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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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Roms, das einen Welttheil trug und die an¬
dern untergrub -- aber fliehe vor der Zeit, die
ihren Gipfel in ihren eignen Krater senkte. --
Verweile, Sänger, auf der Höhe und schaue
in den Garten der Welt herunter, der ein spie¬
lendes Menschenleben ist -- die Ruine wird
Fels, und der Fels Ruine -- auf dem hohen
Vorgebürge duftet die Blüthe, unten liegt das
Meer mit offnem Rachen -- über die Szylla
glänzen schöne Häuser und Gassen zwischen
dem Lager erschrecklicher Felsen. -- Und der
Gott fliegt über das Land, und sieht das Kind
auf der Tempelsäule am Ufer und die Götter¬
tempel voll Mönche, die Sümpfe voll namen¬
loser Ruinen und die Küste voll Blüthen und
Grotten -- und die blühenden Myrten und
Reben und die Feuerberge und die Inseln --
und Ischia . . . ."

Aber ihm entsank die bestürmte Guitarre
und die Stimme, das Auge gieng tief in den
Himmel und in das Leben des Menschen ein
und er entfernte sich, um das laute Herz zu
stillen. In der kühlenden Einsamkeit bemerkte
er, wie weit schon die Sonne hinabgeflogen

Roms, das einen Welttheil trug und die an¬
dern untergrub — aber fliehe vor der Zeit, die
ihren Gipfel in ihren eignen Krater ſenkte. —
Verweile, Sänger, auf der Höhe und ſchaue
in den Garten der Welt herunter, der ein ſpie¬
lendes Menſchenleben iſt — die Ruine wird
Fels, und der Fels Ruine — auf dem hohen
Vorgebürge duftet die Blüthe, unten liegt das
Meer mit offnem Rachen — über die Szylla
glänzen ſchöne Häuſer und Gaſſen zwiſchen
dem Lager erſchrecklicher Felſen. — Und der
Gott fliegt über das Land, und ſieht das Kind
auf der Tempelſäule am Ufer und die Götter¬
tempel voll Mönche, die Sümpfe voll namen¬
loſer Ruinen und die Küſte voll Blüthen und
Grotten — und die blühenden Myrten und
Reben und die Feuerberge und die Inſeln —
und Iſchia . . . .“

Aber ihm entſank die beſtürmte Guitarre
und die Stimme, das Auge gieng tief in den
Himmel und in das Leben des Menſchen ein
und er entfernte ſich, um das laute Herz zu
ſtillen. In der kühlenden Einſamkeit bemerkte
er, wie weit ſchon die Sonne hinabgeflogen

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[246/0258] Roms, das einen Welttheil trug und die an¬ dern untergrub — aber fliehe vor der Zeit, die ihren Gipfel in ihren eignen Krater ſenkte. — Verweile, Sänger, auf der Höhe und ſchaue in den Garten der Welt herunter, der ein ſpie¬ lendes Menſchenleben iſt — die Ruine wird Fels, und der Fels Ruine — auf dem hohen Vorgebürge duftet die Blüthe, unten liegt das Meer mit offnem Rachen — über die Szylla glänzen ſchöne Häuſer und Gaſſen zwiſchen dem Lager erſchrecklicher Felſen. — Und der Gott fliegt über das Land, und ſieht das Kind auf der Tempelſäule am Ufer und die Götter¬ tempel voll Mönche, die Sümpfe voll namen¬ loſer Ruinen und die Küſte voll Blüthen und Grotten — und die blühenden Myrten und Reben und die Feuerberge und die Inſeln — und Iſchia . . . .“ Aber ihm entſank die beſtürmte Guitarre und die Stimme, das Auge gieng tief in den Himmel und in das Leben des Menſchen ein und er entfernte ſich, um das laute Herz zu ſtillen. In der kühlenden Einſamkeit bemerkte er, wie weit ſchon die Sonne hinabgeflogen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/258>, abgerufen am 15.05.2024.