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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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größern Vorzeit und mit dem Geiste voll neuer
Triebfedern weniger von Rabettens Brief,
durch welchen die nordischen Winternebel zo¬
gen, erreicht und verfinstert. Die redliche Ra¬
bette, die linde Albine, kamen ihm nur sanft
über die fremden Berge und Lüfte nach und
legten an seine heisse Stirn die kühlende Hand;
sein alter Schoppe stand in alter Würde vor
ihm und Liane schwebte wieder durch das hohe
Blau. Gegen den verwitterten Roquairol fühlt'
er nicht einmal Mitleid, sondern eine harte
Geringschätzung; und Linda's standhafter Sinn
war recht nach seinem, wie der stolze Blick und
Gang der Römerinnen. Jetzt dacht' er über
Manches heiterer als sonst und wünschte sogar,
einmal jener Heroine ins Zauber-Gesicht zu
schauen.

In Fondi sieng der neapolitanische Welt¬
garten an und sie fuhren auf dem Wege nach
Mola, in immer dichtere Blüthen und Blu¬
men. In fliegenden Blättern -- vielleicht an
seinen Vater, noch wahrscheinlicher an seinen
Schoppe -- sprach sich sein Glück und seine
Seele aus; sie bewahrte gleichsam einige ent¬

größern Vorzeit und mit dem Geiſte voll neuer
Triebfedern weniger von Rabettens Brief,
durch welchen die nordiſchen Winternebel zo¬
gen, erreicht und verfinſtert. Die redliche Ra¬
bette, die linde Albine, kamen ihm nur ſanft
über die fremden Berge und Lüfte nach und
legten an ſeine heiſſe Stirn die kühlende Hand;
ſein alter Schoppe ſtand in alter Würde vor
ihm und Liane ſchwebte wieder durch das hohe
Blau. Gegen den verwitterten Roquairol fühlt'
er nicht einmal Mitleid, ſondern eine harte
Geringſchätzung; und Linda's ſtandhafter Sinn
war recht nach ſeinem, wie der ſtolze Blick und
Gang der Römerinnen. Jetzt dacht' er über
Manches heiterer als ſonſt und wünſchte ſogar,
einmal jener Heroine ins Zauber-Geſicht zu
ſchauen.

In Fondi ſieng der neapolitaniſche Welt¬
garten an und ſie fuhren auf dem Wege nach
Mola, in immer dichtere Blüthen und Blu¬
men. In fliegenden Blättern — vielleicht an
ſeinen Vater, noch wahrſcheinlicher an ſeinen
Schoppe — ſprach ſich ſein Glück und ſeine
Seele aus; ſie bewahrte gleichſam einige ent¬

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[102/0114] größern Vorzeit und mit dem Geiſte voll neuer Triebfedern weniger von Rabettens Brief, durch welchen die nordiſchen Winternebel zo¬ gen, erreicht und verfinſtert. Die redliche Ra¬ bette, die linde Albine, kamen ihm nur ſanft über die fremden Berge und Lüfte nach und legten an ſeine heiſſe Stirn die kühlende Hand; ſein alter Schoppe ſtand in alter Würde vor ihm und Liane ſchwebte wieder durch das hohe Blau. Gegen den verwitterten Roquairol fühlt' er nicht einmal Mitleid, ſondern eine harte Geringſchätzung; und Linda's ſtandhafter Sinn war recht nach ſeinem, wie der ſtolze Blick und Gang der Römerinnen. Jetzt dacht' er über Manches heiterer als ſonſt und wünſchte ſogar, einmal jener Heroine ins Zauber-Geſicht zu ſchauen. In Fondi ſieng der neapolitaniſche Welt¬ garten an und ſie fuhren auf dem Wege nach Mola, in immer dichtere Blüthen und Blu¬ men. In fliegenden Blättern — vielleicht an ſeinen Vater, noch wahrſcheinlicher an ſeinen Schoppe — ſprach ſich ſein Glück und ſeine Seele aus; ſie bewahrte gleichſam einige ent¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/114>, abgerufen am 02.05.2024.