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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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dem Menschen, ein Menschen-Bild ist ihm mehr
und jede kleine Zukunft!"

"Auch Du Brutus?" sagte Albano betrof¬
fen. "Würden Sie (fuhr er sich fassend fort)
dem Elysiums-Leben auf Ischia eine Ewigkeit
für einen Mann geben? Würden Sie ihn als
Jüngling ins Kloster der seeligsten Ruhe schi¬
cken? Gewiß nur als Greis. Jenes hiesse den
Baum mit dem Gipfel in die finstere Erde
pflanzen."

"Das ist wieder der Deutsche (sagte sie);
nur immer recht Betriebsamkeit. Die ruhigen
Neapolitaner, die Völker am Apennin, an den
Pyrenäen, am Ganges, in Otaheiti, voll Ge¬
nuß und Beschauung, sind diesem Spanier ein
Greuel. Ich dächte, wenn ein Mensch nur für
sich etwas würde, nicht für andere; das reichte
zu. Was große Thaten sind, das kenn' ich
gar nicht; ich kenne nur ein großes Leben;
denn jenen Ähnliches vermag jeder Sünder." --

"Wahrlich, das ist wahr (sagt' er); es giebt
nichts erbärmlicheres als einen Menschen, der
sich durch dies oder das zeigen will, was ihm
selber groß, selten und ohne Verhältniß zu sei¬

dem Menſchen, ein Menſchen-Bild iſt ihm mehr
und jede kleine Zukunft!“

„Auch Du Brutus?“ ſagte Albano betrof¬
fen. „Würden Sie (fuhr er ſich faſſend fort)
dem Elyſiums-Leben auf Ischia eine Ewigkeit
für einen Mann geben? Würden Sie ihn als
Jüngling ins Kloſter der ſeeligſten Ruhe ſchi¬
cken? Gewiß nur als Greis. Jenes hieſſe den
Baum mit dem Gipfel in die finſtere Erde
pflanzen.“

„Das iſt wieder der Deutſche (ſagte ſie);
nur immer recht Betriebſamkeit. Die ruhigen
Neapolitaner, die Völker am Apennin, an den
Pyrenäen, am Ganges, in Otaheiti, voll Ge¬
nuß und Beſchauung, ſind dieſem Spanier ein
Greuel. Ich dächte, wenn ein Menſch nur für
ſich etwas würde, nicht für andere; das reichte
zu. Was große Thaten ſind, das kenn' ich
gar nicht; ich kenne nur ein großes Leben;
denn jenen Ähnliches vermag jeder Sünder.“ —

„Wahrlich, das iſt wahr (ſagt' er); es giebt
nichts erbärmlicheres als einen Menſchen, der
ſich durch dies oder das zeigen will, was ihm
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[219/0231] dem Menſchen, ein Menſchen-Bild iſt ihm mehr und jede kleine Zukunft!“ „Auch Du Brutus?“ ſagte Albano betrof¬ fen. „Würden Sie (fuhr er ſich faſſend fort) dem Elyſiums-Leben auf Ischia eine Ewigkeit für einen Mann geben? Würden Sie ihn als Jüngling ins Kloſter der ſeeligſten Ruhe ſchi¬ cken? Gewiß nur als Greis. Jenes hieſſe den Baum mit dem Gipfel in die finſtere Erde pflanzen.“ „Das iſt wieder der Deutſche (ſagte ſie); nur immer recht Betriebſamkeit. Die ruhigen Neapolitaner, die Völker am Apennin, an den Pyrenäen, am Ganges, in Otaheiti, voll Ge¬ nuß und Beſchauung, ſind dieſem Spanier ein Greuel. Ich dächte, wenn ein Menſch nur für ſich etwas würde, nicht für andere; das reichte zu. Was große Thaten ſind, das kenn' ich gar nicht; ich kenne nur ein großes Leben; denn jenen Ähnliches vermag jeder Sünder.“ — „Wahrlich, das iſt wahr (ſagt' er); es giebt nichts erbärmlicheres als einen Menſchen, der ſich durch dies oder das zeigen will, was ihm ſelber groß, ſelten und ohne Verhältniß zu ſei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/231>, abgerufen am 02.05.2024.