Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

sie. Sie fanden den Vater allein und sehr ernst.
Albano fiel ihm, wiewohl er dessen Abneigung
gegen körperliche Herzenszeichen kannte, um
den Hals mit den halb erstickten Worten des
Wunsches: "Vater! Eine Mutter!" -- Zu die¬
sem kindlichen Verhältniß hatte sich sein bishe¬
riges gehoben und gereinigt. "Gott, Graf!"
rief die Fürstinn über Albano bestürzt und ent¬
rüstet. -- Der zornfunkelnde Ritter ergriff voll
Entsetzen eine Pistole, sagte: unglückliches --
aber ehe man nur wußte, auf wen von drei
Menschen er sie abdrücken wolle, faßte ihn
seine Starrsucht und hielt wie eine umwindende
Schlange ihn in der mörderischen Lage gefan¬
gen. "Graf, verstand ich Euch?" sagte die
Fürstinn wegwerfend gegen ihn, gleichgültig
gegen den versteinerten Feind. -- "O Gott,
(sagte Albano, von der väterlichen Gestalt be¬
wegt,) ich verstand wol niemand." -- "Das
konnte (sagte sie) nur ein Unwürdiger. Lebt
wohl. Mög' ich niemals Euch mehr begeg¬
nen!" -- Dann gieng sie.

Albano blieb, unbekümmert ob er nicht sel¬
ber mit der Pistole gemeint sey, bei dem Kran¬

ſie. Sie fanden den Vater allein und ſehr ernſt.
Albano fiel ihm, wiewohl er deſſen Abneigung
gegen körperliche Herzenszeichen kannte, um
den Hals mit den halb erſtickten Worten des
Wunſches: „Vater! Eine Mutter!“ — Zu die¬
ſem kindlichen Verhältniß hatte ſich ſein bishe¬
riges gehoben und gereinigt. „Gott, Graf!“
rief die Fürſtinn über Albano beſtürzt und ent¬
rüſtet. — Der zornfunkelnde Ritter ergriff voll
Entſetzen eine Piſtole, ſagte: unglückliches —
aber ehe man nur wußte, auf wen von drei
Menſchen er ſie abdrücken wolle, faßte ihn
ſeine Starrſucht und hielt wie eine umwindende
Schlange ihn in der mörderiſchen Lage gefan¬
gen. „Graf, verſtand ich Euch?“ ſagte die
Fürſtinn wegwerfend gegen ihn, gleichgültig
gegen den verſteinerten Feind. — „O Gott,
(ſagte Albano, von der väterlichen Geſtalt be¬
wegt,) ich verſtand wol niemand.“ — „Das
konnte (ſagte ſie) nur ein Unwürdiger. Lebt
wohl. Mög' ich niemals Euch mehr begeg¬
nen!“ — Dann gieng ſie.

Albano blieb, unbekümmert ob er nicht ſel¬
ber mit der Piſtole gemeint ſey, bei dem Kran¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0102" n="90"/>
&#x017F;ie. Sie fanden den Vater allein und &#x017F;ehr ern&#x017F;t.<lb/>
Albano fiel ihm, wiewohl er de&#x017F;&#x017F;en Abneigung<lb/>
gegen körperliche Herzenszeichen kannte, um<lb/>
den Hals mit den halb er&#x017F;tickten Worten des<lb/>
Wun&#x017F;ches: &#x201E;Vater! Eine Mutter!&#x201C; &#x2014; Zu die¬<lb/>
&#x017F;em kindlichen Verhältniß hatte &#x017F;ich &#x017F;ein bishe¬<lb/>
riges gehoben und gereinigt. &#x201E;Gott, Graf!&#x201C;<lb/>
rief die Für&#x017F;tinn über Albano be&#x017F;türzt und ent¬<lb/>&#x017F;tet. &#x2014; Der zornfunkelnde Ritter ergriff voll<lb/>
Ent&#x017F;etzen eine Pi&#x017F;tole, &#x017F;agte: unglückliches &#x2014;<lb/>
aber ehe man nur wußte, auf wen von drei<lb/>
Men&#x017F;chen er &#x017F;ie abdrücken wolle, faßte ihn<lb/>
&#x017F;eine Starr&#x017F;ucht und hielt wie eine umwindende<lb/>
Schlange ihn in der mörderi&#x017F;chen Lage gefan¬<lb/>
gen. &#x201E;Graf, ver&#x017F;tand ich Euch?&#x201C; &#x017F;agte die<lb/>
Für&#x017F;tinn wegwerfend gegen ihn, gleichgültig<lb/>
gegen den ver&#x017F;teinerten Feind. &#x2014; &#x201E;O Gott,<lb/>
(&#x017F;agte Albano, von der väterlichen Ge&#x017F;talt be¬<lb/>
wegt,) ich ver&#x017F;tand wol niemand.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Das<lb/>
konnte (&#x017F;agte &#x017F;ie) nur ein Unwürdiger. Lebt<lb/>
wohl. Mög' ich niemals Euch mehr begeg¬<lb/>
nen!&#x201C; &#x2014; Dann gieng &#x017F;ie.</p><lb/>
          <p>Albano blieb, unbekümmert ob er nicht &#x017F;el¬<lb/>
ber mit der Pi&#x017F;tole gemeint &#x017F;ey, bei dem Kran¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0102] ſie. Sie fanden den Vater allein und ſehr ernſt. Albano fiel ihm, wiewohl er deſſen Abneigung gegen körperliche Herzenszeichen kannte, um den Hals mit den halb erſtickten Worten des Wunſches: „Vater! Eine Mutter!“ — Zu die¬ ſem kindlichen Verhältniß hatte ſich ſein bishe¬ riges gehoben und gereinigt. „Gott, Graf!“ rief die Fürſtinn über Albano beſtürzt und ent¬ rüſtet. — Der zornfunkelnde Ritter ergriff voll Entſetzen eine Piſtole, ſagte: unglückliches — aber ehe man nur wußte, auf wen von drei Menſchen er ſie abdrücken wolle, faßte ihn ſeine Starrſucht und hielt wie eine umwindende Schlange ihn in der mörderiſchen Lage gefan¬ gen. „Graf, verſtand ich Euch?“ ſagte die Fürſtinn wegwerfend gegen ihn, gleichgültig gegen den verſteinerten Feind. — „O Gott, (ſagte Albano, von der väterlichen Geſtalt be¬ wegt,) ich verſtand wol niemand.“ — „Das konnte (ſagte ſie) nur ein Unwürdiger. Lebt wohl. Mög' ich niemals Euch mehr begeg¬ nen!“ — Dann gieng ſie. Albano blieb, unbekümmert ob er nicht ſel¬ ber mit der Piſtole gemeint ſey, bei dem Kran¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/102
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/102>, abgerufen am 25.11.2024.