Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

das Schicksal auf den Epomeo und da wollten
die Götter, daß es sich änderte.

Aber nun muß es so bleiben. Wenn ein
seltenes Wesen zu einem seltenen Wesen gesagt
hat: Du bist's! so sind sie nur durch und für
einander. Die Psyche mit der Lampe wird es
nicht fühlen, wenn die Lampe ihre Locken und
ihre Hand und Herz ergreift und verbrennt,
während sie seelig den schlummernden Amor
anschauet; aber wenn der entschlüpfende heisse
Öhltropfe aus der Lampe den Gott berührt und
er aufwacht und ihr zornig entfliegt auf ewig
-- auf ewig. Ach du arme Psyche! -- Was
hilft dir der Tod im aufgelös'ten Eismeer? --
-- Hat denn noch kein Mann den Schmerz
der verlohrnen Liebe empfunden, damit er wisse,
wie noch tausendmal härter er eine Frau ver¬
heere? Welcher hat denn Treue, die rechte, die
keine Tugend und keine Empfindung ist, son¬
dern das Feuer selber, das den Kern der Exi¬
stenz ewig belebt und erhält? --

Ich bin krank, Albano, sonst weiß ich nicht,
wie ich zu diesen tristen Ideen komme. Ich
bin so ruhig im Innersten; ich habe nur die

das Schickſal auf den Epomeo und da wollten
die Götter, daß es ſich änderte.

Aber nun muß es ſo bleiben. Wenn ein
ſeltenes Weſen zu einem ſeltenen Weſen geſagt
hat: Du biſt's! ſo ſind ſie nur durch und für
einander. Die Pſyche mit der Lampe wird es
nicht fühlen, wenn die Lampe ihre Locken und
ihre Hand und Herz ergreift und verbrennt,
während ſie ſeelig den ſchlummernden Amor
anſchauet; aber wenn der entſchlüpfende heiſſe
Öhltropfe aus der Lampe den Gott berührt und
er aufwacht und ihr zornig entfliegt auf ewig
— auf ewig. Ach du arme Pſyche! — Was
hilft dir der Tod im aufgelöſ'ten Eismeer? —
— Hat denn noch kein Mann den Schmerz
der verlohrnen Liebe empfunden, damit er wiſſe,
wie noch tauſendmal härter er eine Frau ver¬
heere? Welcher hat denn Treue, die rechte, die
keine Tugend und keine Empfindung iſt, ſon¬
dern das Feuer ſelber, das den Kern der Exi¬
ſtenz ewig belebt und erhält? —

Ich bin krank, Albano, ſonſt weiß ich nicht,
wie ich zu dieſen triſten Ideen komme. Ich
bin ſo ruhig im Innerſten; ich habe nur die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0206" n="194"/>
das Schick&#x017F;al auf den Epomeo und da wollten<lb/>
die Götter, daß es &#x017F;ich änderte.</p><lb/>
          <p>Aber nun muß es &#x017F;o bleiben. Wenn ein<lb/>
&#x017F;eltenes We&#x017F;en zu einem &#x017F;eltenen We&#x017F;en ge&#x017F;agt<lb/>
hat: Du bi&#x017F;t's! &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie nur durch und für<lb/>
einander. Die P&#x017F;yche mit der Lampe wird es<lb/>
nicht fühlen, wenn die Lampe ihre Locken und<lb/>
ihre Hand und Herz ergreift und verbrennt,<lb/>
während &#x017F;ie &#x017F;eelig den &#x017F;chlummernden Amor<lb/>
an&#x017F;chauet; aber wenn der ent&#x017F;chlüpfende hei&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Öhltropfe aus der Lampe den Gott berührt und<lb/>
er aufwacht und ihr zornig entfliegt auf ewig<lb/>
&#x2014; auf ewig. Ach du arme P&#x017F;yche! &#x2014; Was<lb/>
hilft dir der Tod im aufgelö&#x017F;'ten Eismeer? &#x2014;<lb/>
&#x2014; Hat denn noch kein Mann den Schmerz<lb/>
der verlohrnen Liebe empfunden, damit er wi&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
wie noch tau&#x017F;endmal härter er eine Frau ver¬<lb/>
heere? Welcher hat denn Treue, die rechte, die<lb/>
keine Tugend und keine Empfindung i&#x017F;t, &#x017F;on¬<lb/>
dern das Feuer &#x017F;elber, das den Kern der Exi¬<lb/>
&#x017F;tenz ewig belebt und erhält? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich bin krank, Albano, &#x017F;on&#x017F;t weiß ich nicht,<lb/>
wie ich zu die&#x017F;en tri&#x017F;ten Ideen komme. Ich<lb/>
bin &#x017F;o ruhig im Inner&#x017F;ten; ich habe nur die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0206] das Schickſal auf den Epomeo und da wollten die Götter, daß es ſich änderte. Aber nun muß es ſo bleiben. Wenn ein ſeltenes Weſen zu einem ſeltenen Weſen geſagt hat: Du biſt's! ſo ſind ſie nur durch und für einander. Die Pſyche mit der Lampe wird es nicht fühlen, wenn die Lampe ihre Locken und ihre Hand und Herz ergreift und verbrennt, während ſie ſeelig den ſchlummernden Amor anſchauet; aber wenn der entſchlüpfende heiſſe Öhltropfe aus der Lampe den Gott berührt und er aufwacht und ihr zornig entfliegt auf ewig — auf ewig. Ach du arme Pſyche! — Was hilft dir der Tod im aufgelöſ'ten Eismeer? — — Hat denn noch kein Mann den Schmerz der verlohrnen Liebe empfunden, damit er wiſſe, wie noch tauſendmal härter er eine Frau ver¬ heere? Welcher hat denn Treue, die rechte, die keine Tugend und keine Empfindung iſt, ſon¬ dern das Feuer ſelber, das den Kern der Exi¬ ſtenz ewig belebt und erhält? — Ich bin krank, Albano, ſonſt weiß ich nicht, wie ich zu dieſen triſten Ideen komme. Ich bin ſo ruhig im Innerſten; ich habe nur die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/206
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/206>, abgerufen am 03.05.2024.