Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ken, der einer vornehmen Männer-Leiche ge¬
genüber entgegenstarrte, die man eben zu schmin¬
ken beschäftigt war. Allmählig rang sich das
Leben wieder aus dem Winter auf und der
Ritter setzte, wie Starrsüchtige müssen, die mit
dem Worte "Unglückliches" angefangne Anre¬
de so fort: "Weib, von wem bist du Mutter?"
-- Er kam zu sich und sah wach umher; aber
schnell rann wieder die Lava des Zorns durch
seinen Schnee: "Unglücklicher, wovon war die
Rede?" Albano entdeckte ihm mit gerader un¬
schuldiger Seele, daß er bei dem wahrscheinli¬
chen Tode des Fürsten auf eine Vereinigung
zwischen beiden und auf das Glück, eine Mut¬
ter zu erhalten, sich die Hoffnung gemacht.

"Ihr junges Volk bildet euch immer ein,
man könne keine ächte Liebe haben, ohne sie
nach aussen zu treiben und auf jemand zu rich¬
ten," versetzte Gaspard und fieng an, hart
zu lachen und das "sentimentalische Mißver¬
ständniß" sehr komisch zu finden; aber Albano
fragte ihn nun sehr ernst nach dem Ursprunge
des seinigen. Gaspard gab ihm diesen. Neu¬
lich in seiner Krankheit hatt' er bei der ersten

ken, der einer vornehmen Männer-Leiche ge¬
genüber entgegenſtarrte, die man eben zu ſchmin¬
ken beſchäftigt war. Allmählig rang ſich das
Leben wieder aus dem Winter auf und der
Ritter ſetzte, wie Starrſüchtige müſſen, die mit
dem Worte „Unglückliches“ angefangne Anre¬
de ſo fort: „Weib, von wem biſt du Mutter?“
— Er kam zu ſich und ſah wach umher; aber
ſchnell rann wieder die Lava des Zorns durch
ſeinen Schnee: „Unglücklicher, wovon war die
Rede?“ Albano entdeckte ihm mit gerader un¬
ſchuldiger Seele, daß er bei dem wahrſcheinli¬
chen Tode des Fürſten auf eine Vereinigung
zwiſchen beiden und auf das Glück, eine Mut¬
ter zu erhalten, ſich die Hoffnung gemacht.

„Ihr junges Volk bildet euch immer ein,
man könne keine ächte Liebe haben, ohne ſie
nach auſſen zu treiben und auf jemand zu rich¬
ten,“ verſetzte Gaſpard und fieng an, hart
zu lachen und das „ſentimentaliſche Mißver¬
ſtändniß“ ſehr komiſch zu finden; aber Albano
fragte ihn nun ſehr ernſt nach dem Urſprunge
des ſeinigen. Gaſpard gab ihm dieſen. Neu¬
lich in ſeiner Krankheit hatt' er bei der erſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="91"/>
ken, der einer vornehmen Männer-Leiche ge¬<lb/>
genüber entgegen&#x017F;tarrte, die man eben zu &#x017F;chmin¬<lb/>
ken be&#x017F;chäftigt war. Allmählig rang &#x017F;ich das<lb/>
Leben wieder aus dem Winter auf und der<lb/>
Ritter &#x017F;etzte, wie Starr&#x017F;üchtige mü&#x017F;&#x017F;en, die mit<lb/>
dem Worte &#x201E;Unglückliches&#x201C; angefangne Anre¬<lb/>
de &#x017F;o fort: &#x201E;Weib, von wem bi&#x017F;t du Mutter?&#x201C;<lb/>
&#x2014; Er kam zu &#x017F;ich und &#x017F;ah wach umher; aber<lb/>
&#x017F;chnell rann wieder die Lava des Zorns durch<lb/>
&#x017F;einen Schnee: &#x201E;Unglücklicher, wovon war die<lb/>
Rede?&#x201C; Albano entdeckte ihm mit gerader un¬<lb/>
&#x017F;chuldiger Seele, daß er bei dem wahr&#x017F;cheinli¬<lb/>
chen Tode des Für&#x017F;ten auf eine Vereinigung<lb/>
zwi&#x017F;chen beiden und auf das Glück, eine Mut¬<lb/>
ter zu erhalten, &#x017F;ich die Hoffnung gemacht.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ihr junges Volk bildet euch immer ein,<lb/>
man könne keine ächte Liebe haben, ohne &#x017F;ie<lb/>
nach au&#x017F;&#x017F;en zu treiben und auf jemand zu rich¬<lb/>
ten,&#x201C; ver&#x017F;etzte Ga&#x017F;pard und fieng an, hart<lb/>
zu lachen und das &#x201E;&#x017F;entimentali&#x017F;che Mißver¬<lb/>
&#x017F;tändniß&#x201C; &#x017F;ehr komi&#x017F;ch zu finden; aber Albano<lb/>
fragte ihn nun &#x017F;ehr ern&#x017F;t nach dem Ur&#x017F;prunge<lb/>
des &#x017F;einigen. Ga&#x017F;pard gab ihm die&#x017F;en. Neu¬<lb/>
lich in &#x017F;einer Krankheit hatt' er bei der er&#x017F;ten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0103] ken, der einer vornehmen Männer-Leiche ge¬ genüber entgegenſtarrte, die man eben zu ſchmin¬ ken beſchäftigt war. Allmählig rang ſich das Leben wieder aus dem Winter auf und der Ritter ſetzte, wie Starrſüchtige müſſen, die mit dem Worte „Unglückliches“ angefangne Anre¬ de ſo fort: „Weib, von wem biſt du Mutter?“ — Er kam zu ſich und ſah wach umher; aber ſchnell rann wieder die Lava des Zorns durch ſeinen Schnee: „Unglücklicher, wovon war die Rede?“ Albano entdeckte ihm mit gerader un¬ ſchuldiger Seele, daß er bei dem wahrſcheinli¬ chen Tode des Fürſten auf eine Vereinigung zwiſchen beiden und auf das Glück, eine Mut¬ ter zu erhalten, ſich die Hoffnung gemacht. „Ihr junges Volk bildet euch immer ein, man könne keine ächte Liebe haben, ohne ſie nach auſſen zu treiben und auf jemand zu rich¬ ten,“ verſetzte Gaſpard und fieng an, hart zu lachen und das „ſentimentaliſche Mißver¬ ſtändniß“ ſehr komiſch zu finden; aber Albano fragte ihn nun ſehr ernſt nach dem Urſprunge des ſeinigen. Gaſpard gab ihm dieſen. Neu¬ lich in ſeiner Krankheit hatt' er bei der erſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/103
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/103>, abgerufen am 25.11.2024.