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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Spuren nachgelassen, hatte heute ihre Phanta¬
sie einen ganz andern Weg genommen, weit
vor ihrem Ich und ihrem Grabe vorbei. Sie
stand bloß vor Linda's Bild, von der ihr Ju¬
lienne diesen Nachmittag schärfere Umrisse als
sonst Mädchen von Mädchen geben -- "es ist
ein sehr gutes Mädchen" sagt jedes von je¬
dem -- anvertrauet hatte; Linda's männlicher
Muth, ihre warme Anhänglichkeit an Gaspard
bei ihrer Verachtung des Männerhaufens, ihre
Unveränderlichkeit, ihr kühnes Fortschreiten in
männlichem Wissen, ihre herrlichen, oft harten,
mehr körnigen als blumigen Briefe, und am
meisten ihr vielleicht nahes Hieherkommen, nah¬
men ihr zartes Herz gewaltig ein. "Mein Albano
muß sie haben" dachte immer dieses uneigen¬
nützige Gemüth und merkte, wenn die Prinzes¬
sin die Absicht demüthigender Vergleichungen
gehabt, sie nicht, sondern erfüllte sie. Dabei
fand die Gute so viel höhere Schickung, -- daß
z. B. ihr Bruder nun nicht mehr der Neben¬
buhler ihres Geliebten und seines Freundes
seyn -- daß sie selber ihren kräftigen Albano
vormalen könne der stolzen Romeiro, und daß

Spuren nachgelaſſen, hatte heute ihre Phanta¬
ſie einen ganz andern Weg genommen, weit
vor ihrem Ich und ihrem Grabe vorbei. Sie
ſtand bloß vor Linda's Bild, von der ihr Ju¬
lienne dieſen Nachmittag ſchärfere Umriſſe als
ſonſt Mädchen von Mädchen geben — „es iſt
ein ſehr gutes Mädchen“ ſagt jedes von je¬
dem — anvertrauet hatte; Linda's männlicher
Muth, ihre warme Anhänglichkeit an Gaſpard
bei ihrer Verachtung des Männerhaufens, ihre
Unveränderlichkeit, ihr kühnes Fortſchreiten in
männlichem Wiſſen, ihre herrlichen, oft harten,
mehr körnigen als blumigen Briefe, und am
meiſten ihr vielleicht nahes Hieherkommen, nah¬
men ihr zartes Herz gewaltig ein. „Mein Albano
muß ſie haben“ dachte immer dieſes uneigen¬
nützige Gemüth und merkte, wenn die Prinzeſ¬
ſin die Abſicht demüthigender Vergleichungen
gehabt, ſie nicht, ſondern erfüllte ſie. Dabei
fand die Gute ſo viel höhere Schickung, — daß
z. B. ihr Bruder nun nicht mehr der Neben¬
buhler ihres Geliebten und ſeines Freundes
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[39/0051] Spuren nachgelaſſen, hatte heute ihre Phanta¬ ſie einen ganz andern Weg genommen, weit vor ihrem Ich und ihrem Grabe vorbei. Sie ſtand bloß vor Linda's Bild, von der ihr Ju¬ lienne dieſen Nachmittag ſchärfere Umriſſe als ſonſt Mädchen von Mädchen geben — „es iſt ein ſehr gutes Mädchen“ ſagt jedes von je¬ dem — anvertrauet hatte; Linda's männlicher Muth, ihre warme Anhänglichkeit an Gaſpard bei ihrer Verachtung des Männerhaufens, ihre Unveränderlichkeit, ihr kühnes Fortſchreiten in männlichem Wiſſen, ihre herrlichen, oft harten, mehr körnigen als blumigen Briefe, und am meiſten ihr vielleicht nahes Hieherkommen, nah¬ men ihr zartes Herz gewaltig ein. „Mein Albano muß ſie haben“ dachte immer dieſes uneigen¬ nützige Gemüth und merkte, wenn die Prinzeſ¬ ſin die Abſicht demüthigender Vergleichungen gehabt, ſie nicht, ſondern erfüllte ſie. Dabei fand die Gute ſo viel höhere Schickung, — daß z. B. ihr Bruder nun nicht mehr der Neben¬ buhler ihres Geliebten und ſeines Freundes ſeyn — daß ſie ſelber ihren kräftigen Albano vormalen könne der ſtolzen Romeiro, und daß

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/51>, abgerufen am 24.11.2024.