Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

ja, trotz alles Widerstandes, doch alle Geister-
Weissagungen einander eingreifend faßten und
hielten. -- -- Das Alles sagte sie nun, weil sie
nur ihre Schmerzen, nicht ihre Hoffnungen
verbarg, dem Grafen gar ins Gesicht.

Welchen knirschenden Biß in sein weichstes
Leben that jetzt ein böser Genius! -- Diese
glühende, ungetheilte, nicht theilende Liebe hatt'
er, nicht sie, -- glaubt' er. Er war recht nahe
daran, sein wie von einem Gewitterschlag auf
einmal in die Höhe brennendes Wesen auch so
zu zeigen; nur die schuldlose, weisse Stirn mit
frohen Rosen in den kleinen Locken, der kindlich¬
helle Aufblick des reinen, blauen Augenpaars
und das weiche Angesicht, das schon bei einem
musikalischen Fortissimo und bei jeder Heftig¬
keit im fremden Bewegen oder Lachen kränklich
durch das klopfende Herz erröthet, und sein
verschämter Haß der Leichtigkeit, mit der ein
Mann seine Allmacht und sein Geschlecht zum
Erschrecken des zarteren mißbrauchen kann, hiel¬
ten ihn wie Schutzgeister ein und er sagte bloß
in jenem edeln Zorne, der wie eine Rührung
klang: o Liane, Du bist heute hart!

ja, trotz alles Widerſtandes, doch alle Geiſter-
Weiſſagungen einander eingreifend faßten und
hielten. — — Das Alles ſagte ſie nun, weil ſie
nur ihre Schmerzen, nicht ihre Hoffnungen
verbarg, dem Grafen gar ins Geſicht.

Welchen knirſchenden Biß in ſein weichſtes
Leben that jetzt ein böſer Genius! — Dieſe
glühende, ungetheilte, nicht theilende Liebe hatt'
er, nicht ſie, — glaubt' er. Er war recht nahe
daran, ſein wie von einem Gewitterſchlag auf
einmal in die Höhe brennendes Weſen auch ſo
zu zeigen; nur die ſchuldloſe, weiſſe Stirn mit
frohen Roſen in den kleinen Locken, der kindlich¬
helle Aufblick des reinen, blauen Augenpaars
und das weiche Angeſicht, das ſchon bei einem
muſikaliſchen Fortiſſimo und bei jeder Heftig¬
keit im fremden Bewegen oder Lachen kränklich
durch das klopfende Herz erröthet, und ſein
verſchämter Haß der Leichtigkeit, mit der ein
Mann ſeine Allmacht und ſein Geſchlecht zum
Erſchrecken des zarteren mißbrauchen kann, hiel¬
ten ihn wie Schutzgeiſter ein und er ſagte bloß
in jenem edeln Zorne, der wie eine Rührung
klang: o Liane, Du biſt heute hart!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="40"/>
ja, trotz alles Wider&#x017F;tandes, doch alle Gei&#x017F;ter-<lb/>
Wei&#x017F;&#x017F;agungen einander eingreifend faßten und<lb/>
hielten. &#x2014; &#x2014; Das Alles &#x017F;agte &#x017F;ie nun, weil &#x017F;ie<lb/>
nur ihre Schmerzen, nicht ihre Hoffnungen<lb/>
verbarg, dem Grafen gar ins Ge&#x017F;icht.</p><lb/>
          <p>Welchen knir&#x017F;chenden Biß in &#x017F;ein weich&#x017F;tes<lb/>
Leben that jetzt ein bö&#x017F;er Genius! &#x2014; Die&#x017F;e<lb/>
glühende, ungetheilte, nicht theilende Liebe hatt'<lb/>
er, nicht &#x017F;ie, &#x2014; glaubt' er. Er war recht nahe<lb/>
daran, &#x017F;ein wie von einem Gewitter&#x017F;chlag auf<lb/>
einmal in die Höhe brennendes We&#x017F;en auch &#x017F;o<lb/>
zu zeigen; nur die &#x017F;chuldlo&#x017F;e, wei&#x017F;&#x017F;e Stirn mit<lb/>
frohen Ro&#x017F;en in den kleinen Locken, der kindlich¬<lb/>
helle Aufblick des reinen, blauen Augenpaars<lb/>
und das weiche Ange&#x017F;icht, das &#x017F;chon bei einem<lb/>
mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Forti&#x017F;&#x017F;imo und bei jeder Heftig¬<lb/>
keit im fremden Bewegen oder Lachen kränklich<lb/>
durch das klopfende Herz erröthet, und &#x017F;ein<lb/>
ver&#x017F;chämter Haß der Leichtigkeit, mit der ein<lb/>
Mann &#x017F;eine Allmacht und &#x017F;ein Ge&#x017F;chlecht zum<lb/>
Er&#x017F;chrecken des zarteren mißbrauchen kann, hiel¬<lb/>
ten ihn wie Schutzgei&#x017F;ter ein und er &#x017F;agte bloß<lb/>
in jenem edeln Zorne, der wie eine Rührung<lb/>
klang: o Liane, Du bi&#x017F;t heute hart!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0052] ja, trotz alles Widerſtandes, doch alle Geiſter- Weiſſagungen einander eingreifend faßten und hielten. — — Das Alles ſagte ſie nun, weil ſie nur ihre Schmerzen, nicht ihre Hoffnungen verbarg, dem Grafen gar ins Geſicht. Welchen knirſchenden Biß in ſein weichſtes Leben that jetzt ein böſer Genius! — Dieſe glühende, ungetheilte, nicht theilende Liebe hatt' er, nicht ſie, — glaubt' er. Er war recht nahe daran, ſein wie von einem Gewitterſchlag auf einmal in die Höhe brennendes Weſen auch ſo zu zeigen; nur die ſchuldloſe, weiſſe Stirn mit frohen Roſen in den kleinen Locken, der kindlich¬ helle Aufblick des reinen, blauen Augenpaars und das weiche Angeſicht, das ſchon bei einem muſikaliſchen Fortiſſimo und bei jeder Heftig¬ keit im fremden Bewegen oder Lachen kränklich durch das klopfende Herz erröthet, und ſein verſchämter Haß der Leichtigkeit, mit der ein Mann ſeine Allmacht und ſein Geſchlecht zum Erſchrecken des zarteren mißbrauchen kann, hiel¬ ten ihn wie Schutzgeiſter ein und er ſagte bloß in jenem edeln Zorne, der wie eine Rührung klang: o Liane, Du biſt heute hart!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/52
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/52>, abgerufen am 28.11.2024.