tig an -- und glaub' ihm noch zu folgen, wenn ich schon längst weggeflogen bin über das Meer. Ich lese jetzt das Leben der herrli¬ chen Guyon, diese weiß wie man liebt -- die¬ ser göttliche Affekt gegen das Göttliche, dieses Selbst-Verlieren in Gott, dieses ewige Leben und Bestehen in Einer großen Idee -- diese wachsende Heiligung durch die Liebe und die wachsende Liebe durch die Heiligung! Mir ent¬ sinkt das Buch, ich schließe die Augen, ich träume und weine und liebe Dich. O Albano, komme früher. Was willst Du jetzt an Ber¬ gen und Ruinen suchen? Kommen wir nicht wieder? Aber ihr zerstreueten Männer! Nur die Weiber lieben, es sey Gott oder Euch lei¬ der. Die Guyon, die heilige Therese, die et¬ was prosaische Bourignon, liebten Gott wie kein Mann (außer der heilige Fenelon), der Mann geht mit dem höchsten Wesen nicht viel besser als mit dem schönsten um. Albano, hast Du eine andere Sehnsucht als ich, begehrst Du mehr auf der Erde als mich, mehr im Pa¬ radies als mich: so sag' es, damit ich aufhöre und sterbe. Wahrlich, wenn Du Deine Schwe¬
tig an — und glaub' ihm noch zu folgen, wenn ich ſchon längſt weggeflogen bin über das Meer. Ich leſe jetzt das Leben der herrli¬ chen Guyon, dieſe weiß wie man liebt — die¬ ſer göttliche Affekt gegen das Göttliche, dieſes Selbſt-Verlieren in Gott, dieſes ewige Leben und Beſtehen in Einer großen Idee — dieſe wachſende Heiligung durch die Liebe und die wachſende Liebe durch die Heiligung! Mir ent¬ ſinkt das Buch, ich ſchließe die Augen, ich träume und weine und liebe Dich. O Albano, komme früher. Was willſt Du jetzt an Ber¬ gen und Ruinen ſuchen? Kommen wir nicht wieder? Aber ihr zerſtreueten Männer! Nur die Weiber lieben, es ſey Gott oder Euch lei¬ der. Die Guyon, die heilige Therese, die et¬ was proſaiſche Bourignon, liebten Gott wie kein Mann (außer der heilige Fenelon), der Mann geht mit dem höchſten Weſen nicht viel beſſer als mit dem ſchönſten um. Albano, haſt Du eine andere Sehnſucht als ich, begehrſt Du mehr auf der Erde als mich, mehr im Pa¬ radies als mich: ſo ſag' es, damit ich aufhöre und ſterbe. Wahrlich, wenn Du Deine Schwe¬
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tig an — und glaub' ihm noch zu folgen,
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das Meer. Ich leſe jetzt das Leben der herrli¬
chen Guyon, dieſe weiß wie man liebt — die¬
ſer göttliche Affekt gegen das Göttliche, dieſes
Selbſt-Verlieren in Gott, dieſes ewige Leben
und Beſtehen in Einer großen Idee — dieſe
wachſende Heiligung durch die Liebe und die
wachſende Liebe durch die Heiligung! Mir ent¬
ſinkt das Buch, ich ſchließe die Augen, ich
träume und weine und liebe Dich. O Albano,
komme früher. Was willſt Du jetzt an Ber¬
gen und Ruinen ſuchen? Kommen wir nicht
wieder? Aber ihr zerſtreueten Männer! Nur
die Weiber lieben, es ſey Gott oder Euch lei¬
der. Die Guyon, die heilige Therese, die et¬
was proſaiſche Bourignon, liebten Gott wie
kein Mann (außer der heilige Fenelon), der
Mann geht mit dem höchſten Weſen nicht viel
beſſer als mit dem ſchönſten um. Albano, haſt
Du eine andere Sehnſucht als ich, begehrſt
Du mehr auf der Erde als mich, mehr im Pa¬
radies als mich: ſo ſag' es, damit ich aufhöre
und ſterbe. Wahrlich, wenn Du Deine Schwe¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/202>, abgerufen am 24.11.2024.
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