druck von der hohen Stelle herab. Alban's Wesen war eine bebende Flamme. Die Für¬ stinn begriff nicht, warum er noch diesen Früh¬ lingston verschiebe; er errieth sie eben so we¬ nig, ungeübt die Weiber und deren halbe ab¬ getheilte Wörter zu lesen, diese Bildergedichte, halb Gestalt und nur halb Wort. -- Gleich¬ sam als wäre ein Adler aus seinem Morgen¬ glanz herabgeflogen und hätte als ein Raub- Genius die Flügel über seine Augen geschla¬ gen: so hatt' ihn der leuchtende Morgen so sehr verblendet, daß er wagen wollte, jetzt in der Abschiedsstunde zwischen seinem Vater und der Fürstinn der Mittler durch Ein Wort zu werden, das beiden die Scheidewand zwischen ihrer Liebe wegzöge. Vieles wandt' ihm seine Zartheit dagegen ein, aber gegenüber einem wichtigen Ziele verabscheute er nichts so sehr als zagende Vorsicht; und Wagen hielt er für einen Mann so viel werth als Gewinnen.
Die Fürstinn, mißverstehend, doch nicht mi߬ trauend, folgte ihm in des Vaters Haus, mit einer Erwartung -- kühner als seine --, er be¬ kenne vielleicht gar dem Ritter die Liebe gegen
druck von der hohen Stelle herab. Alban's Weſen war eine bebende Flamme. Die Für¬ ſtinn begriff nicht, warum er noch dieſen Früh¬ lingston verſchiebe; er errieth ſie eben ſo we¬ nig, ungeübt die Weiber und deren halbe ab¬ getheilte Wörter zu leſen, dieſe Bildergedichte, halb Geſtalt und nur halb Wort. — Gleich¬ ſam als wäre ein Adler aus ſeinem Morgen¬ glanz herabgeflogen und hätte als ein Raub- Genius die Flügel über ſeine Augen geſchla¬ gen: ſo hatt' ihn der leuchtende Morgen ſo ſehr verblendet, daß er wagen wollte, jetzt in der Abſchiedsſtunde zwiſchen ſeinem Vater und der Fürſtinn der Mittler durch Ein Wort zu werden, das beiden die Scheidewand zwiſchen ihrer Liebe wegzöge. Vieles wandt' ihm ſeine Zartheit dagegen ein, aber gegenüber einem wichtigen Ziele verabſcheute er nichts ſo ſehr als zagende Vorſicht; und Wagen hielt er für einen Mann ſo viel werth als Gewinnen.
Die Fürſtinn, mißverſtehend, doch nicht mi߬ trauend, folgte ihm in des Vaters Haus, mit einer Erwartung — kühner als ſeine —, er be¬ kenne vielleicht gar dem Ritter die Liebe gegen
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Weſen war eine bebende Flamme. Die Für¬
ſtinn begriff nicht, warum er noch dieſen Früh¬
lingston verſchiebe; er errieth ſie eben ſo we¬
nig, ungeübt die Weiber und deren halbe ab¬
getheilte Wörter zu leſen, dieſe Bildergedichte,
halb Geſtalt und nur halb Wort. — Gleich¬
ſam als wäre ein Adler aus ſeinem Morgen¬
glanz herabgeflogen und hätte als ein Raub-
Genius die Flügel über ſeine Augen geſchla¬
gen: ſo hatt' ihn der leuchtende Morgen ſo
ſehr verblendet, daß er wagen wollte, jetzt in
der Abſchiedsſtunde zwiſchen ſeinem Vater und
der Fürſtinn der Mittler durch Ein Wort zu
werden, das beiden die Scheidewand zwiſchen
ihrer Liebe wegzöge. Vieles wandt' ihm ſeine
Zartheit dagegen ein, aber gegenüber einem
wichtigen Ziele verabſcheute er nichts ſo ſehr
als zagende Vorſicht; und Wagen hielt er für
einen Mann ſo viel werth als Gewinnen.
Die Fürſtinn, mißverſtehend, doch nicht mi߬
trauend, folgte ihm in des Vaters Haus, mit
einer Erwartung — kühner als ſeine —, er be¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/101>, abgerufen am 25.11.2024.
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