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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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verletzter Eitelkeit, denn er war der schönste
Mann und aller Siege gewohnt, war zu allen
Maaßregeln und Kämpfen gegen den stolzen
Hof bereit. Nur der Fürst billigte es nicht, er
fand eine Erziehung außer Landes u. s. w. ganz
zweideutig und mißlich. Aber wir Weiber ver¬
webten uns eben desto tiefer in unsere roman¬
tische Idee.

Zwei Tage darauf gebahr ich Dich und --
Julienne zugleich. Auf diesen reichen Zufall
hatte niemand gerechnet. Hier warf sich vieles
ganz anders und leichter sogar. "Ich behalte
(sagt' ich zur Gräfin) meine Tochter, Du be¬
hältst die Deinige; über Albano (so soll er
heissen) entscheide der Fürst." Dein Vater er¬
laubt' es, daß Du zwar als Sohn des Geafen,
aber unter seinen Augen, bei dem rechtschaffe¬
nen W. (Wehrfritz), erzogen würdest. Indeß
traf er Vorkehrungen, deren guten Werth ich
damals im phantastischen Rausche der Freund¬
schaft nicht ganz abzuwägen im Stande war.
Jetzt wunder' ich mich nur, daß ich damals
so muthig war. Die Dokumente Deiner Ab¬
stammung wurden nicht nur dreimal gemacht

verletzter Eitelkeit, denn er war der ſchönſte
Mann und aller Siege gewohnt, war zu allen
Maaßregeln und Kämpfen gegen den ſtolzen
Hof bereit. Nur der Fürſt billigte es nicht, er
fand eine Erziehung außer Landes u. ſ. w. ganz
zweideutig und mißlich. Aber wir Weiber ver¬
webten uns eben deſto tiefer in unſere roman¬
tiſche Idee.

Zwei Tage darauf gebahr ich Dich und —
Julienne zugleich. Auf dieſen reichen Zufall
hatte niemand gerechnet. Hier warf ſich vieles
ganz anders und leichter ſogar. „Ich behalte
(ſagt' ich zur Gräfin) meine Tochter, Du be¬
hältſt die Deinige; über Albano (ſo ſoll er
heiſſen) entſcheide der Fürſt.“ Dein Vater er¬
laubt' es, daß Du zwar als Sohn des Geafen,
aber unter ſeinen Augen, bei dem rechtſchaffe¬
nen W. (Wehrfritz), erzogen würdeſt. Indeß
traf er Vorkehrungen, deren guten Werth ich
damals im phantaſtiſchen Rauſche der Freund¬
ſchaft nicht ganz abzuwägen im Stande war.
Jetzt wunder' ich mich nur, daß ich damals
ſo muthig war. Die Dokumente Deiner Ab¬
ſtammung wurden nicht nur dreimal gemacht

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[527/0539] verletzter Eitelkeit, denn er war der ſchönſte Mann und aller Siege gewohnt, war zu allen Maaßregeln und Kämpfen gegen den ſtolzen Hof bereit. Nur der Fürſt billigte es nicht, er fand eine Erziehung außer Landes u. ſ. w. ganz zweideutig und mißlich. Aber wir Weiber ver¬ webten uns eben deſto tiefer in unſere roman¬ tiſche Idee. Zwei Tage darauf gebahr ich Dich und — Julienne zugleich. Auf dieſen reichen Zufall hatte niemand gerechnet. Hier warf ſich vieles ganz anders und leichter ſogar. „Ich behalte (ſagt' ich zur Gräfin) meine Tochter, Du be¬ hältſt die Deinige; über Albano (ſo ſoll er heiſſen) entſcheide der Fürſt.“ Dein Vater er¬ laubt' es, daß Du zwar als Sohn des Geafen, aber unter ſeinen Augen, bei dem rechtſchaffe¬ nen W. (Wehrfritz), erzogen würdeſt. Indeß traf er Vorkehrungen, deren guten Werth ich damals im phantaſtiſchen Rauſche der Freund¬ ſchaft nicht ganz abzuwägen im Stande war. Jetzt wunder' ich mich nur, daß ich damals ſo muthig war. Die Dokumente Deiner Ab¬ ſtammung wurden nicht nur dreimal gemacht

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/539>, abgerufen am 15.05.2024.