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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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fen. Ihr Angesicht war vor dem Monde zu
einer blassen Götter-Statue aus Marmor ver¬
blüht. Es war schon vorbei; nur einige Sterne
der Erde schossen noch aus dem festen Himmel
ins Meer und wunderbare Wolken zogen un¬
ten ringsherum auf. "Bin ich nicht recht furcht¬
sam?" sagte sie weich. Albano schauete ihr le¬
bendig und heiter wie ein Sonnengott im Mor¬
genroth ins Angesicht und drückte ihre Hände.
Sie wollte sie heftig wegziehen. "Gieb sie mir
ewig!" sagte er heftig. -- "Kühner Mensch,
(sagte sie verwirrt,) wer bist Du? -- Kennst
Du mich? -- Wenn Du bist wie ich, so schwöre
und sage, ob Du immer wahr gewesen?" --
Albano sah gen Himmel, sein Leben wurde ge¬
wogen, Gott war nahe bei ihm, er antwortete
sanft und fest: "Linda, immer!" -- "Ich
auch!" sagte sie und neigte schamhaft das
schöne Haupt an seine Brust, hob es aber so¬
gleich wieder auf mit den großen feuchten
Augen und sagte schnell: "gehen Sie jetzt!
Früh Morgens kommen Sie, Albano! Adio,
adio!" --

Die Mädchen kamen herauf, Albano gieng

fen. Ihr Angeſicht war vor dem Monde zu
einer blaſſen Götter-Statue aus Marmor ver¬
blüht. Es war ſchon vorbei; nur einige Sterne
der Erde ſchoſſen noch aus dem feſten Himmel
ins Meer und wunderbare Wolken zogen un¬
ten ringsherum auf. „Bin ich nicht recht furcht¬
ſam?“ ſagte ſie weich. Albano ſchauete ihr le¬
bendig und heiter wie ein Sonnengott im Mor¬
genroth ins Angeſicht und drückte ihre Hände.
Sie wollte ſie heftig wegziehen. „Gieb ſie mir
ewig!“ ſagte er heftig. — „Kühner Menſch,
(ſagte ſie verwirrt,) wer biſt Du? — Kennſt
Du mich? — Wenn Du biſt wie ich, ſo ſchwöre
und ſage, ob Du immer wahr geweſen?“ —
Albano ſah gen Himmel, ſein Leben wurde ge¬
wogen, Gott war nahe bei ihm, er antwortete
ſanft und feſt: „Linda, immer!“ — „Ich
auch!“ ſagte ſie und neigte ſchamhaft das
ſchöne Haupt an ſeine Bruſt, hob es aber ſo¬
gleich wieder auf mit den großen feuchten
Augen und ſagte ſchnell: „gehen Sie jetzt!
Früh Morgens kommen Sie, Albano! Adio,
adio!“ —

Die Mädchen kamen herauf, Albano gieng

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[139/0151] fen. Ihr Angeſicht war vor dem Monde zu einer blaſſen Götter-Statue aus Marmor ver¬ blüht. Es war ſchon vorbei; nur einige Sterne der Erde ſchoſſen noch aus dem feſten Himmel ins Meer und wunderbare Wolken zogen un¬ ten ringsherum auf. „Bin ich nicht recht furcht¬ ſam?“ ſagte ſie weich. Albano ſchauete ihr le¬ bendig und heiter wie ein Sonnengott im Mor¬ genroth ins Angeſicht und drückte ihre Hände. Sie wollte ſie heftig wegziehen. „Gieb ſie mir ewig!“ ſagte er heftig. — „Kühner Menſch, (ſagte ſie verwirrt,) wer biſt Du? — Kennſt Du mich? — Wenn Du biſt wie ich, ſo ſchwöre und ſage, ob Du immer wahr geweſen?“ — Albano ſah gen Himmel, ſein Leben wurde ge¬ wogen, Gott war nahe bei ihm, er antwortete ſanft und feſt: „Linda, immer!“ — „Ich auch!“ ſagte ſie und neigte ſchamhaft das ſchöne Haupt an ſeine Bruſt, hob es aber ſo¬ gleich wieder auf mit den großen feuchten Augen und ſagte ſchnell: „gehen Sie jetzt! Früh Morgens kommen Sie, Albano! Adio, adio!“ — Die Mädchen kamen herauf, Albano gieng

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/151>, abgerufen am 28.11.2024.