"Der arme Mensch! Aber ich that, glaub' ich, doch nicht Recht, da ich einst in der Tar¬ tarushöhle Dir Ungesehenen im Voraus ent¬ sagte aus Liebe gegen den Freund."
"Gewiß nicht; aber wie kommen wir beide auf dieses unheimliche Wesen?" sagte sie küssend.
"Heimlich möcht' ich's eher nennen" ver¬ setzt' er, entbrennend in hassender Liebe, im Zwiespalt der Rache und Lust und entschlossen, nun den Leichenschleier über ihre ganze Zukunft zu weben Er schlug die schwarzen Adlerschwin¬ gen um das Opfer, und erstickte und erweckte Küsse, er riß die Orangenblüthen von ihrer Brust und warf sie zurück. "Liebe ist Leben und Sterben und Himmel und Hölle, (sagt' er,) Liebe ist Mord und Gluth und Tod und Schmerz und Lust -- Kaligula wollte seine Zä¬ sonia foltern lassen, um nur von ihr zu wis¬ sen, warum er sie so liebe -- ich wäre das auch im Stand."
"Göttlicher Albano! trinke nicht mehr so! Du bist zu ungestüm, Deine Augenbraunen stürmen sogar mit -- wie bist Du denn?"
„Der arme Menſch! Aber ich that, glaub' ich, doch nicht Recht, da ich einſt in der Tar¬ tarushöhle Dir Ungeſehenen im Voraus ent¬ ſagte aus Liebe gegen den Freund.“
„Gewiß nicht; aber wie kommen wir beide auf dieſes unheimliche Weſen?“ ſagte ſie küſſend.
„Heimlich möcht' ich's eher nennen“ ver¬ ſetzt' er, entbrennend in haſſender Liebe, im Zwieſpalt der Rache und Luſt und entſchloſſen, nun den Leichenſchleier über ihre ganze Zukunft zu weben Er ſchlug die ſchwarzen Adlerſchwin¬ gen um das Opfer, und erſtickte und erweckte Küſſe, er riß die Orangenblüthen von ihrer Bruſt und warf ſie zurück. „Liebe iſt Leben und Sterben und Himmel und Hölle, (ſagt' er,) Liebe iſt Mord und Gluth und Tod und Schmerz und Luſt — Kaligula wollte ſeine Zä¬ ſonia foltern laſſen, um nur von ihr zu wis¬ ſen, warum er ſie ſo liebe — ich wäre das auch im Stand.“
„Göttlicher Albano! trinke nicht mehr ſo! Du biſt zu ungeſtüm, Deine Augenbraunen ſtürmen ſogar mit — wie biſt Du denn?“
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„Der arme Menſch! Aber ich that, glaub'
ich, doch nicht Recht, da ich einſt in der Tar¬
tarushöhle Dir Ungeſehenen im Voraus ent¬
ſagte aus Liebe gegen den Freund.“
„Gewiß nicht; aber wie kommen wir beide
auf dieſes unheimliche Weſen?“ ſagte ſie
küſſend.
„Heimlich möcht' ich's eher nennen“ ver¬
ſetzt' er, entbrennend in haſſender Liebe, im
Zwieſpalt der Rache und Luſt und entſchloſſen,
nun den Leichenſchleier über ihre ganze Zukunft
zu weben Er ſchlug die ſchwarzen Adlerſchwin¬
gen um das Opfer, und erſtickte und erweckte
Küſſe, er riß die Orangenblüthen von ihrer
Bruſt und warf ſie zurück. „Liebe iſt Leben
und Sterben und Himmel und Hölle, (ſagt'
er,) Liebe iſt Mord und Gluth und Tod und
Schmerz und Luſt — Kaligula wollte ſeine Zä¬
ſonia foltern laſſen, um nur von ihr zu wis¬
ſen, warum er ſie ſo liebe — ich wäre das
auch im Stand.“
„Göttlicher Albano! trinke nicht mehr ſo!
Du biſt zu ungeſtüm, Deine Augenbraunen
ſtürmen ſogar mit — wie biſt Du denn?“
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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