blitzenden Regengestirne umher wie an Flügeln in die Wirbel -- die große Kaskatella warf aus hohen Bäumen ihren Wolkenbruch her¬ aus, und aus dem Himmel ohne Donner stäubte eine schimmernde Welt -- und in Osten zeigte sich fern das Meer im dunkeln Schlaf und die untergehende Sonne drang glänzend in den Glanz herein.
"Gewiß werd' ich sanft reden, (sagte die Prinzessinn, die viel empfindlicher und nach¬ klingender als Linda, einige Mühe hatte, den Sprachton zu ihrem Versprechen zu stimmen. --) Es braucht nichts weiter als die Betrachtung, daß unser Streit zu früh ist; ich thue bloß die Bitte, ihn bis zum Oktober auszusetzen, und das Versprechen, daß er dann anders aus¬ geht." -- "O es sey." sagte Albano. Linda nickte sanft und langsam und legte wider Er¬ warten seine Hand mit beiden an ihr Herz und sah ihn an aus großen Augen weinend, denen sonst Feuer gewöhnlicher war als Wasser. Ihn zerschmolz der Anblick, daß diese kräftige Na¬ tur nur Heftigkeit ohne Hassen und Zürnen hatte, und ihn erfrischte unendlich sein voriges
blitzenden Regengeſtirne umher wie an Flügeln in die Wirbel — die große Kaskatella warf aus hohen Bäumen ihren Wolkenbruch her¬ aus, und aus dem Himmel ohne Donner ſtäubte eine ſchimmernde Welt — und in Oſten zeigte ſich fern das Meer im dunkeln Schlaf und die untergehende Sonne drang glänzend in den Glanz herein.
„Gewiß werd' ich ſanft reden, (ſagte die Prinzeſſinn, die viel empfindlicher und nach¬ klingender als Linda, einige Mühe hatte, den Sprachton zu ihrem Verſprechen zu ſtimmen. —) Es braucht nichts weiter als die Betrachtung, daß unſer Streit zu früh iſt; ich thue bloß die Bitte, ihn bis zum Oktober auszuſetzen, und das Verſprechen, daß er dann anders aus¬ geht.“ — „O es ſey.“ ſagte Albano. Linda nickte ſanft und langſam und legte wider Er¬ warten ſeine Hand mit beiden an ihr Herz und ſah ihn an aus großen Augen weinend, denen ſonſt Feuer gewöhnlicher war als Waſſer. Ihn zerſchmolz der Anblick, daß dieſe kräftige Na¬ tur nur Heftigkeit ohne Haſſen und Zürnen hatte, und ihn erfriſchte unendlich ſein voriges
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0234"n="222"/>
blitzenden Regengeſtirne umher wie an Flügeln<lb/>
in die Wirbel — die große Kaskatella warf<lb/>
aus hohen Bäumen ihren Wolkenbruch her¬<lb/>
aus, und aus dem Himmel ohne Donner<lb/>ſtäubte eine ſchimmernde Welt — und in Oſten<lb/>
zeigte ſich fern das Meer im dunkeln Schlaf<lb/>
und die untergehende Sonne drang glänzend<lb/>
in den Glanz herein.</p><lb/><p>„Gewiß werd' ich ſanft reden, (ſagte die<lb/>
Prinzeſſinn, die viel empfindlicher und nach¬<lb/>
klingender als Linda, einige Mühe hatte, den<lb/>
Sprachton zu ihrem Verſprechen zu ſtimmen. —)<lb/>
Es braucht nichts weiter als die Betrachtung,<lb/>
daß unſer Streit zu früh iſt; ich thue bloß die<lb/>
Bitte, ihn bis zum Oktober auszuſetzen, und<lb/>
das Verſprechen, daß er dann anders aus¬<lb/>
geht.“—„O es ſey.“ſagte Albano. Linda<lb/>
nickte ſanft und langſam und legte wider Er¬<lb/>
warten ſeine Hand mit beiden an ihr Herz und<lb/>ſah ihn an aus großen Augen weinend, denen<lb/>ſonſt Feuer gewöhnlicher war als Waſſer. Ihn<lb/>
zerſchmolz der Anblick, daß dieſe kräftige Na¬<lb/>
tur nur Heftigkeit ohne Haſſen und Zürnen<lb/>
hatte, und ihn erfriſchte unendlich ſein voriges<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[222/0234]
blitzenden Regengeſtirne umher wie an Flügeln
in die Wirbel — die große Kaskatella warf
aus hohen Bäumen ihren Wolkenbruch her¬
aus, und aus dem Himmel ohne Donner
ſtäubte eine ſchimmernde Welt — und in Oſten
zeigte ſich fern das Meer im dunkeln Schlaf
und die untergehende Sonne drang glänzend
in den Glanz herein.
„Gewiß werd' ich ſanft reden, (ſagte die
Prinzeſſinn, die viel empfindlicher und nach¬
klingender als Linda, einige Mühe hatte, den
Sprachton zu ihrem Verſprechen zu ſtimmen. —)
Es braucht nichts weiter als die Betrachtung,
daß unſer Streit zu früh iſt; ich thue bloß die
Bitte, ihn bis zum Oktober auszuſetzen, und
das Verſprechen, daß er dann anders aus¬
geht.“ — „O es ſey.“ ſagte Albano. Linda
nickte ſanft und langſam und legte wider Er¬
warten ſeine Hand mit beiden an ihr Herz und
ſah ihn an aus großen Augen weinend, denen
ſonſt Feuer gewöhnlicher war als Waſſer. Ihn
zerſchmolz der Anblick, daß dieſe kräftige Na¬
tur nur Heftigkeit ohne Haſſen und Zürnen
hatte, und ihn erfriſchte unendlich ſein voriges
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/234>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.