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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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von uns und sich." -- Froh und friedlich schloß
der zweite Akt.

"Diablesse!" rief der Spanier und streckte
seine Rechte hoch in die Luft.

"Flüchtig (fieng die schwarze Dohle un¬
ter Tönen an) ist der Mensch, flüchtiger ist
sein Glück, aber früher stirbt der Freund mit
seinem Wort." --

Der dritte Akt drang sofort nach und hob
durch die ununterbrochne Fortsetzung des Kunst-
Zaubers -- welche jedem Schauspiel und jedem
gelesenen Kunstwerk gebührte -- alles prosai¬
sche kalte Erstaunen auf, sogar das über das
wunderbare Sprechen der Dohle auf dem See.
Eine große schöne stolze Frau erschien -- Athe¬
nais, (von der Kaufmannsfrau, Roquairol's
Nebengeliebte, gespielt) voll Hoffnung auf ihre
alte Freundinn Lilia, die sich "die kleine Athe¬
nais" nannte, und süß nachträumend den Traum
der vorigen Zeiten. Lilia sinkt in ihre Arme
mit doppelten Thränen; in ihrer Hand trägt
Athenais ja drei Himmel und drei Höllen.
"Wie schön kommst Du wieder! -- Mein ar¬
mer Bruder!" sagte Lilia leise. -- "Nenn ihn

nicht,

von uns und ſich.“ — Froh und friedlich ſchloß
der zweite Akt.

Diablesse!“ rief der Spanier und ſtreckte
ſeine Rechte hoch in die Luft.

„Flüchtig (fieng die ſchwarze Dohle un¬
ter Tönen an) iſt der Menſch, flüchtiger iſt
ſein Glück, aber früher ſtirbt der Freund mit
ſeinem Wort.“ —

Der dritte Akt drang ſofort nach und hob
durch die ununterbrochne Fortſetzung des Kunſt-
Zaubers — welche jedem Schauſpiel und jedem
geleſenen Kunſtwerk gebührte — alles proſai¬
ſche kalte Erſtaunen auf, ſogar das über das
wunderbare Sprechen der Dohle auf dem See.
Eine große ſchöne ſtolze Frau erſchien — Athe¬
nais, (von der Kaufmannsfrau, Roquairol's
Nebengeliebte, geſpielt) voll Hoffnung auf ihre
alte Freundinn Lilia, die ſich „die kleine Athe¬
nais“ nannte, und ſüß nachträumend den Traum
der vorigen Zeiten. Lilia ſinkt in ihre Arme
mit doppelten Thränen; in ihrer Hand trägt
Athenais ja drei Himmel und drei Höllen.
„Wie ſchön kommſt Du wieder! — Mein ar¬
mer Bruder!“ ſagte Lilia leiſe. — „Nenn ihn

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[400/0412] von uns und ſich.“ — Froh und friedlich ſchloß der zweite Akt. „Diablesse!“ rief der Spanier und ſtreckte ſeine Rechte hoch in die Luft. „Flüchtig (fieng die ſchwarze Dohle un¬ ter Tönen an) iſt der Menſch, flüchtiger iſt ſein Glück, aber früher ſtirbt der Freund mit ſeinem Wort.“ — Der dritte Akt drang ſofort nach und hob durch die ununterbrochne Fortſetzung des Kunſt- Zaubers — welche jedem Schauſpiel und jedem geleſenen Kunſtwerk gebührte — alles proſai¬ ſche kalte Erſtaunen auf, ſogar das über das wunderbare Sprechen der Dohle auf dem See. Eine große ſchöne ſtolze Frau erſchien — Athe¬ nais, (von der Kaufmannsfrau, Roquairol's Nebengeliebte, geſpielt) voll Hoffnung auf ihre alte Freundinn Lilia, die ſich „die kleine Athe¬ nais“ nannte, und ſüß nachträumend den Traum der vorigen Zeiten. Lilia ſinkt in ihre Arme mit doppelten Thränen; in ihrer Hand trägt Athenais ja drei Himmel und drei Höllen. „Wie ſchön kommſt Du wieder! — Mein ar¬ mer Bruder!“ ſagte Lilia leiſe. — „Nenn ihn nicht,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/412>, abgerufen am 22.11.2024.