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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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mich aber so eifrig zu Dir haben? Besonders
weißt Du etwas von meinem Schoppe, so fleh'
ich darum." -- "Ich antworte Dir; (sagte sie
weinend und verwundert,) aber Bruder, be¬
theuere, daß Deine Stille nicht wieder der Vor¬
hang eines neuen Unglücks ist -- Ich kenn'
Euch Männer darin, man sollt' Euch alle has¬
sen und ich thu' es auch." -- "Ich habe nichts
Trübes vor, vor Gott bezeug' ich's. Ihr Wei¬
ber, die ihr euere Hölle erst ausgiessen wollt
mit Thränen und ausblasen mit Seufzern, be¬
greift nicht, daß oft eine einzige Stunde Den¬
ken dem Manne einen Stab oder Flügel geben
kann, der ihn auf einmal aus der Hölle hebt
und dann mag sie fortbrennen." -- "So zeige
mir (sagte sie weinerlich-komisch) Deinen Flü¬
gel." -- "Daß ich (versetzt' er) nicht auf Men¬
schen baue, sondern auf den Gott in mir und
über mir. Der fremde Epheu geht um uns
herum, an uns herauf, steht als ein zweiter
Gipfel neben unserem und der ist dadurch ver¬
dorrt. Die Geister sollen neben einander, nicht
auf einander wachsen. Wir sollten lieben wie
Gott, als Unvergängliche die Vergänglichen." --

"Recht

mich aber ſo eifrig zu Dir haben? Beſonders
weißt Du etwas von meinem Schoppe, ſo fleh'
ich darum.“ — „Ich antworte Dir; (ſagte ſie
weinend und verwundert,) aber Bruder, be¬
theuere, daß Deine Stille nicht wieder der Vor¬
hang eines neuen Unglücks iſt — Ich kenn'
Euch Männer darin, man ſollt' Euch alle has¬
ſen und ich thu' es auch.“ — „Ich habe nichts
Trübes vor, vor Gott bezeug' ich's. Ihr Wei¬
ber, die ihr euere Hölle erſt ausgieſſen wollt
mit Thränen und ausblaſen mit Seufzern, be¬
greift nicht, daß oft eine einzige Stunde Den¬
ken dem Manne einen Stab oder Flügel geben
kann, der ihn auf einmal aus der Hölle hebt
und dann mag ſie fortbrennen.“ — „So zeige
mir (ſagte ſie weinerlich-komiſch) Deinen Flü¬
gel.“ — „Daß ich (verſetzt' er) nicht auf Men¬
ſchen baue, ſondern auf den Gott in mir und
über mir. Der fremde Epheu geht um uns
herum, an uns herauf, ſteht als ein zweiter
Gipfel neben unſerem und der iſt dadurch ver¬
dorrt. Die Geiſter ſollen neben einander, nicht
auf einander wachſen. Wir ſollten lieben wie
Gott, als Unvergängliche die Vergänglichen.“ —

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[448/0460] mich aber ſo eifrig zu Dir haben? Beſonders weißt Du etwas von meinem Schoppe, ſo fleh' ich darum.“ — „Ich antworte Dir; (ſagte ſie weinend und verwundert,) aber Bruder, be¬ theuere, daß Deine Stille nicht wieder der Vor¬ hang eines neuen Unglücks iſt — Ich kenn' Euch Männer darin, man ſollt' Euch alle has¬ ſen und ich thu' es auch.“ — „Ich habe nichts Trübes vor, vor Gott bezeug' ich's. Ihr Wei¬ ber, die ihr euere Hölle erſt ausgieſſen wollt mit Thränen und ausblaſen mit Seufzern, be¬ greift nicht, daß oft eine einzige Stunde Den¬ ken dem Manne einen Stab oder Flügel geben kann, der ihn auf einmal aus der Hölle hebt und dann mag ſie fortbrennen.“ — „So zeige mir (ſagte ſie weinerlich-komiſch) Deinen Flü¬ gel.“ — „Daß ich (verſetzt' er) nicht auf Men¬ ſchen baue, ſondern auf den Gott in mir und über mir. Der fremde Epheu geht um uns herum, an uns herauf, ſteht als ein zweiter Gipfel neben unſerem und der iſt dadurch ver¬ dorrt. Die Geiſter ſollen neben einander, nicht auf einander wachſen. Wir ſollten lieben wie Gott, als Unvergängliche die Vergänglichen.“ — „Recht

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/460>, abgerufen am 18.05.2024.