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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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er.) O man schämt sich wohl freilich, daß man
etwas früher nur denken und sagen muß, eh'
man's thut, obgleich der dürftige Mensch nicht
anders kann, sondern jede That wie eine Sta¬
tue vorher im elenden Wachs der Worte mo¬
delliren muß. Ach, Linda, liegen hier nicht
überall um uns Thaten, statt der Worte und
Wünsche? -- Hab' ich nicht auch einen Arm,
ein Herz, eine Geliebte, und Kräfte wie andere
und soll mit einem morschen mürben spanisch-
oder deutschen Grafenleben aus der Welt ge¬
hen? -- O meine Linda, streite Du für mich!"

"Ich bin (sagte sie, scharf nach der großen
Kaskatella blickend, die hoch aus Bäumen her¬
niederstürmte,) nicht von vielen oder beredten
Worten und verstehe Sie auch nicht ganz. Ich
muß mir immer die Worte in Ideen und Wahr¬
heiten übersetzen und vermag es nicht allzeit.
Bei Ihren Worten, Graf, denk' ich mir gar
nichts. Wem die Liebe nicht allein genügt, der
ist von ihr nicht erfüllet worden. Freilich, so
mit dem Herzen alles vergessend, wie wir, so
konzentrirt in Eine Idee des Lebens sind die
Männer nie. Ach und so wenig ist der Mensch

er.) O man ſchämt ſich wohl freilich, daß man
etwas früher nur denken und ſagen muß, eh'
man's thut, obgleich der dürftige Menſch nicht
anders kann, ſondern jede That wie eine Sta¬
tue vorher im elenden Wachs der Worte mo¬
delliren muß. Ach, Linda, liegen hier nicht
überall um uns Thaten, ſtatt der Worte und
Wünſche? — Hab' ich nicht auch einen Arm,
ein Herz, eine Geliebte, und Kräfte wie andere
und ſoll mit einem morſchen mürben ſpaniſch-
oder deutſchen Grafenleben aus der Welt ge¬
hen? — O meine Linda, ſtreite Du für mich!“

„Ich bin (ſagte ſie, ſcharf nach der großen
Kaskatella blickend, die hoch aus Bäumen her¬
niederſtürmte,) nicht von vielen oder beredten
Worten und verſtehe Sie auch nicht ganz. Ich
muß mir immer die Worte in Ideen und Wahr¬
heiten überſetzen und vermag es nicht allzeit.
Bei Ihren Worten, Graf, denk' ich mir gar
nichts. Wem die Liebe nicht allein genügt, der
iſt von ihr nicht erfüllet worden. Freilich, ſo
mit dem Herzen alles vergeſſend, wie wir, ſo
konzentrirt in Eine Idee des Lebens ſind die
Männer nie. Ach und ſo wenig iſt der Menſch

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[218/0230] er.) O man ſchämt ſich wohl freilich, daß man etwas früher nur denken und ſagen muß, eh' man's thut, obgleich der dürftige Menſch nicht anders kann, ſondern jede That wie eine Sta¬ tue vorher im elenden Wachs der Worte mo¬ delliren muß. Ach, Linda, liegen hier nicht überall um uns Thaten, ſtatt der Worte und Wünſche? — Hab' ich nicht auch einen Arm, ein Herz, eine Geliebte, und Kräfte wie andere und ſoll mit einem morſchen mürben ſpaniſch- oder deutſchen Grafenleben aus der Welt ge¬ hen? — O meine Linda, ſtreite Du für mich!“ „Ich bin (ſagte ſie, ſcharf nach der großen Kaskatella blickend, die hoch aus Bäumen her¬ niederſtürmte,) nicht von vielen oder beredten Worten und verſtehe Sie auch nicht ganz. Ich muß mir immer die Worte in Ideen und Wahr¬ heiten überſetzen und vermag es nicht allzeit. Bei Ihren Worten, Graf, denk' ich mir gar nichts. Wem die Liebe nicht allein genügt, der iſt von ihr nicht erfüllet worden. Freilich, ſo mit dem Herzen alles vergeſſend, wie wir, ſo konzentrirt in Eine Idee des Lebens ſind die Männer nie. Ach und ſo wenig iſt der Menſch

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/230>, abgerufen am 27.11.2024.