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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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einer sehenden Kammerfrau. Sie grüßte ihn,
nach ihrer Weise vor andern, nur leicht, sagte
zur Frau: "Justa, bleib' nur hier im Traum¬
tempel, ich gehe hier auf und ab."

Durch diese Einschränkung auf die Perspek¬
tive des Traumtempels schloß sie jedes schöne
sichtbare Zeichen der Liebe aus und Albano
kannte an ihr schon jene stille Zufriedenheit mit
der bloßen Gegenwart des Geliebten so wie
zuweilen die Wildheit ihres süßen Mundes.
Als er sie zitternd berührte und nahe neben sich
wiedersah: so überfiel ihn dieses Wesen voll
Macht mit der ganzen göttlichen Vergangen¬
heit. Aber er verzögerte nicht die Frage der
Hölle: "Linda, wer war Freitag Abends bei
Dir?" "Niemand, Guter; wenn?" versetzte
sie. -- "Im Flötenthal" -- stammelte er.
"Mein blindes Mädchen" antwortete sie ru¬
hig. -- "Wer noch?" fragte er. -- "Gott!
Dein Ton ängstigt mich; (sagte sie,) Roquai¬
rol brachte in jener Nacht den Affen um. Ist
er Dir begegnet?" --

"O schrecklicher Mörder! -- Mir? (rief er.)
Ich war verreiset die ganze Nacht, ich war

einer ſehenden Kammerfrau. Sie grüßte ihn,
nach ihrer Weiſe vor andern, nur leicht, ſagte
zur Frau: „Juſta, bleib' nur hier im Traum¬
tempel, ich gehe hier auf und ab.“

Durch dieſe Einſchränkung auf die Perſpek¬
tive des Traumtempels ſchloß ſie jedes ſchöne
ſichtbare Zeichen der Liebe aus und Albano
kannte an ihr ſchon jene ſtille Zufriedenheit mit
der bloßen Gegenwart des Geliebten ſo wie
zuweilen die Wildheit ihres ſüßen Mundes.
Als er ſie zitternd berührte und nahe neben ſich
wiederſah: ſo überfiel ihn dieſes Weſen voll
Macht mit der ganzen göttlichen Vergangen¬
heit. Aber er verzögerte nicht die Frage der
Hölle: „Linda, wer war Freitag Abends bei
Dir?“ „Niemand, Guter; wenn?“ verſetzte
ſie. — „Im Flötenthal“ — ſtammelte er.
„Mein blindes Mädchen“ antwortete ſie ru¬
hig. — „Wer noch?“ fragte er. — „Gott!
Dein Ton ängſtigt mich; (ſagte ſie,) Roquai¬
rol brachte in jener Nacht den Affen um. Iſt
er Dir begegnet?“ —

„O ſchrecklicher Mörder! — Mir? (rief er.)
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[420/0432] einer ſehenden Kammerfrau. Sie grüßte ihn, nach ihrer Weiſe vor andern, nur leicht, ſagte zur Frau: „Juſta, bleib' nur hier im Traum¬ tempel, ich gehe hier auf und ab.“ Durch dieſe Einſchränkung auf die Perſpek¬ tive des Traumtempels ſchloß ſie jedes ſchöne ſichtbare Zeichen der Liebe aus und Albano kannte an ihr ſchon jene ſtille Zufriedenheit mit der bloßen Gegenwart des Geliebten ſo wie zuweilen die Wildheit ihres ſüßen Mundes. Als er ſie zitternd berührte und nahe neben ſich wiederſah: ſo überfiel ihn dieſes Weſen voll Macht mit der ganzen göttlichen Vergangen¬ heit. Aber er verzögerte nicht die Frage der Hölle: „Linda, wer war Freitag Abends bei Dir?“ „Niemand, Guter; wenn?“ verſetzte ſie. — „Im Flötenthal“ — ſtammelte er. „Mein blindes Mädchen“ antwortete ſie ru¬ hig. — „Wer noch?“ fragte er. — „Gott! Dein Ton ängſtigt mich; (ſagte ſie,) Roquai¬ rol brachte in jener Nacht den Affen um. Iſt er Dir begegnet?“ — „O ſchrecklicher Mörder! — Mir? (rief er.) Ich war verreiſet die ganze Nacht, ich war

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/432>, abgerufen am 22.11.2024.