Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

nem Regimente, oder weil es nach seinem Tode
noch Rollen für die übrigen Schauspieler nach¬
lässet oder Briefe an mich Betrogene" -- --
"That er das?" fragte Albano. -- "Sie pries
es sogar als genialisch an ihm, (versetzte Ju¬
lienne.) -- Einen Solchen zu lieben, sagt' ich,
oder solche Leute, die ihn lieben, dazu find' ich
in mir kein Herz. Leben Sie denn so wohl
als es gehen mag." Linda antwortete: "ich
hasse alle Wünsche;" gab ihr die Hand, drückte
sie nicht, schwieg still und sah in ihre Nacht.
Sie wußte wenig vom leichten und schlaffen
Abschied der verlohrnen Freundin.

Noch in derselben Nacht reisete Linda,
nachdem sie ganz allein lange mit dem Ritter
gesprochen, in einem Wagen ohne Fackeln, in
ihre Schleier gehüllt, ganz einsam ab und nie¬
mand wußte, ob sie geweinet oder nicht.

Als Albano seine Schwester ausgehört hat¬
te, sagte er mit sanfter, bewegter Stimme:
"schließe Frieden mit der Vergangenheit, sie
kann der Mensch nicht stürmen. Der großen
Unglücklichen lasse die Nacht, in die sie selber
hineingezogen ist. -- Weswegen wolltest Du

nem Regimente, oder weil es nach ſeinem Tode
noch Rollen für die übrigen Schauſpieler nach¬
läſſet oder Briefe an mich Betrogene“ — —
„That er das?“ fragte Albano. — „Sie pries
es ſogar als genialiſch an ihm, (verſetzte Ju¬
lienne.) — Einen Solchen zu lieben, ſagt' ich,
oder ſolche Leute, die ihn lieben, dazu find' ich
in mir kein Herz. Leben Sie denn ſo wohl
als es gehen mag.“ Linda antwortete: „ich
haſſe alle Wünſche;“ gab ihr die Hand, drückte
ſie nicht, ſchwieg ſtill und ſah in ihre Nacht.
Sie wußte wenig vom leichten und ſchlaffen
Abſchied der verlohrnen Freundin.

Noch in derſelben Nacht reiſete Linda,
nachdem ſie ganz allein lange mit dem Ritter
geſprochen, in einem Wagen ohne Fackeln, in
ihre Schleier gehüllt, ganz einſam ab und nie¬
mand wußte, ob ſie geweinet oder nicht.

Als Albano ſeine Schweſter ausgehört hat¬
te, ſagte er mit ſanfter, bewegter Stimme:
„ſchließe Frieden mit der Vergangenheit, ſie
kann der Menſch nicht ſtürmen. Der großen
Unglücklichen laſſe die Nacht, in die ſie ſelber
hineingezogen iſt. — Weswegen wollteſt Du

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0459" n="447"/>
nem Regimente, oder weil es nach &#x017F;einem Tode<lb/>
noch Rollen für die übrigen Schau&#x017F;pieler nach¬<lb/>&#x017F;&#x017F;et oder Briefe an mich Betrogene&#x201C; &#x2014; &#x2014;<lb/>
&#x201E;That er das?&#x201C; fragte Albano. &#x2014; &#x201E;Sie pries<lb/>
es &#x017F;ogar als geniali&#x017F;ch an ihm, (ver&#x017F;etzte Ju¬<lb/>
lienne.) &#x2014; Einen Solchen zu lieben, &#x017F;agt' ich,<lb/>
oder &#x017F;olche Leute, die ihn lieben, dazu find' ich<lb/>
in mir kein Herz. Leben Sie denn &#x017F;o wohl<lb/>
als es gehen mag.&#x201C; Linda antwortete: &#x201E;ich<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;e alle Wün&#x017F;che;&#x201C; gab ihr die Hand, drückte<lb/>
&#x017F;ie nicht, &#x017F;chwieg &#x017F;till und &#x017F;ah in ihre Nacht.<lb/>
Sie wußte wenig vom leichten und &#x017F;chlaffen<lb/>
Ab&#x017F;chied der verlohrnen Freundin.</p><lb/>
          <p>Noch in der&#x017F;elben Nacht rei&#x017F;ete Linda,<lb/>
nachdem &#x017F;ie ganz allein lange mit dem Ritter<lb/>
ge&#x017F;prochen, in einem Wagen ohne Fackeln, in<lb/>
ihre Schleier gehüllt, ganz ein&#x017F;am ab und nie¬<lb/>
mand wußte, ob &#x017F;ie geweinet oder nicht.</p><lb/>
          <p>Als Albano &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter ausgehört hat¬<lb/>
te, &#x017F;agte er mit &#x017F;anfter, bewegter Stimme:<lb/>
&#x201E;&#x017F;chließe Frieden mit der Vergangenheit, &#x017F;ie<lb/>
kann der Men&#x017F;ch nicht &#x017F;türmen. Der großen<lb/>
Unglücklichen la&#x017F;&#x017F;e die Nacht, in die &#x017F;ie &#x017F;elber<lb/>
hineingezogen i&#x017F;t. &#x2014; Weswegen wollte&#x017F;t Du<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0459] nem Regimente, oder weil es nach ſeinem Tode noch Rollen für die übrigen Schauſpieler nach¬ läſſet oder Briefe an mich Betrogene“ — — „That er das?“ fragte Albano. — „Sie pries es ſogar als genialiſch an ihm, (verſetzte Ju¬ lienne.) — Einen Solchen zu lieben, ſagt' ich, oder ſolche Leute, die ihn lieben, dazu find' ich in mir kein Herz. Leben Sie denn ſo wohl als es gehen mag.“ Linda antwortete: „ich haſſe alle Wünſche;“ gab ihr die Hand, drückte ſie nicht, ſchwieg ſtill und ſah in ihre Nacht. Sie wußte wenig vom leichten und ſchlaffen Abſchied der verlohrnen Freundin. Noch in derſelben Nacht reiſete Linda, nachdem ſie ganz allein lange mit dem Ritter geſprochen, in einem Wagen ohne Fackeln, in ihre Schleier gehüllt, ganz einſam ab und nie¬ mand wußte, ob ſie geweinet oder nicht. Als Albano ſeine Schweſter ausgehört hat¬ te, ſagte er mit ſanfter, bewegter Stimme: „ſchließe Frieden mit der Vergangenheit, ſie kann der Menſch nicht ſtürmen. Der großen Unglücklichen laſſe die Nacht, in die ſie ſelber hineingezogen iſt. — Weswegen wollteſt Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/459
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/459>, abgerufen am 22.11.2024.