Fürstinn sie umsonst länger halten und aufbe¬ wahren wollen, um vielleicht den Jüngling durch sie zu erinnern, zu schrecken, zu ändern, oder zu strafen. Juliennens Liebe gegen die Prinzessinn wäre durch jene zarte Flucht vor Albano vielleicht so warm geworden als die gegen Linda war, wenn eben diese Liebe nicht dazwischen gestanden hätte; wenigstens hatt' ihr diese schöne Flucht ein ungemessenes Vertrauen -- was eben das rechte und einzige ist -- auf die Prinzessinn gegeben.
Der Reisetag war ein schöner Erndte-Mor¬ gen voll bevölkerter Kornfluren, voll Kühle und Thau und Luft. Linda freuete sich kindlich auf Idoine, und sagte die Gründe in frohem Tone: "zuerst weil sie Deinem Bruder das Leben ge¬ rettet -- und weil sie doch wußte, was sie wollte und darauf muthig beharrte und sich nicht wie andere Prinzessinnen zum Opfer des Thrones verhandelte -- und weil sie die deut¬ scheste Französinn ist, die ich kenne, außer der Mdm. Necker -- Ja mir gehört sie ordentlich mit aller schönen Jugend unter die alten Frauen, und diese sucht' ich von jeher vor, denn es ist
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Fürſtinn ſie umſonſt länger halten und aufbe¬ wahren wollen, um vielleicht den Jüngling durch ſie zu erinnern, zu ſchrecken, zu ändern, oder zu ſtrafen. Juliennens Liebe gegen die Prinzeſſinn wäre durch jene zarte Flucht vor Albano vielleicht ſo warm geworden als die gegen Linda war, wenn eben dieſe Liebe nicht dazwiſchen geſtanden hätte; wenigſtens hatt' ihr dieſe ſchöne Flucht ein ungemeſſenes Vertrauen — was eben das rechte und einzige iſt — auf die Prinzeſſinn gegeben.
Der Reiſetag war ein ſchöner Erndte-Mor¬ gen voll bevölkerter Kornfluren, voll Kühle und Thau und Luft. Linda freuete ſich kindlich auf Idoine, und ſagte die Gründe in frohem Tone: „zuerſt weil ſie Deinem Bruder das Leben ge¬ rettet — und weil ſie doch wußte, was ſie wollte und darauf muthig beharrte und ſich nicht wie andere Prinzeſſinnen zum Opfer des Thrones verhandelte — und weil ſie die deut¬ ſcheſte Franzöſinn iſt, die ich kenne, außer der Mdm. Necker — Ja mir gehört ſie ordentlich mit aller ſchönen Jugend unter die alten Frauen, und dieſe ſucht' ich von jeher vor, denn es iſt
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Fürſtinn ſie umſonſt länger halten und aufbe¬
wahren wollen, um vielleicht den Jüngling
durch ſie zu erinnern, zu ſchrecken, zu ändern,
oder zu ſtrafen. Juliennens Liebe gegen die
Prinzeſſinn wäre durch jene zarte Flucht vor
Albano vielleicht ſo warm geworden als die
gegen Linda war, wenn eben dieſe Liebe nicht
dazwiſchen geſtanden hätte; wenigſtens hatt'
ihr dieſe ſchöne Flucht ein ungemeſſenes
Vertrauen — was eben das rechte und einzige
iſt — auf die Prinzeſſinn gegeben.
Der Reiſetag war ein ſchöner Erndte-Mor¬
gen voll bevölkerter Kornfluren, voll Kühle und
Thau und Luft. Linda freuete ſich kindlich auf
Idoine, und ſagte die Gründe in frohem Tone:
„zuerſt weil ſie Deinem Bruder das Leben ge¬
rettet — und weil ſie doch wußte, was ſie
wollte und darauf muthig beharrte und ſich
nicht wie andere Prinzeſſinnen zum Opfer des
Thrones verhandelte — und weil ſie die deut¬
ſcheſte Franzöſinn iſt, die ich kenne, außer der
Mdm. Necker — Ja mir gehört ſie ordentlich
mit aller ſchönen Jugend unter die alten Frauen,
und dieſe ſucht' ich von jeher vor, denn es iſt
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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