lienne wunderte, da sonst beide in einem Wech¬ sel von Kälte und Liebe lebten. Die Ministe¬ rinn Froulay stand da, von der Trauer so alt, kalt, still und höflich, so kalt gegen die Zeit und die Menschen, (ausgenommen das Eben¬ bild ihrer Tochter) besonders gegen Linda, de¬ ren kecker, entschiedner, philosophischer Ton ihr unweiblich und eine Trommete an zwei Frauen- Lippen zu seyn schien.
Der künftige Erbprinz von Hohenflies ent¬ fernte sich zum Glücke bald von einem so un¬ bequemen Ort, wo er auf einem Schiffbruchs¬ brett, statt in einer Gondel fuhr. Nachdem er Julienne mit Antheil um das Befinden ihres Bruders, seines jetzigen Vorfahrers, gefragt -- und sie und Linda an ihre und seine welsche Reise erinnert hatte: so würd' er über Julien¬ nens Kaltsinn und über die moralischen Gesprä¬ che der Weiber und über einen gewissen sittli¬ chen Gewitterdruck -- den Lüstlinge bei Wei¬ bern empfinden, wo alles Rauhe, die Gelb¬ sucht, die Anmaßung als Mißton schreiet --, und über die allgemeine plagende Heuchelei -- wofür er sogleich alles nehmen mußte --, so
lienne wunderte, da ſonſt beide in einem Wech¬ ſel von Kälte und Liebe lebten. Die Miniſte¬ rinn Froulay ſtand da, von der Trauer ſo alt, kalt, ſtill und höflich, ſo kalt gegen die Zeit und die Menſchen, (ausgenommen das Eben¬ bild ihrer Tochter) beſonders gegen Linda, de¬ ren kecker, entſchiedner, philoſophiſcher Ton ihr unweiblich und eine Trommete an zwei Frauen- Lippen zu ſeyn ſchien.
Der künftige Erbprinz von Hohenflies ent¬ fernte ſich zum Glücke bald von einem ſo un¬ bequemen Ort, wo er auf einem Schiffbruchs¬ brett, ſtatt in einer Gondel fuhr. Nachdem er Julienne mit Antheil um das Befinden ihres Bruders, ſeines jetzigen Vorfahrers, gefragt — und ſie und Linda an ihre und ſeine welſche Reiſe erinnert hatte: ſo würd' er über Julien¬ nens Kaltſinn und über die moraliſchen Geſprä¬ che der Weiber und über einen gewiſſen ſittli¬ chen Gewitterdruck — den Lüſtlinge bei Wei¬ bern empfinden, wo alles Rauhe, die Gelb¬ ſucht, die Anmaßung als Mißton ſchreiet —, und über die allgemeine plagende Heuchelei — wofür er ſogleich alles nehmen mußte —, ſo
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lienne wunderte, da ſonſt beide in einem Wech¬
ſel von Kälte und Liebe lebten. Die Miniſte¬
rinn Froulay ſtand da, von der Trauer ſo alt,
kalt, ſtill und höflich, ſo kalt gegen die Zeit
und die Menſchen, (ausgenommen das Eben¬
bild ihrer Tochter) beſonders gegen Linda, de¬
ren kecker, entſchiedner, philoſophiſcher Ton ihr
unweiblich und eine Trommete an zwei Frauen-
Lippen zu ſeyn ſchien.
Der künftige Erbprinz von Hohenflies ent¬
fernte ſich zum Glücke bald von einem ſo un¬
bequemen Ort, wo er auf einem Schiffbruchs¬
brett, ſtatt in einer Gondel fuhr. Nachdem er
Julienne mit Antheil um das Befinden ihres
Bruders, ſeines jetzigen Vorfahrers, gefragt —
und ſie und Linda an ihre und ſeine welſche
Reiſe erinnert hatte: ſo würd' er über Julien¬
nens Kaltſinn und über die moraliſchen Geſprä¬
che der Weiber und über einen gewiſſen ſittli¬
chen Gewitterdruck — den Lüſtlinge bei Wei¬
bern empfinden, wo alles Rauhe, die Gelb¬
ſucht, die Anmaßung als Mißton ſchreiet —,
und über die allgemeine plagende Heuchelei —
wofür er ſogleich alles nehmen mußte —, ſo
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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