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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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chel *) am Morgen und zerschneidet das Le¬
ben! Ich bin so müde." Er sah nach dem
Morgenhimmel, aber ein Gewitter, das schon
leise donnerte, überzog die Pforte des Monds.
Er lächelte bitter:

"Auch diese kleine letzte Freude mißgönnt
mir das Geschick! Ich soll den Mond nicht
mehr sehen -- Nun, ich werde wohl höher
kommen als er und sein Gewitter -- Nur wer¬
den mir meine lieben Zuschauer und Zuhörer
des Todes durch den Regen vertrieben -- Ja!
bist du aus, so bin ich aus!" Er zeigte auf
die Flasche.

"Wilde, gräßliche Töne aus der Tiefe her¬
auf! -- Mein blutiges Brautkleid her! Es ist
Zeit, die abgehende Freude wirft einen langen,
wachsenden Schatten hinter sich." Albano und
Julienne erkannten erstarrend im kleinen Rocke,
den man ihm brachte, den mit Blut bespritzten,
den er auf der Redoute getragen, wo er als
Knabe sich vor Linda ermorden wollen. "Sie
sollen es auf meine kalte Brust legen" sagt'

*) Der Mond.

chel *) am Morgen und zerſchneidet das Le¬
ben! Ich bin ſo müde.“ Er ſah nach dem
Morgenhimmel, aber ein Gewitter, das ſchon
leiſe donnerte, überzog die Pforte des Monds.
Er lächelte bitter:

„Auch dieſe kleine letzte Freude mißgönnt
mir das Geſchick! Ich ſoll den Mond nicht
mehr ſehen — Nun, ich werde wohl höher
kommen als er und ſein Gewitter — Nur wer¬
den mir meine lieben Zuſchauer und Zuhörer
des Todes durch den Regen vertrieben — Ja!
biſt du aus, ſo bin ich aus!“ Er zeigte auf
die Flaſche.

„Wilde, gräßliche Töne aus der Tiefe her¬
auf! — Mein blutiges Brautkleid her! Es iſt
Zeit, die abgehende Freude wirft einen langen,
wachſenden Schatten hinter ſich.“ Albano und
Julienne erkannten erſtarrend im kleinen Rocke,
den man ihm brachte, den mit Blut beſpritzten,
den er auf der Redoute getragen, wo er als
Knabe ſich vor Linda ermorden wollen. „Sie
ſollen es auf meine kalte Bruſt legen“ ſagt'

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[409/0421] chel *) am Morgen und zerſchneidet das Le¬ ben! Ich bin ſo müde.“ Er ſah nach dem Morgenhimmel, aber ein Gewitter, das ſchon leiſe donnerte, überzog die Pforte des Monds. Er lächelte bitter: „Auch dieſe kleine letzte Freude mißgönnt mir das Geſchick! Ich ſoll den Mond nicht mehr ſehen — Nun, ich werde wohl höher kommen als er und ſein Gewitter — Nur wer¬ den mir meine lieben Zuſchauer und Zuhörer des Todes durch den Regen vertrieben — Ja! biſt du aus, ſo bin ich aus!“ Er zeigte auf die Flaſche. „Wilde, gräßliche Töne aus der Tiefe her¬ auf! — Mein blutiges Brautkleid her! Es iſt Zeit, die abgehende Freude wirft einen langen, wachſenden Schatten hinter ſich.“ Albano und Julienne erkannten erſtarrend im kleinen Rocke, den man ihm brachte, den mit Blut beſpritzten, den er auf der Redoute getragen, wo er als Knabe ſich vor Linda ermorden wollen. „Sie ſollen es auf meine kalte Bruſt legen“ ſagt' *) Der Mond.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/421>, abgerufen am 22.11.2024.