore, war ge&#x017F;tern<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[530/0542] Augen des Fürſten, bleiben, indeß ich mit Ju¬ liennen nach Deutſchland zurückgieng. Länger aber durft' es nicht dauern, ſo gern es Deine Pflegemutter geſehen hätte; Du wurdeſt Dei¬ nem Vater zu ähnlich. Dieſe Ähnlichkeit koſtete mich manche Thräne — denn darum durfteſt Du nie aus B. nach P. (Peſtiz), ſo lange der Fürſt noch Jugendzüge trug — ſogar die Por¬ traits ſeiner Jugendgeſtalt mußt' ich darum allmählig wegſtehlen und ſie dem treuen Spe¬ ner zu bewahren geben — ja dieſer gelehrte Mann ſagte mir, daß ein erhobner Spiegel, der junge Geſichter zu alten formte, bei Seite zu bringen ſey, weil Du ſogleich als der alte Fürſt daſtändeſt, wenn Du hineinſäheſt — O, da mein guter, frommer Fürſt in ſeinen mat¬ ten Tagen allerlei unbewußt ausplauderte und mich über das ſichere Schickſal des wichtigen Geheimniſſes immer ſorglicher machte: wie er¬ ſchrak ich, als er einſtens am Morgen (zum Glück war nur Spener und eine gewiſſe Toch¬ ter des Miniſters v. Fr. dabei, eine ſanfte, fromme Seele) geradezu und freudig ſagte: „unſer lieber Sohn, Eleonore, war geſtern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/542
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/542>, abgerufen am 22.11.2024.