nen Alter, vor dem Hause des Amtmanns vor¬ über, worin die Ministerinn wohnte und jetzt, zu Juliennens Furcht, ihr Sohn war -- in die helle schmucklose Kirche. Bald kamen ihr der Pfarrer und Amtmann, für welche das Vor¬ übergehen ein Wink gewesen, in die Kirche nach und holten von ihr Aufträge; beide wa¬ ren junge schöne Männer mit offner Stirn und ein wenig Jugendstolz. -- Als man aus der Kirche war, sagte sie: durch diese jungen Män¬ ner regiere sie über den Ort und sie selber len¬ ke sie sanft; nur junge seyen mit Haß und Muth gegen den Schlendrian und mit Enthu¬ siasmus und Glauben ausgerüstet. Sie setzte scherzhaft dazu, nichts beherrsche sie als eine Schule von Mädchen, an der ihr mehr gele¬ gen sey als an der andern, weil Erziehung An¬ gewöhnung sey und diese ein Mädchen mehr als ein Knabe brauche, dem die Welt doch keine lasse; und sie habe einigen Hang eine la Bonne zu seyn, weil sie es schon als Mädchen oft bei ihren Schwestern habe seyn müssen.
Sie führte beide darauf in mehrere Häus¬
nen Alter, vor dem Hauſe des Amtmanns vor¬ über, worin die Miniſterinn wohnte und jetzt, zu Juliennens Furcht, ihr Sohn war — in die helle ſchmuckloſe Kirche. Bald kamen ihr der Pfarrer und Amtmann, für welche das Vor¬ übergehen ein Wink geweſen, in die Kirche nach und holten von ihr Aufträge; beide wa¬ ren junge ſchöne Männer mit offner Stirn und ein wenig Jugendſtolz. — Als man aus der Kirche war, ſagte ſie: durch dieſe jungen Män¬ ner regiere ſie über den Ort und ſie ſelber len¬ ke ſie ſanft; nur junge ſeyen mit Haß und Muth gegen den Schlendrian und mit Enthu¬ ſiasmus und Glauben ausgerüſtet. Sie ſetzte ſcherzhaft dazu, nichts beherrſche ſie als eine Schule von Mädchen, an der ihr mehr gele¬ gen ſey als an der andern, weil Erziehung An¬ gewöhnung ſey und dieſe ein Mädchen mehr als ein Knabe brauche, dem die Welt doch keine laſſe; und ſie habe einigen Hang eine la Bonne zu ſeyn, weil ſie es ſchon als Mädchen oft bei ihren Schweſtern habe ſeyn müſſen.
Sie führte beide darauf in mehrere Häus¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0340"n="328"/>
nen Alter, vor dem Hauſe des Amtmanns vor¬<lb/>
über, worin die Miniſterinn wohnte und jetzt,<lb/>
zu Juliennens Furcht, ihr Sohn war — in die<lb/>
helle ſchmuckloſe Kirche. Bald kamen ihr der<lb/>
Pfarrer und Amtmann, für welche das Vor¬<lb/>
übergehen ein Wink geweſen, in die Kirche<lb/>
nach und holten von ihr Aufträge; beide wa¬<lb/>
ren junge ſchöne Männer mit offner Stirn und<lb/>
ein wenig Jugendſtolz. — Als man aus der<lb/>
Kirche war, ſagte ſie: durch dieſe jungen Män¬<lb/>
ner regiere ſie über den Ort und ſie ſelber len¬<lb/>
ke ſie ſanft; nur junge ſeyen mit Haß und<lb/>
Muth gegen den Schlendrian und mit Enthu¬<lb/>ſiasmus und Glauben ausgerüſtet. Sie ſetzte<lb/>ſcherzhaft dazu, nichts beherrſche ſie als eine<lb/>
Schule von Mädchen, an der ihr mehr gele¬<lb/>
gen ſey als an der andern, weil Erziehung An¬<lb/>
gewöhnung ſey und dieſe ein Mädchen mehr<lb/>
als ein Knabe brauche, dem die Welt doch<lb/>
keine laſſe; und ſie habe einigen Hang eine<lb/><hirendition="#aq">la Bonne</hi> zu ſeyn, weil ſie es ſchon als<lb/>
Mädchen oft bei ihren Schweſtern habe ſeyn<lb/>
müſſen.</p><lb/><p>Sie führte beide darauf in mehrere Häus¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[328/0340]
nen Alter, vor dem Hauſe des Amtmanns vor¬
über, worin die Miniſterinn wohnte und jetzt,
zu Juliennens Furcht, ihr Sohn war — in die
helle ſchmuckloſe Kirche. Bald kamen ihr der
Pfarrer und Amtmann, für welche das Vor¬
übergehen ein Wink geweſen, in die Kirche
nach und holten von ihr Aufträge; beide wa¬
ren junge ſchöne Männer mit offner Stirn und
ein wenig Jugendſtolz. — Als man aus der
Kirche war, ſagte ſie: durch dieſe jungen Män¬
ner regiere ſie über den Ort und ſie ſelber len¬
ke ſie ſanft; nur junge ſeyen mit Haß und
Muth gegen den Schlendrian und mit Enthu¬
ſiasmus und Glauben ausgerüſtet. Sie ſetzte
ſcherzhaft dazu, nichts beherrſche ſie als eine
Schule von Mädchen, an der ihr mehr gele¬
gen ſey als an der andern, weil Erziehung An¬
gewöhnung ſey und dieſe ein Mädchen mehr
als ein Knabe brauche, dem die Welt doch
keine laſſe; und ſie habe einigen Hang eine
la Bonne zu ſeyn, weil ſie es ſchon als
Mädchen oft bei ihren Schweſtern habe ſeyn
müſſen.
Sie führte beide darauf in mehrere Häus¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/340>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.