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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Jetzt eilte Gaspard zur einen davon, zur
Gräfin Romeiro, wo er auch die andere fand
-- die Prinzessin Idoine. Diese hatte unmög¬
lich so viel von ihrer Gesichts- und Seelen-
Schwester in allen Briefen lesen können, ohne
selber aus ihrem Arkadien zu ihr herzureisen
und die schöne Verwandtschaft zu prüfen; aber
als sie im Schleier ankam im Schmerzenhause,
hatte schon ihre Verwandte den ihrigen über
das brechende Auge gezogen; und als er auf¬
gieng, sah sie sich selber verloschen und im tie¬
fen Spiegel der Zeit ihr eignes Sterbe-Bild.
Sie schwieg in sich selber gleichsam wie vor
Gott, aber ihr Herz, ihr ganzes Leben war
bewegt.

Die Ähnlichkeit war so auffallend, daß Ju¬
lienne sie bat, nie der gebeugten Mutter zu er¬
scheinen. Idoine war zwar länger, schärfer ge¬
zeichnet und weniger rosenfarb als Liane in
ihrer Blüthenzeit; aber die letzte blasse Stun¬
de, worin diese neben ihr erschien, machte die
bleiche Gestalt länger und das Angesicht edler
und zog die blumige jungfräuliche Verhüllung
vom scharfen Umriß weg.

Jetzt eilte Gaſpard zur einen davon, zur
Gräfin Romeiro, wo er auch die andere fand
— die Prinzeſſin Idoine. Dieſe hatte unmög¬
lich ſo viel von ihrer Geſichts- und Seelen-
Schweſter in allen Briefen leſen können, ohne
ſelber aus ihrem Arkadien zu ihr herzureiſen
und die ſchöne Verwandtſchaft zu prüfen; aber
als ſie im Schleier ankam im Schmerzenhauſe,
hatte ſchon ihre Verwandte den ihrigen über
das brechende Auge gezogen; und als er auf¬
gieng, ſah ſie ſich ſelber verloſchen und im tie¬
fen Spiegel der Zeit ihr eignes Sterbe-Bild.
Sie ſchwieg in ſich ſelber gleichſam wie vor
Gott, aber ihr Herz, ihr ganzes Leben war
bewegt.

Die Ähnlichkeit war ſo auffallend, daß Ju¬
lienne ſie bat, nie der gebeugten Mutter zu er¬
ſcheinen. Idoine war zwar länger, ſchärfer ge¬
zeichnet und weniger roſenfarb als Liane in
ihrer Blüthenzeit; aber die letzte blaſſe Stun¬
de, worin dieſe neben ihr erſchien, machte die
bleiche Geſtalt länger und das Angeſicht edler
und zog die blumige jungfräuliche Verhüllung
vom ſcharfen Umriß weg.

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[398/0410] Jetzt eilte Gaſpard zur einen davon, zur Gräfin Romeiro, wo er auch die andere fand — die Prinzeſſin Idoine. Dieſe hatte unmög¬ lich ſo viel von ihrer Geſichts- und Seelen- Schweſter in allen Briefen leſen können, ohne ſelber aus ihrem Arkadien zu ihr herzureiſen und die ſchöne Verwandtſchaft zu prüfen; aber als ſie im Schleier ankam im Schmerzenhauſe, hatte ſchon ihre Verwandte den ihrigen über das brechende Auge gezogen; und als er auf¬ gieng, ſah ſie ſich ſelber verloſchen und im tie¬ fen Spiegel der Zeit ihr eignes Sterbe-Bild. Sie ſchwieg in ſich ſelber gleichſam wie vor Gott, aber ihr Herz, ihr ganzes Leben war bewegt. Die Ähnlichkeit war ſo auffallend, daß Ju¬ lienne ſie bat, nie der gebeugten Mutter zu er¬ ſcheinen. Idoine war zwar länger, ſchärfer ge¬ zeichnet und weniger roſenfarb als Liane in ihrer Blüthenzeit; aber die letzte blaſſe Stun¬ de, worin dieſe neben ihr erſchien, machte die bleiche Geſtalt länger und das Angeſicht edler und zog die blumige jungfräuliche Verhüllung vom ſcharfen Umriß weg.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/410>, abgerufen am 24.11.2024.