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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Was kann sie geben, was ich ihm nicht drei¬
fach biete? Ich will's ihm geben, mein Glück,
mein Daseyn, auch meine Freiheit, ich kann
ihn so gut heirathen wie sie, ich will's . . . .
O sprich, Julienne! Aber Du bist eine kalte
Deutsche und ihr heimlich zugethan aus glei¬
cher Gottesfurcht. O Gott, Julienne, bin ich
denn schön? Betheuer' es mir doch. Bin ich
der Verklärten gar nicht ähnlich? Säh' ich nur
so aus wie er es gerade wollte! Warum war
ich nicht seine erste Liebe, und seine Liane und
wäre auch gestorben? -- Gute Julienne, war¬
um sprichst Du nicht?" --

"Lasse mich nur sprechen" sagte diese, wie¬
wohl nicht ganz wahr. Sie war ergriffen und
gestraft von Linda's treffender Wahrheit und
vom eignen Bewußtseyn, daß sie einen Plan,
Linda's Vorurtheile gegen die Ehe aufzulösen,
angelegt, dessen Hülfsmittel ihr von Linda ge¬
rade als Rechtfertigungen der Eifersucht vorge¬
zählt worden; und daß sie einen Felsen auf der
Spitze eines Felsen in Bewegung und in den
Fall gebracht, den sie nun nicht mehr regieren
konnte. Auch war sie betäubt, ja erzürnt von

Was kann ſie geben, was ich ihm nicht drei¬
fach biete? Ich will's ihm geben, mein Glück,
mein Daſeyn, auch meine Freiheit, ich kann
ihn ſo gut heirathen wie ſie, ich will's . . . .
O ſprich, Julienne! Aber Du biſt eine kalte
Deutſche und ihr heimlich zugethan aus glei¬
cher Gottesfurcht. O Gott, Julienne, bin ich
denn ſchön? Betheuer' es mir doch. Bin ich
der Verklärten gar nicht ähnlich? Säh' ich nur
ſo aus wie er es gerade wollte! Warum war
ich nicht ſeine erſte Liebe, und ſeine Liane und
wäre auch geſtorben? — Gute Julienne, war¬
um ſprichſt Du nicht?“ —

„Laſſe mich nur ſprechen“ ſagte dieſe, wie¬
wohl nicht ganz wahr. Sie war ergriffen und
geſtraft von Linda's treffender Wahrheit und
vom eignen Bewußtſeyn, daß ſie einen Plan,
Linda's Vorurtheile gegen die Ehe aufzulöſen,
angelegt, deſſen Hülfsmittel ihr von Linda ge¬
rade als Rechtfertigungen der Eiferſucht vorge¬
zählt worden; und daß ſie einen Felſen auf der
Spitze eines Felſen in Bewegung und in den
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konnte. Auch war ſie betäubt, ja erzürnt von

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[345/0357] Was kann ſie geben, was ich ihm nicht drei¬ fach biete? Ich will's ihm geben, mein Glück, mein Daſeyn, auch meine Freiheit, ich kann ihn ſo gut heirathen wie ſie, ich will's . . . . O ſprich, Julienne! Aber Du biſt eine kalte Deutſche und ihr heimlich zugethan aus glei¬ cher Gottesfurcht. O Gott, Julienne, bin ich denn ſchön? Betheuer' es mir doch. Bin ich der Verklärten gar nicht ähnlich? Säh' ich nur ſo aus wie er es gerade wollte! Warum war ich nicht ſeine erſte Liebe, und ſeine Liane und wäre auch geſtorben? — Gute Julienne, war¬ um ſprichſt Du nicht?“ — „Laſſe mich nur ſprechen“ ſagte dieſe, wie¬ wohl nicht ganz wahr. Sie war ergriffen und geſtraft von Linda's treffender Wahrheit und vom eignen Bewußtſeyn, daß ſie einen Plan, Linda's Vorurtheile gegen die Ehe aufzulöſen, angelegt, deſſen Hülfsmittel ihr von Linda ge¬ rade als Rechtfertigungen der Eiferſucht vorge¬ zählt worden; und daß ſie einen Felſen auf der Spitze eines Felſen in Bewegung und in den Fall gebracht, den ſie nun nicht mehr regieren konnte. Auch war ſie betäubt, ja erzürnt von

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/357>, abgerufen am 22.11.2024.