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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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oben mitgetheilte Blatt an Linda. Alles war
berechnet und abgethan und jede Hülfe des
Zufalls in den Plan gewebt. Sein Trauer¬
spiel war von seinen Bekannten längst einge¬
lernt, obwohl niemals einprobirt, weil er, wie
er sagte, die Mitspieler selber mit seiner Rolle
mitten im Spiele überraschen wollte. Die Freu¬
de, die er von jeher hatte, Abschied zu neh¬
men, -- weil ihn hier die Rührung zugleich
durch Kürze und Stärke erquickte -- macht' er
sich bei so vielen als ihn liebten. Von Ra¬
bette schied er so stürmisch-weich, daß sie er¬
schrocken zu ihm sagte: "Karl, das bedeutet
doch nichts Böses?" -- "Jetzt ist alles böse
an mir" sagt' er.

Durch Verwendung der Fürstinn waren für
sein Trauerspiel auf den nächsten Tag die be¬
deutendsten Zuschauer geworben, auch Gaspard
und Julienne sammt dem Hof. Das Geheim¬
niß zog an; auch der Fürstinn war seine Rolle
verdeckt. Nur seinen Vater, der dem Hof gern
folgen wollte, strich er aus der Zahl durch ei¬
nen großen Zorn, worein er ihn setzte, weil er
ihn mit keiner andern als dieser Dornhecke ab¬

oben mitgetheilte Blatt an Linda. Alles war
berechnet und abgethan und jede Hülfe des
Zufalls in den Plan gewebt. Sein Trauer¬
ſpiel war von ſeinen Bekannten längſt einge¬
lernt, obwohl niemals einprobirt, weil er, wie
er ſagte, die Mitſpieler ſelber mit ſeiner Rolle
mitten im Spiele überraſchen wollte. Die Freu¬
de, die er von jeher hatte, Abſchied zu neh¬
men, — weil ihn hier die Rührung zugleich
durch Kürze und Stärke erquickte — macht' er
ſich bei ſo vielen als ihn liebten. Von Ra¬
bette ſchied er ſo ſtürmisch-weich, daß ſie er¬
ſchrocken zu ihm ſagte: „Karl, das bedeutet
doch nichts Böſes?“ — „Jetzt iſt alles böſe
an mir“ ſagt' er.

Durch Verwendung der Fürſtinn waren für
ſein Trauerſpiel auf den nächſten Tag die be¬
deutendſten Zuſchauer geworben, auch Gaſpard
und Julienne ſammt dem Hof. Das Geheim¬
niß zog an; auch der Fürſtinn war ſeine Rolle
verdeckt. Nur ſeinen Vater, der dem Hof gern
folgen wollte, ſtrich er aus der Zahl durch ei¬
nen großen Zorn, worein er ihn ſetzte, weil er
ihn mit keiner andern als dieſer Dornhecke ab¬

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[366/0378] oben mitgetheilte Blatt an Linda. Alles war berechnet und abgethan und jede Hülfe des Zufalls in den Plan gewebt. Sein Trauer¬ ſpiel war von ſeinen Bekannten längſt einge¬ lernt, obwohl niemals einprobirt, weil er, wie er ſagte, die Mitſpieler ſelber mit ſeiner Rolle mitten im Spiele überraſchen wollte. Die Freu¬ de, die er von jeher hatte, Abſchied zu neh¬ men, — weil ihn hier die Rührung zugleich durch Kürze und Stärke erquickte — macht' er ſich bei ſo vielen als ihn liebten. Von Ra¬ bette ſchied er ſo ſtürmisch-weich, daß ſie er¬ ſchrocken zu ihm ſagte: „Karl, das bedeutet doch nichts Böſes?“ — „Jetzt iſt alles böſe an mir“ ſagt' er. Durch Verwendung der Fürſtinn waren für ſein Trauerſpiel auf den nächſten Tag die be¬ deutendſten Zuſchauer geworben, auch Gaſpard und Julienne ſammt dem Hof. Das Geheim¬ niß zog an; auch der Fürſtinn war ſeine Rolle verdeckt. Nur ſeinen Vater, der dem Hof gern folgen wollte, ſtrich er aus der Zahl durch ei¬ nen großen Zorn, worein er ihn ſetzte, weil er ihn mit keiner andern als dieſer Dornhecke ab¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/378>, abgerufen am 22.11.2024.