ken, der einer vornehmen Männer-Leiche ge¬ genüber entgegenstarrte, die man eben zu schmin¬ ken beschäftigt war. Allmählig rang sich das Leben wieder aus dem Winter auf und der Ritter setzte, wie Starrsüchtige müssen, die mit dem Worte "Unglückliches" angefangne Anre¬ de so fort: "Weib, von wem bist du Mutter?" -- Er kam zu sich und sah wach umher; aber schnell rann wieder die Lava des Zorns durch seinen Schnee: "Unglücklicher, wovon war die Rede?" Albano entdeckte ihm mit gerader un¬ schuldiger Seele, daß er bei dem wahrscheinli¬ chen Tode des Fürsten auf eine Vereinigung zwischen beiden und auf das Glück, eine Mut¬ ter zu erhalten, sich die Hoffnung gemacht.
"Ihr junges Volk bildet euch immer ein, man könne keine ächte Liebe haben, ohne sie nach aussen zu treiben und auf jemand zu rich¬ ten," versetzte Gaspard und fieng an, hart zu lachen und das "sentimentalische Mißver¬ ständniß" sehr komisch zu finden; aber Albano fragte ihn nun sehr ernst nach dem Ursprunge des seinigen. Gaspard gab ihm diesen. Neu¬ lich in seiner Krankheit hatt' er bei der ersten
ken, der einer vornehmen Männer-Leiche ge¬ genüber entgegenſtarrte, die man eben zu ſchmin¬ ken beſchäftigt war. Allmählig rang ſich das Leben wieder aus dem Winter auf und der Ritter ſetzte, wie Starrſüchtige müſſen, die mit dem Worte „Unglückliches“ angefangne Anre¬ de ſo fort: „Weib, von wem biſt du Mutter?“ — Er kam zu ſich und ſah wach umher; aber ſchnell rann wieder die Lava des Zorns durch ſeinen Schnee: „Unglücklicher, wovon war die Rede?“ Albano entdeckte ihm mit gerader un¬ ſchuldiger Seele, daß er bei dem wahrſcheinli¬ chen Tode des Fürſten auf eine Vereinigung zwiſchen beiden und auf das Glück, eine Mut¬ ter zu erhalten, ſich die Hoffnung gemacht.
„Ihr junges Volk bildet euch immer ein, man könne keine ächte Liebe haben, ohne ſie nach auſſen zu treiben und auf jemand zu rich¬ ten,“ verſetzte Gaſpard und fieng an, hart zu lachen und das „ſentimentaliſche Mißver¬ ſtändniß“ ſehr komiſch zu finden; aber Albano fragte ihn nun ſehr ernſt nach dem Urſprunge des ſeinigen. Gaſpard gab ihm dieſen. Neu¬ lich in ſeiner Krankheit hatt' er bei der erſten
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ken, der einer vornehmen Männer-Leiche ge¬
genüber entgegenſtarrte, die man eben zu ſchmin¬
ken beſchäftigt war. Allmählig rang ſich das
Leben wieder aus dem Winter auf und der
Ritter ſetzte, wie Starrſüchtige müſſen, die mit
dem Worte „Unglückliches“ angefangne Anre¬
de ſo fort: „Weib, von wem biſt du Mutter?“
— Er kam zu ſich und ſah wach umher; aber
ſchnell rann wieder die Lava des Zorns durch
ſeinen Schnee: „Unglücklicher, wovon war die
Rede?“ Albano entdeckte ihm mit gerader un¬
ſchuldiger Seele, daß er bei dem wahrſcheinli¬
chen Tode des Fürſten auf eine Vereinigung
zwiſchen beiden und auf das Glück, eine Mut¬
ter zu erhalten, ſich die Hoffnung gemacht.
„Ihr junges Volk bildet euch immer ein,
man könne keine ächte Liebe haben, ohne ſie
nach auſſen zu treiben und auf jemand zu rich¬
ten,“ verſetzte Gaſpard und fieng an, hart
zu lachen und das „ſentimentaliſche Mißver¬
ſtändniß“ ſehr komiſch zu finden; aber Albano
fragte ihn nun ſehr ernſt nach dem Urſprunge
des ſeinigen. Gaſpard gab ihm dieſen. Neu¬
lich in ſeiner Krankheit hatt' er bei der erſten
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/103>, abgerufen am 25.11.2024.
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