hinter den langen Gesträuchen Rabette. Sie rührte beide in die tiefste Seele, weil die Arme mit dem Arbeiten ihrer unbehülflichen Stimme dem Geliebten das demüthige Opfer des Ge¬ horsams brachte. "O, mein Albano, (sagte Lia¬ ne sich entzückt an ihn schlingend,) welche Süs¬ sigkeit, daß mein Bruder glücklich ist und See¬ lenfrieden hat und durch Deine Schwester!" -- "Er verdient meinen, (sagt' er bewegt,) aber wir wollen sie beide nicht stören, sondern den alten Weg zurückgehen." Denn Rabettens Töne wurden oft zerschnitten, aber es war ungewiß, ob von Furcht -- oder von Küssen -- oder von Rührung.
Als sie wieder durchs Morgenthor herein¬ traten: kam die Sängerin und Karl ihnen aus der grünenden Pforte entgegen, beide verweint. Karl, gewaltsam über lebendige Beete tretend und mit irrenden Augen, griff nach beider Hand mit seinen und sagte: "das ist doch ein¬ mal ein Tag auf der Regenwelt, der nicht wie eine Nacht aussieht -- Bruder, aber wenn man so innig seelig ist und Sphären vernimmt, so sind's solche Töne, wie man einmal zum
hinter den langen Geſträuchen Rabette. Sie rührte beide in die tiefſte Seele, weil die Arme mit dem Arbeiten ihrer unbehülflichen Stimme dem Geliebten das demüthige Opfer des Ge¬ horſams brachte. „O, mein Albano, (ſagte Lia¬ ne ſich entzückt an ihn ſchlingend,) welche Süs¬ ſigkeit, daß mein Bruder glücklich iſt und See¬ lenfrieden hat und durch Deine Schweſter!“ — „Er verdient meinen, (ſagt' er bewegt,) aber wir wollen ſie beide nicht ſtören, ſondern den alten Weg zurückgehen.“ Denn Rabettens Töne wurden oft zerſchnitten, aber es war ungewiß, ob von Furcht — oder von Küſſen — oder von Rührung.
Als ſie wieder durchs Morgenthor herein¬ traten: kam die Sängerin und Karl ihnen aus der grünenden Pforte entgegen, beide verweint. Karl, gewaltſam über lebendige Beete tretend und mit irrenden Augen, griff nach beider Hand mit ſeinen und ſagte: „das iſt doch ein¬ mal ein Tag auf der Regenwelt, der nicht wie eine Nacht ausſieht — Bruder, aber wenn man ſo innig ſeelig iſt und Sphären vernimmt, ſo ſind's ſolche Töne, wie man einmal zum
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0082"n="70"/>
hinter den langen Geſträuchen Rabette. Sie<lb/>
rührte beide in die tiefſte Seele, weil die Arme<lb/>
mit dem Arbeiten ihrer unbehülflichen Stimme<lb/>
dem Geliebten das demüthige Opfer des Ge¬<lb/>
horſams brachte. „O, mein Albano, (ſagte Lia¬<lb/>
ne ſich entzückt an ihn ſchlingend,) welche Süs¬<lb/>ſigkeit, daß mein Bruder glücklich iſt und See¬<lb/>
lenfrieden hat und durch Deine Schweſter!“—<lb/>„Er verdient meinen, (ſagt' er bewegt,) aber wir<lb/>
wollen ſie beide nicht ſtören, ſondern den alten<lb/>
Weg zurückgehen.“ Denn Rabettens Töne<lb/>
wurden oft zerſchnitten, aber es war ungewiß,<lb/>
ob von Furcht — oder von Küſſen — oder von<lb/>
Rührung.</p><lb/><p>Als ſie wieder durchs Morgenthor herein¬<lb/>
traten: kam die Sängerin und Karl ihnen aus<lb/>
der grünenden Pforte entgegen, beide verweint.<lb/>
Karl, gewaltſam über lebendige Beete tretend<lb/>
und mit irrenden Augen, griff nach beider<lb/>
Hand mit ſeinen und ſagte: „das iſt doch ein¬<lb/>
mal ein Tag auf der Regenwelt, der nicht wie<lb/>
eine Nacht ausſieht — Bruder, aber wenn<lb/>
man ſo innig ſeelig iſt und Sphären vernimmt,<lb/>ſo ſind's ſolche Töne, wie man einmal zum<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[70/0082]
hinter den langen Geſträuchen Rabette. Sie
rührte beide in die tiefſte Seele, weil die Arme
mit dem Arbeiten ihrer unbehülflichen Stimme
dem Geliebten das demüthige Opfer des Ge¬
horſams brachte. „O, mein Albano, (ſagte Lia¬
ne ſich entzückt an ihn ſchlingend,) welche Süs¬
ſigkeit, daß mein Bruder glücklich iſt und See¬
lenfrieden hat und durch Deine Schweſter!“ —
„Er verdient meinen, (ſagt' er bewegt,) aber wir
wollen ſie beide nicht ſtören, ſondern den alten
Weg zurückgehen.“ Denn Rabettens Töne
wurden oft zerſchnitten, aber es war ungewiß,
ob von Furcht — oder von Küſſen — oder von
Rührung.
Als ſie wieder durchs Morgenthor herein¬
traten: kam die Sängerin und Karl ihnen aus
der grünenden Pforte entgegen, beide verweint.
Karl, gewaltſam über lebendige Beete tretend
und mit irrenden Augen, griff nach beider
Hand mit ſeinen und ſagte: „das iſt doch ein¬
mal ein Tag auf der Regenwelt, der nicht wie
eine Nacht ausſieht — Bruder, aber wenn
man ſo innig ſeelig iſt und Sphären vernimmt,
ſo ſind's ſolche Töne, wie man einmal zum
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/82>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.