wollte nichts weiter wissen; im Kasten waren noch Hör- und Sprachröhre, eine Gesichtshaut, blaues Glas, durch welches die Landschaften beschneiet erscheinen, seidene Blumen mit Pul¬ ver von einem endormeur u. s. w.; Albano wollte nichts mehr sehen.
"Böses Wesen! wer stiftete Dich dazu an?" fragte Albano. "Der starke Bruder, (sagte der Oheim, denn so nannte er den Ritter gewöhn¬ lich,) er gab mir zu leben und er wollte mich todtschießen; denn er lacht sehr, wenn die Menschen sehr hübsch betrogen werden." -- "O keinen Laut darüber (rief Albano peinlich, dem der Zorn gegen den Ritter alle Adern mit Thränen-Feuer und Gift aussprützte) -- Un¬ glücklicher! wie wurdest Du der?" -- "So? Bin ich unglücklich?" fragt' er eiskalt. Er be¬ richtete -- aber abgebrochen und verworren, welches ihm in jeder Sprache in seiner eignen Rolle begegnete, indeß er in fremdem Nah¬ men, z.B. des Kahlkopfs, gut und lange spre¬ chen konnte --: er habe ein schwarz-graues und ein blaues Auge, seit der Mannbarkeit einen verborgnen Kahlkopf, und ein besonde¬
wollte nichts weiter wiſſen; im Kaſten waren noch Hör- und Sprachröhre, eine Geſichtshaut, blaues Glas, durch welches die Landſchaften beſchneiet erſcheinen, ſeidene Blumen mit Pul¬ ver von einem endormeur u. ſ. w.; Albano wollte nichts mehr ſehen.
„Böſes Weſen! wer ſtiftete Dich dazu an?“ fragte Albano. „Der ſtarke Bruder, (ſagte der Oheim, denn ſo nannte er den Ritter gewöhn¬ lich,) er gab mir zu leben und er wollte mich todtſchießen; denn er lacht ſehr, wenn die Menſchen ſehr hübſch betrogen werden.“ — „O keinen Laut darüber (rief Albano peinlich, dem der Zorn gegen den Ritter alle Adern mit Thränen-Feuer und Gift ausſprützte) — Un¬ glücklicher! wie wurdeſt Du der?“ — „So? Bin ich unglücklich?“ fragt' er eiskalt. Er be¬ richtete — aber abgebrochen und verworren, welches ihm in jeder Sprache in ſeiner eignen Rolle begegnete, indeß er in fremdem Nah¬ men, z.B. des Kahlkopfs, gut und lange ſpre¬ chen konnte —: er habe ein ſchwarz-graues und ein blaues Auge, ſeit der Mannbarkeit einen verborgnen Kahlkopf, und ein beſonde¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0532"n="520"/>
wollte nichts weiter wiſſen; im Kaſten waren<lb/>
noch Hör- und Sprachröhre, eine Geſichtshaut,<lb/>
blaues Glas, durch welches die Landſchaften<lb/>
beſchneiet erſcheinen, ſeidene Blumen mit Pul¬<lb/>
ver von einem <hirendition="#aq">endormeur</hi> u. ſ. w.; Albano<lb/>
wollte nichts mehr ſehen.</p><lb/><p>„Böſes Weſen! wer ſtiftete Dich dazu an?“<lb/>
fragte Albano. „Der ſtarke Bruder, (ſagte der<lb/>
Oheim, denn ſo nannte er den Ritter gewöhn¬<lb/>
lich,) er gab mir zu leben und er wollte mich<lb/>
todtſchießen; denn er lacht ſehr, wenn die<lb/>
Menſchen ſehr hübſch betrogen werden.“—<lb/>„O keinen Laut darüber (rief Albano peinlich,<lb/>
dem der Zorn gegen den Ritter alle Adern mit<lb/>
Thränen-Feuer und Gift ausſprützte) — Un¬<lb/>
glücklicher! wie wurdeſt Du der?“—„So?<lb/>
Bin ich unglücklich?“ fragt' er eiskalt. Er be¬<lb/>
richtete — aber abgebrochen und verworren,<lb/>
welches ihm in jeder Sprache in ſeiner eignen<lb/>
Rolle begegnete, indeß er in fremdem Nah¬<lb/>
men, z.B. des Kahlkopfs, gut und lange ſpre¬<lb/>
chen konnte —: er habe ein ſchwarz-graues<lb/>
und ein blaues Auge, ſeit der Mannbarkeit<lb/>
einen verborgnen Kahlkopf, und ein beſonde¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[520/0532]
wollte nichts weiter wiſſen; im Kaſten waren
noch Hör- und Sprachröhre, eine Geſichtshaut,
blaues Glas, durch welches die Landſchaften
beſchneiet erſcheinen, ſeidene Blumen mit Pul¬
ver von einem endormeur u. ſ. w.; Albano
wollte nichts mehr ſehen.
„Böſes Weſen! wer ſtiftete Dich dazu an?“
fragte Albano. „Der ſtarke Bruder, (ſagte der
Oheim, denn ſo nannte er den Ritter gewöhn¬
lich,) er gab mir zu leben und er wollte mich
todtſchießen; denn er lacht ſehr, wenn die
Menſchen ſehr hübſch betrogen werden.“ —
„O keinen Laut darüber (rief Albano peinlich,
dem der Zorn gegen den Ritter alle Adern mit
Thränen-Feuer und Gift ausſprützte) — Un¬
glücklicher! wie wurdeſt Du der?“ — „So?
Bin ich unglücklich?“ fragt' er eiskalt. Er be¬
richtete — aber abgebrochen und verworren,
welches ihm in jeder Sprache in ſeiner eignen
Rolle begegnete, indeß er in fremdem Nah¬
men, z.B. des Kahlkopfs, gut und lange ſpre¬
chen konnte —: er habe ein ſchwarz-graues
und ein blaues Auge, ſeit der Mannbarkeit
einen verborgnen Kahlkopf, und ein beſonde¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/532>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.