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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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chen; überall fanden sie ausgeweißte geordnete
Zimmer, Blumen und Weinreben an Fenstern,
schöne Weiber und Kinder, und bald eine Flöte,
bald eine Violine, und nirgends ein spinnen¬
des Kind. In allen hatte sie Aufträge zu ge¬
ben und was bloßer Spaziergang schien, war
auch Geschäft. Sie zeigte einen scharfen Durch¬
blick durch Menschen und ihr verwachsenes Trei¬
ben und einen Geschäftsverstand, der das All¬
gemeine und Besondere zugleich besaß und ver¬
knüpfte: "ich wünschte freilich auch (sagte sie)
nur Freuden und Spiele um mich; aber ohne
Arbeit und Ernst verdirbt das Beste in der
Welt; nicht einmal ein rechtes Spiel ist mög¬
lich ohne rechten Ernst." -- Linda lobte sie,
daß sie alle an Musik gewöhnte, diesen rechten
Mondschein in jedem Lebens-Dunkel; "ohne
Poesie und Kunst (setzte sie dazu) vermoose und
verholze der Geist im irdischen Klima." -- "O
was wäre ohne Töne der meinige?" sagte
Idoine feurig.

Linda fragte nach dem Bürgerrechte in die¬
sem heitern Staate. "Meistens bekamen es
Schweizerfamilien, (sagte Idoine,) die ich an

chen; überall fanden ſie ausgeweißte geordnete
Zimmer, Blumen und Weinreben an Fenſtern,
ſchöne Weiber und Kinder, und bald eine Flöte,
bald eine Violine, und nirgends ein ſpinnen¬
des Kind. In allen hatte ſie Aufträge zu ge¬
ben und was bloßer Spaziergang ſchien, war
auch Geſchäft. Sie zeigte einen ſcharfen Durch¬
blick durch Menſchen und ihr verwachſenes Trei¬
ben und einen Geſchäftsverſtand, der das All¬
gemeine und Beſondere zugleich beſaß und ver¬
knüpfte: „ich wünſchte freilich auch (ſagte ſie)
nur Freuden und Spiele um mich; aber ohne
Arbeit und Ernſt verdirbt das Beſte in der
Welt; nicht einmal ein rechtes Spiel iſt mög¬
lich ohne rechten Ernſt.“ — Linda lobte ſie,
daß ſie alle an Muſik gewöhnte, dieſen rechten
Mondſchein in jedem Lebens-Dunkel; „ohne
Poeſie und Kunſt (ſetzte ſie dazu) vermooſe und
verholze der Geiſt im irdiſchen Klima.“ — „O
was wäre ohne Töne der meinige?“ ſagte
Idoine feurig.

Linda fragte nach dem Bürgerrechte in die¬
ſem heitern Staate. „Meiſtens bekamen es
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[329/0341] chen; überall fanden ſie ausgeweißte geordnete Zimmer, Blumen und Weinreben an Fenſtern, ſchöne Weiber und Kinder, und bald eine Flöte, bald eine Violine, und nirgends ein ſpinnen¬ des Kind. In allen hatte ſie Aufträge zu ge¬ ben und was bloßer Spaziergang ſchien, war auch Geſchäft. Sie zeigte einen ſcharfen Durch¬ blick durch Menſchen und ihr verwachſenes Trei¬ ben und einen Geſchäftsverſtand, der das All¬ gemeine und Beſondere zugleich beſaß und ver¬ knüpfte: „ich wünſchte freilich auch (ſagte ſie) nur Freuden und Spiele um mich; aber ohne Arbeit und Ernſt verdirbt das Beſte in der Welt; nicht einmal ein rechtes Spiel iſt mög¬ lich ohne rechten Ernſt.“ — Linda lobte ſie, daß ſie alle an Muſik gewöhnte, dieſen rechten Mondſchein in jedem Lebens-Dunkel; „ohne Poeſie und Kunſt (ſetzte ſie dazu) vermooſe und verholze der Geiſt im irdiſchen Klima.“ — „O was wäre ohne Töne der meinige?“ ſagte Idoine feurig. Linda fragte nach dem Bürgerrechte in die¬ ſem heitern Staate. „Meiſtens bekamen es Schweizerfamilien, (ſagte Idoine,) die ich an

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/341>, abgerufen am 22.11.2024.